Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 02.11.2015 betreffend Rechtsqualität der Lärmpausen am Frankfurter Flughafen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur hat Herrn Abgeordneten Florian Rentsch verschiedene Fragen zum Thema "Lärmpausen am Frankfurter Flughafen" schriftlich beantwortet. Auf die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage und von welcher Behörde die Lärmpausen angeordnet werden, hat Herr Staatssekretär Barthle geantwortet, dass die Lärmpausen nicht durch eine Behörde angeordnet werden . Das aktuelle Konzept der Lärmpausen sei vielmehr das Ergebnis einer Zusammenarbeit vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Fraport AG, der Deutschen Lufthansa AG, der Frankfurter Fluglärmkommission sowie des Forum Flughafen und Region, zu dessen Umsetzung sich die genannten Unternehmen und Organisationen selbst verpflichtet haben. Mit dieser Aussage ist nicht geklärt, um welche Rechtsqualität es sich bei diesem "Ergebnis der Zusammenarbeit " handelt. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Ergänzend zu den in der Vorbemerkung des Fragestellers genannten Institutionen, die am Zustandekommen der Lärmpausen mitgewirkt haben, ist die Condor Flugdienst GmbH, der BDF Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften e.V. und BARIG Board of Airline Representatives in Germany e.V. zu nennen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Frankfurter Fluglärmkommission sowie das Forum Flughafen und Region das sogenannte "Bündnispapier" nicht unterzeichnet haben. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Handelt es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, die Rechtsgrundlage für die sachlich und örtlich zuständige Flugverkehrskontrollstelle der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH ist? Frage 2. Falls ja, wie wird die Zulässigkeit dieser öffentlich-rechtlichen Vereinbarung begründet? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres sachlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Dem Probebetrieb der sog. Lärmpausen war ein ausführlicher Konsultationsprozess über verschiedene Lärmpausenmodelle vorausgegangen. Die verschiedenen Lärmpausenmodelle wurden einer umfangreichen lärmfachlichen Überprüfung durch das Forum Flughafen und Region sowie der Frankfurter Fluglärmkommission unterworfen. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Lärmauswertungen und der Beratung in der Fluglärmkommission wurde gemeinsam zwischen Luftverkehrswirtschaft und dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) in Form einer freiwilligen Vereinbarung "Bündnis für Lärmpausen " (Bündnispapier) erklärt, dass ein Probebetrieb des Lärmpausen-Modells 4 bei Betriebsrichtung 25 begonnen werden soll. Das HMWEVL hat die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) um Unterstützung bei der formellen Umsetzung des Probebetriebs gebeten. Die DFS hat dementsprechend unter Berufung auf ein Amtshilfeersuchen des HMWEVL die oben benannten Schritte zur Umsetzung eingeleitet. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wurde nicht geschlossen. Eingegangen am 6. Januar 2015 · Ausgegeben am 7. Januar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2548 06. 01. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2548 Zur Umsetzung des Probebetriebs für die Nutzung des alternativen Betriebskonzepts zur Schaffung von siebenstündigen Lärmpausen hat die DFS am 02.04.2015 ein "Aeronautical Information Circular" (AIC) herausgegeben, um sicherzustellen, dass die Beteiligten Kenntnis von den Inhalten haben. In diesem AIC wurde das Betriebskonzept beschrieben sowie die Anwendungszeiten . Außerdem wird definiert, welche Flugbewegungen hiervon ausgenommen sind (Notfälle, Rettungsflüge etc.) sowie der Weg, falls die Anwendung des Konzepts ausnahmsweise ausgesetzt werden soll. Seit dem 23.04.2015 (Beginn Probebetrieb Lärmpausen) erfolgen die Flugverkehrskontrollfreigaben durch die Lotsen der DFS anhand der benannten Regelungen. Frage 3. Ist es richtig, dass für eine gerichtliche Klärung der Frage, welche Start- und Landebahn von einem Luftfahrzeug genutzt wird, der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist? Frage 4. Wer kann Widerspruch einlegen bzw. wer ist klagebefugt? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund ihres Zusammenhangs zusammen beantwortet. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche anderweitige Zuweisung liegt nicht vor, ebenso wenig ist § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO einschlägig. Die in der VwGO festgelegten weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage unterscheiden sich je nach Klageart und hängen hinsichtlich der Klagebefugnis von den Umständen des Einzelfalls ab. Allgemeines Grundprinzip ist jedoch, dass eine eigene Rechtsverletzung des Klägers zumindest möglich erscheint. Das Konzept der Lärmpausen hat hingegen zum Ziel, die Betroffenheit von Fluglärm in der Region insgesamt zu reduzieren, nicht zuletzt in solchen dicht besiedelten Gebieten, in denen nach dem bisherigen Betriebskonzept die Fluglärmbelastung erheblich über der nach der Rechtsprechung definierten Zumutbarkeitsschwelle liegt. Grundsätzlich sind alle drei Bahnen (25 L, 25 C, 25 R) für Landungen auf dem Frankfurter Flughafen zugelassen, wobei aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Betriebsgenehmigung für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main bestimmte Vorgaben für einzelne Bahnen bestehen, z.B. welche Luftfahrzeuge auf der Landebahn 25 R aufgrund der kürzeren Bahnlänge landen dürfen. Die am Planfeststellungsbeschluss und den bereits bestehenden Lärmschutzmaßnahmen orientierte Entscheidung, auf welche Bahn ein einzelner Anflug konkret geführt wird, trifft die DFS als zuständige Stelle für Flugverkehrskontrollfreigaben. Entsprechendes gilt für Abflüge. Hieran wurde im Zuge der Einführung des Probebetriebs nichts geändert. Für den individuellen Schutz von Anwohnern gilt, wie für alle vergleichbaren Fälle von betrieblichen Änderungen, § 9 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 5 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Flu- LärmG). Hinsichtlich des Rechtswegs gelten die allgemeinen Regeln. Besonderheiten gegenüber dem herkömmlichen Betriebskonzept oder vergleichbaren Schallschutzmaßnahmen wie z.B. DROps Early Morning ergeben sich nicht. Der Probebetrieb wird von einem Lärmmonitoring durch das Forum Flughafen und Region begleitet . Frage 5. Ist das Ergebnis der Zusammenarbeit veröffentlicht bzw. welchen Wortlaut hat die Übereinkunft? Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist im Dokument "Bündnis für Lärmpausen" vom 04.02.2015 festgehalten und auf der Internet-Seite des HMWEVL veröffentlicht (www.wirtschaft.hessen.de -> Lärmpausen). Frage 6. Wie ist bei der dargestellten Vorgehensweise sichergestellt, dass sich die "Maßnahmen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens bewegen müssen und dass sie keinesfalls in bestehende Rechte eingreifen dürfen" (so Staatssekretär Barthle in seiner schriftlichen Antwort vom 20.05.2015). Es ist unklar, auf welche "bestehenden Rechte" sich die zitierte Aussage von Staatssekretär Barthle bezieht, da weder vor noch mit dem Probebetrieb eine Betriebsbeschränkung durch die Genehmigungsbehörde eingeführt wurde, wie viele Anflüge oder Abflüge auf welchen Bahnen erfolgen dürfen. Es ist lediglich - gänzlich unabhängig von den Lärmpausen - im Planfeststellungsbeschluss bzw. in der Betriebsgenehmigung festgeschrieben, dass die Zahl geplanter Anund Abflüge pro Nacht zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr sowie zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr im Jahresdurchschnitt nicht höher als 133 sein darf. Diese Beschränkung bleibt von der Einführung des Lärmpausenkonzepts unberührt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2548 3 Im Bündnis für Lärmpausen ist festgelegt, dass die Anwendbarkeit des Lärmpausenmodells regelmäßig geprüft wird. Eine Aussetzung des Modells für eine bestimmte Randstunde kann von jedem betrieblich Beteiligten (Flughafen, Flugsicherung, Airline) jederzeit - auch kurzfristig verlangt werden, soweit befürchtet wird, dass die betriebliche Abwicklung der An- und Abflüge beeinträchtigt wird. Frage 7. Wären betroffene Anwohner klageberechtigt, wenn sich Lärmpausen für sie lärmfördernd auswirken ? Frage 8. Wie wird sichergestellt, dass der durch Lärmpausen eventuell in vorher weniger belasteten Gebieten entstehende zusätzliche Lärm auf keinen Fall das rechtlich und tatsächlich zumutbare Maß überschreiten darf? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. Frage 9. Ist vertraglich sichergestellt, dass durch neue oder geänderte Betriebsverfahren die für den Flughafen genehmigte Kapazität des Flughafens nicht reduziert oder in der Abwicklung erschwert werden darf? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 6 verwiesen. Bislang haben sich im Probebetrieb auch in den verkehrsreichen Sommermonaten keine Kapazitätsprobleme ergeben. Frage 10. Warum haben die an der Vereinbarung Beteiligten nicht darauf gedrängt, dass die zuständige Behörde Entscheidungen trifft, die von allen Betroffenen, z.B. Bürgern, Initiativen, Kommunen gerichtlich überprüfbar sind? Die Umsetzung erfolgte analog bisheriger Vorgehensweisen, wenn in Frankfurt am Main aktive Schallschutzmaßnahmen durch die Flugsicherung eingeführt wurden, die keiner formellen Änderung von An- und Abflugverfahren bedurften. An der grundlegenden Anforderung, dass der Betrieb des Flughafens Frankfurt und die Abwicklung von An- und Abflügen nach Recht und Gesetz zu erfolgen hat, ändert der Probebetrieb selbstverständlich nichts. Es gelten die allgemeinen Regeln, nach denen dies für Bürger oder Gemeinden gerichtlich überprüfbar ist. Wiesbaden, 17. Dezember 2015 Tarek Al-Wazir