Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 28.10.2015 betreffend Rückbau der Fundamente von Windkraftanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: In Bezug auf den Rückbau der Fundamente von Windkraftanlagen gibt es unterschiedliche Informationen. Das Baugesetzbuch führt dazu in § 35 Abs. 5 aus: "Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird." Entsprechend wurde meine Kleine Anfrage 19/763 vom 06.08.2014 von der Landesregierung beantwortet: "§ 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB fordert für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierten Vorhaben im Außenbereich als Zulässigkeitsvoraussetzung die Abgabe einer Verpflichtungserklärung, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen." Der Bundesverband Windenergie führt auf seiner Homepage dazu wie folgt aus: "Die Windenergieanlage wird mit Hilfe eines Kranes Stück für Stück demontiert und abtransportiert. Zuerst werden die Blätter von der Nabe abgetrennt, anschließend werden die Nabe und die Gondel demontiert. Der Turm wird dann abgeschraubt. Die Schaltanlage und die Übergabestation (Trafo) werden abgebaut und die Kabel werden ausgegraben. Das Fundament muss entfernt werden, eventuell aber nur so tief, dass eine landwirtschaftliche Nutzung wieder möglich ist." Auch in einschlägigen Verträgen von der Windkraftprojektierern wird lediglich von einem Rückbau der Fundamente bis zu einer Tiefe von 1,2 m ab Geländeoberfläche gesprochen. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Bereits im Jahr 2011 wurde in einem gemeinsamen Erlass der damaligen Hessischen Ministerien für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung sowie Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur "Umsetzung der bauplanungsrechtlichen Anforderungen zur Rückbauverpflichtung und Sicherheitsleistung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Außenbereich" (vom 17.10.2011, StAnz. S. 1351, geändert am 15.03.2012, StAnz. S. 414, und am 07.11.2013, StAnz. S. 1454) unter anderem die Beseitigung von Windenergieanlagen (WEA) einschließlich der vollständigen Fundamente und aller weiterer Bodenversiegelungen im Rahmen des Rückbaus der Anlagen geregelt. Hintergrund waren folgende Überlegungen: Die im Boden verbleibende Fundamentteile bilden eine Versiegelung, dadurch wird der Wasserund Luftaustausch gestört sowie die Versickerung und Wasserverfügbarkeit als zentrale Bodenfunktionen eingeschränkt. Dies führt zu negativen Auswirkungen auf die Qualität der betroffenen Böden als Lebensraum und Pflanzenstandort. Z.B. benötigen Tiefwurzler wie die Eiche mit 3 bis 4 Metern Wurzeltiefe eine hindernisfreie Bodenbeschaffenheit zum Wachstum, sodass ein Wald in seiner Funktion durch die Fundamente in seiner Ausbreitung gestört würde. Die Reichweite der Wirkungen hängt von den ursprünglich vorhandenen bzw. umgebenden Bodenverhältnissen ab. Die Effekte auf tiefgründigen Lössböden sind beispielsweise anders zu bewerten als auf Standorten, auf denen Fundamente bis ins anstehende Gestein reichen. Auch wenn aus landwirtschaftlicher Sicht in Abhängigkeit von der Bodenstruktur eine vollständige Entfernung nicht in jedem Fall erforderlich wäre, können bei einem pauschalen Rückbau Eingegangen am 21. Dezember 2015 · Ausgegeben am 23. Dezember 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2537 21. 12. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2537 bis in 1,2 m Tiefe negative Auswirkungen auf die Wurzeln von Kulturpflanzen nicht ausgeschlossen werden. Um die Beeinträchtigungen beim Landschaftsbild und im Funktionszusammenhang beim Schutzgut Boden rückgängig zu machen, ist nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB nicht nur der Abbau des oberirdischen Teils der WEA geboten, sondern auch die Entfernung des Betonfundaments . Dementsprechend wird eine entsprechende Nebenbestimmung in die Genehmigungsbescheide aufgenommen. Zurückzubauen sind danach alle ober- und unterirdischen Anlagen und Anlagenteile (einschließlich der vollständigen Fundamente) sowie die zugehörigen Nebenanlagen wie Leitungen, Wege und Plätze und sonstige versiegelte Flächen. Rückbau- und Lockerungsmaßnahmen und gegebenenfalls erforderliche Verfüllungen sind so durchzuführen, dass zusätzliche Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen vermieden werden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt sie die Formulierungen der Windkraftlobby? Für die hessischen Windenergieanlagen gelten - unabhängig von den Ausführungen auf der Homepage des Bundesverbandes Windenergie - die jeweiligen Genehmigungsbescheide mit den entsprechenden Nebenbestimmungen. Für Anlagen, die vor dem 20. Juli 2004 errichtet wurden, greift die in § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB enthaltene Verpflichtung zur Entfernung von Bodenversiegelungen jedoch nicht. Hier müssen die zuständigen Behörden im Rahmen der Stilllegungsanzeige nach § 15 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz eine vollständige Beseitigung der Fundamente gegebenenfalls anordnen. Frage 2. Erfüllt der Rückbau bis zu einer möglichen landwirtschaftlichen Nutzung die Voraussetzungen des § 35 BauGB? Nein. Nach dem sogenannten Rückbauerlass (siehe Vorbemerkung) ist eine vollständige Beseitigung der Fundamente und anderer Bodenversiegelungen erforderlich. Frage 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich bei der Entfernung der Fundamente bis in eine Tiefe von 1,2 m lediglich um eine optische Kaschierung der des Eingriffs handelt und nicht um eine Beseitigung? Eine allgemeine Beschränkung des Rückbaus der Bodenversiegelungen bis in eine Tiefe von 1,2 m wird den Anforderungen der Landesregierung an einen ordnungsgemäßen Rückbau nicht gerecht . Die vollständige Beseitigung der Bodenversiegelungen und des Fundaments sind Voraussetzung für eine möglichst weitgehende Wiederherstellung der Bodenfunktionen mit ihrer Bedeutung für den gesamten Naturhaushalt und ermöglichen damit nicht nur eine landwirtschaftliche Nutzung. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, zur Vermeidung von Schädigungen, die mit Rückbau, Lockerung und Verfüllungen einhergehen können, Abstriche von der vollständigen Beseitigung zuzulassen. Frage 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Beseitigungsverpflichtung des § 35 BauGB durchzusetzen? Durch die Aufnahme der entsprechenden Nebenbestimmung in die Genehmigungsbescheide ist eine vollziehbare Auflage gegeben, die sofort bei Zuwiderhandlung mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Für den Rückbau ist zudem eine Abbruchgenehmigung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde erforderlich. Details zu Abbruchmaßnahmen sind in dieser geregelt und ihre Einhaltung wird durch die Bauaufsichtsbehörden überwacht. Im Falle einer Stilllegung von WEA, die bereits vor dem 20. Juli 2004 in Betrieb waren, kann die Behörde auch eine Anordnung zur Beseitung der Bodenversiegelung treffen. Frage 5. Gibt es bereits Fälle in denen Fundamente von Windkraftanlagen beim Rückbau nicht entfernt worden sind? Der Landesregierung liegen keine Informationen über Fälle vor, in denen Fundamente von Windenergieanlagen nicht vollständig entfernt worden sind. Frage 6. Wenn ja, welche sind das? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Wiesbaden, 13. Dezember 2015 Priska Hinz