Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 05.11.2015 betreffend "Gute Pflege in den Kommunen stärken" - Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: In der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit bezüglich "Gute Pflege in den Kommunen stärken" der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, äußert sich der hessische Sozial- und Gesundheitsminister Stefan Grüttner und erklärt, dass Hessen stärker präventiv ausgerichtete Ansätze in der Pflege fordert und fördert. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche präventiv ausgerichteten Ansätze in der Pflege werden in Hessen gefordert? Neben niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangeboten wird die Förderung von Modellprojekten zur Erprobung neuer Versorgungsstrukturen, die Qualifizierung von ehrenamtlichen Alltagsbegleitern und die Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen und Selbsthilfeeinrichtungen weiter verfolgt. Durch ihre niedrigschwellige Struktur erreichen diese Angebote die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen unmittelbar und begleiten bestmöglich. Frage 2. Welche präventiv ausgerichteten Ansätze in der Pflege werden in welcher Weise in Hessen gefördert ? Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration fördert mit insgesamt 500.000 € jährlich einzelne Projekte, die niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote im Rahmen des § 45c SGB XI insbesondere für Demenzkranke anbieten. Hierzu gehören auch Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtliche Betreuer. Die Angebote unterstützen die Betroffenen in ihrem Alltag und bei der Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten. Sie wirken damit gesundheitlichen Einschränkungen und sozialen Problemen entgegen und tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, dass ältere Menschen länger zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können . Frage 3. Welche Früherkennungssysteme zur Erfassung möglicher gesundheitlicher Einschränkungen oder sozialer Probleme - vor allem älterer Menschen - sollen eingesetzt werden bzw. werden derzeit bereits eingesetzt? Die Landesregierung hat sich bei den Beratungen zur Reform der Pflegeversicherung auf der Bundesebene immer für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs/neues Begutachtungsverfahren , insbesondere zur besseren Versorgung von Demenzkranken, eingesetzt. Sie begrüßt es, dass endlich mit dem Pflegestärkungsgesetz II die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs /neues Begutachtungsverfahren, ab 1. Januar 2016, begonnen wird. Nach einem einjährigen Testverfahren sollen ab 2017 die fünf Pflegegrade die bisherigen drei Pflegestufen ablösen. Die Begutachtung durch den MDK zur Ermittlung der Pflegegrade nach einem Punktesystem orientiert sich an folgenden sechs Kriterien: - Mobilität, wie selbstständiges Bewegen des Körpers, - Kognitive Fähigkeiten, wie Erinnerungs- und Orientierungsvermögen, Eingegangen am 26. Januar 2016 · Ausgegeben am 28. Januar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2558 26. 01. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2558 - Verhaltensweisen und psychische Probleme, wie motorisch geprägte Auffälligkeiten und nächtliche Unruhe, - Selbstversorgung, wie Körperpflege und An- und Auskleiden, - Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, wie Medikation und Wundversorgung, - Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte, wie Tagesablauf gestalten und an Veränderungen anpassen. Daraus folgt, dass alle Pflegebedürftigen im jeweiligen Pflegegrad, unabhängig davon, ob körperlich , demenziell oder psychisch beeinträchtigt, Anspruch auf die gleichen Leistungen haben. Frage 4. Wo sieht die Landesregierung Ansatzpunkte, damit der Eintritt oder die Verschlechterung der Pflegebedürftigkeit möglichst verhindert und bestmöglich begleitet werden kann? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Frage 5. Wie können Gesundheits- und Pflegestützpunkte bei der oben geschilderten Prävention unterstützen ? In einer älter werdenden Gesellschaft mit einer zunehmenden Anzahl von chronisch und mehrfach Erkrankten ist es wichtig, so früh als möglich gesundheitliche Einschränkungen oder soziale Probleme älterer Menschen zu erkennen, um den Eintritt oder die Verschlimmerung von Pflegebedürftigkeit möglichst zu verhindern bzw. die Menschen bestmöglich zu begleiten. Aus diesem Grund wird in Hessen bereits seit 2014 modellhaft erprobt, ob und inwieweit die bestehenden Pflegestützpunkte zu Gesundheits- und Pflegestützpunkten weiterentwickelt werden können. Im Rahmen des Hessischen Gesundheitspaktes bzw. des Landesprogramms "Regionale Gesundheitsnetze" fördert das Land seit 2014 die modellhafte Weiterentwicklung von Pflegestützpunkten zu Gesundheits- und Pflegestützpunkten. So wurden im Landkreis Marburg- Biedenkopf ergänzend zum bestehenden Pflegestützpunkt in Marburg zwei Außenstellen in Stadtallendorf und Biedenkopf eingerichtet, die das regionale Case- und Care-Management übernahmen. An diesen beiden Außenstellen wurden zudem regionale Netzwerkkonferenzen mit den Akteuren des Gesundheitswesens und der Pflege durchgeführt, um die sektorenübergreifende Versorgung anhand von gemeinsam beschlossenen Leitlinien zu optimieren. Hierbei soll u.a. durch eine verbesserte Kommunikation und Information unter den Dienstleistern sowie von Patienten und deren Angehörigen die Voraussetzung geschaffen werden, möglichst frühzeitig bedarfsgerechte und präventive Hilfsmaßnahmen mit dem Ziel zu organisieren, das eigenständige Leben in der Häuslichkeit zu ermöglichen. Ergänzend ist beabsichtigt, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Landespflegeausschuss und Hessischer Gesundheitspakt Fragen der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit von Gesundheitswesen und Pflege zu erörtern. Hierbei wird u.a. die Frage des Zusammenspiels des Entlass -Managements der Krankenhäuser mit den Koordinierungsaufgaben der Pflegestützpunkte und der kommunalen Altenhilfe mit den maßgeblichen Verbänden und Organisationen auf Landesebene diskutiert. Frage 6. Wo sieht die Landesregierung darüber hinaus Ansatzpunkte für eine transparente, neutrale und unabhängige Unterstützung und (Erst-) Beratung im Falle einer Pflegebedürftigkeit? Die Landesregierung sieht in den hessischen Pflegestützpunkten ein hervorragendes Angebot der Unterstützung und Beratung im Falle der Pflegebedürftigkeit. Die Einrichtung von Pflegestützpunkten soll Pflegedürftigen bzw. deren Angehörigen als ortsnahe Anlaufstellen dabei helfen, den organisatorischen Aufwand für die Beantragung von Leistungen zur Behandlung von Erkrankungen , Hilfen bei der Pflege und der Altenhilfe zu reduzieren. Der Pflegestützpunkt bildet ein gemeinsames Dach, unter dem das Personal der Pflege- und Krankenkassen, der Altenhilfe und der Sozialhilfeträger sich abstimmt und den Rat und Hilfe suchenden Betroffenen die einschlägigen Sozialleistungen erläutert und vermittelt sowie die Inanspruchnahme begleitet. Die Landesregierung misst der Einrichtung solcher Pflegestützpunkte eine herausragende Bedeutung für die ambulante Versorgung und Pflege pflegebedürftiger Menschen bei. Um diese wichtigen regionalen Versorgungsstrukturen weiter zu entwickeln, wurde mit Allgemeinverfügung vom 8. Dezember 2008 bestimmt, dass zunächst in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ein solcher Pflegestützpunkt einzurichten ist. Inzwischen ist der Aufbau der Pflegestützpunkte in Hessen weitgehend abgeschlossen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2558 3 Die Landesregierung wurde von den Vertragsparteien der Rahmenvereinbarung über folgenden Umsetzungsstand informiert: In den Landkreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Hochtaunus, Hersfeld- Rotenburg, Kassel, Lahn-Dill, Limburg-Weilburg, Marburg-Biedenkopf, Main-Kinzig, Main- Taunus, Schwalm-Eder, Rheingau-Taunus, Vogelsberg, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner und Wetterau sowie den Städten Darmstadt, Fulda, Frankfurt, Gießen, Kassel, Offenbach und Wiesbaden wurden Pflegestützpunkte eingerichtet. Am 1. Oktober 2013 wurde der erste Evaluationsbericht vorgelegt. Er dokumentiert die erfolgreiche Beratungstätigkeit der Pflegestützpunkte in Hessen. Frage 7. Wo sieht die Landesregierung Ansatzpunkte, damit Prävention und Begleitung flächendeckend gewährleistet werden kann? Frage 8. Wo besteht eine Über-, Unter- oder gar Fehlversorgung in diesen Bereichen? Die Fragen 7 und 8 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Der landesweite Rahmenplan zur pflegerischen Versorgung wird überarbeitet. Der Rahmenplan enthält Vorgaben und Indikatoren für die kommunale Altenhilfeplanung, die hinsichtlich der Belange und Bedürfnisse älterer Menschen, insbesondere pflegebedürftiger Menschen, zu berücksichtigen sind. Wiesbaden, 12. Januar 2016 Stefan Grüttner