Kleine Anfrage der Abg. Merz, Alex, Di Benedetto und Roth (SPD) vom 26.03.2014 betreffend Investitionskosten beim Bau von Unterkünften für Flüchtlinge und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Die Aufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen schultern Land und Kommunen gemeinsam. Dabei erhalten die Kommunen für die Unterbringung pauschale Zuwendungen aus dem Landeshaushalt . Im Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Haushalts 2013/2014 ist vorgesehen , den gestiegenen Fallzahlen sowie der Leistungsausweitung nach Anpassung des Landesaufnahmegesetzes aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen und die Haushaltsansätze um 52 Mio. € zu erhöhen. Weiterhin erörtert derzeit eine Arbeitsgruppe partnerschaftlich im Dialog mit den Kommunen das weitere Vorgehen in diesem Bereich, insbesondere im Hinblick auf die derzeit anstehende Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister des Innern und für Sport und dem Hessischen Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie viele Plätze für die Unterbringung von Flüchtlingen außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtun- gen gab es in Hessen jeweils in den Jahren 2009 bis 2013? Diese Fragen können nur die Gebietskörperschaften beantworten. Die neueste Asylbewerberleistungsstatistik 2012 des Hessischen Statistischen Landesamtes gibt darüber Auskunft. Hierzu wird auf die Anlage verwiesen. Frage 2. Wie viele Plätze davon waren in wie vielen Gemeinschaftsunterkünften? (Bitte ebenfalls nach den Jahren 2009 bis 2013 aufschlüsseln) Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat 2013 eine Erhebung bei den hessischen Gebietskörperschaften durchgeführt. 2012 hielten diese den Ergebnissen nach 121 Gemeinschaftsunterkünfte mit insgesamt 5.155 Unterbringungsplätzen vor. Frage 3. Wie viele Anträge zur Genehmigung zusätzlicher Investitionen zum Bau von Unterkünften für Flüchtlinge liegen vor? Frage 4. Wie viele dieser Anträge kommen aus so genannten "Schutzschirm-Kommunen"? Frage 5. Wie viele weitere sind aufgrund von Voranfragen für das laufende Jahr zu prognostizieren? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 bis 5 gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung liegen keine Statistiken über Anträge kommunaler Gebietskörperschaften für Investitionen zum Bau von Unterkünften für Flüchtlinge vor. Hierzu ist anzumerken, dass die Kommunen in eigener Zuständigkeit die Unterbringung von Flüchtlingen organisieren. Die Art und Weise der Unterbringung (Einzel- oder Gemeinschaftsunterkünfte in Mietobjekten oder eigenen Gebäuden) bleibt daher den Kommunen überlassen. Eingegangen am 20. Juni 2014 · Ausgegeben am 25. Juni 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/265 20. 06. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/265 Frage 6. Warum wird trotz offensichtlicher Kostenunterdeckung die zusätzliche Unterbringung von Flüchtlingen in "Schutzschirm-Kommunen" nicht als "Prognosestörung" gewertet? Die Flüchtlingsunterbringung ist eine gemeinsame Aufgabe von Land und Kommunen, die wir gemeinsam schultern. Dazu trägt das Land seinen Beitrag durch Pauschalzahlungen. Die Beträge sind zuletzt im Dezember 2013 angehoben worden. Aktuell erhalten die Landkreise und Gemeinden - regional differenziert - zwischen 520,97 € und 629,51 € pro Flüchtling und Monat. Derzeit steht im Bund die Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes an. Anschließend werden wir besprechen, wie auch künftig die Lasten - unter Ansehung der Konsolidierungserfordernisse aller Beteiligten - partnerschaftlich getragen werden. Schutzschirmkommunen profitieren wie auch alle nicht an dem Programm teilnehmenden Kommunen ab dem 1. Januar 2014 von der durch die Anpassungsverordnung zum Landesaufnahmegesetz (LAGAnpassV) vom 12. Dezember 2013 vorgenommenen Erhöhung der nach § 7 Abs. 1 des Landesaufnahmegesetzes vom Land Hessen an die Landkreise und Gemeinden zu erstattenden festen Beträge für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen um 113,97 € je Flüchtling und Monat. Darüber hinaus profitieren die hessischen Kommunen nach § 1 LAGAnpassV wie folgt von einer nachträglichen Erhöhung der Pauschalbeträge: 1. für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 in Höhe von 92,36 €, 2. für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Juli 2012 in Höhe von 99,94 €, für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Juli 2012 jedoch nur, soweit die diesen Zeitraum betreffenden Leistungsbescheide am 18. Juli 2012 noch nicht bestandskräftig waren, 3. für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 99,94 €, 4. für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von 106,77 €. Im Hinblick auf die Auswirkungen einer negativen Abweichung einer Schutzschirmkommune vom vertraglich vereinbarten jahresbezogenen Konsolidierungsziel können den "Gemeinsamen Auslegungshinweise der Hessischen Landesregierung und der Kommunalen Spitzenverbände zum Konsolidierungsvertrag zwischen dem Land und den Schutzschirmkommunen" vom 15. November 2012 folgende Ausführungen entnommen werden: "Bereits in Ziff. 6.5 der Rahmenvereinbarung wurde zur Prognosestörung vereinbart: "Entfalten die geplanten Konsolidierungsmaßnahmen in den jeweiligen Jahren des Abbauzeitraums nicht die gewünschte Wirkung, ist die Kommune verpflichtet, durch weitere, mit dem Land zu vereinbarende Konsolidierungsmaßnahmen nachzusteuern." § 5 Abs. 1 SchuSV regelt: "Sollten einzelne Maßnahmen keinen Erfolg haben oder sollte die Haushaltsentwicklung neue Maßnahmen erfordern, sind entsprechende Anpassungen und Konsolidierungsschritte im Rahmen der Aufstellung des Haushaltssicherungskonzeptes, nach Zustimmung des für die Finanzen zuständigen Ministeriums im Einvernehmen mit dem für kommunale Angelegenheiten zuständigen Ministerium zu beschließen." Grundsätzlich haben die antragstellenden Kommunen bezüglich der künftigen Entwicklung u.a. der Steuereinnahmen (insbesondere für die Gewerbe-, Einkommens- und Umsatzsteuer), den Einnahmen von Schlüsselzuweisungen oder in Bezug von jährlich schwankenden Aufwendungen z.B. für den Landeswohlfahrtsverband vorsichtige und realistische Annahmen zu treffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Kommunen die Orientierungsdaten des Landes beachten. Außerdem haben die Kommunen die örtlichen Gegebenheiten und die aus der Vergangenheit gewonnen Erfahrungen zur Genauigkeit der tatsächlichen Umsetzung dieser jährlichen Prognosen zu berücksichtigen. Verschlechtert sich dennoch die Haushaltsentwicklung aus Gründen, die die Kommune nicht zu vertreten hat (z.B. negative Abweichung der unabhängig von den vereinbarten Ergebnisverbesserungsmaßnahmen erwarteten Steuererträge von den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden Annahmen; Mehraufwand durch die Auswirkungen von Bunds- und Landesgesetzen) sichert das Land den Kommunen zu, § 7 Abs. 4 SchuSV sorgfältig zu prüfen. Danach haben Kommunen eine Einstellung und Rückabwicklung der Hilfen nicht zu befürchten, wenn die Verletzung von Vertragspflichten auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, das unerwartet eintritt und gegen das die Kommunen aufgrund der Kurzfristigkeit des Eintritts keine Vorsorge treffen konnte. Dies trifft jedenfalls zu für finanzwirtschaftliche Folgen makroökonomischer Entwicklungen." Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/265 3 Auch für Schutzschirmkommunen gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 92 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung - HGO). Frage 7. Sollten nicht zumindest Investitionsausgaben für Unterkünfte aus den mit den Schutzschirm- kommunen vereinbarten "Abbaupfaden" herausgerechnet und in den Folgejahren die tatsächliche Refinanzierung durch Landesmittel wieder eingerechnet werden? Wenn nein, warum nicht? Ziel des Kommunalen Schutzschirms ist die Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit in aktuell konsolidierungsbedürftigen Landkreisen, Städten und Gemeinden. Diesen soll durch die sofortige partielle Entschuldung sowie den Zinsdiensthilfen und den damit sinkenden Zinsaufwendungen spürbar geholfen werden, ihren Haushalt im Ordentlichen Ergebnis wieder ausgleichen zu können. Landeshilfen in Kombination mit eigenen merklichen und über die bisherigen Maßnahmen hinausgehenden Konsolidierungsanstrengungen sollen dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Als Faustformel für die finanzielle Leistungsfähigkeit gilt der regelmäßige Ausgleich des Ordentlichen Ergebnisses in Ergebnishaushalt und -rechnung. Das Ordentliche Ergebnis berechnet sich folgendermaßen: Gesamtbetrag der ordentlichen Erträge und der Zins- und sonstigen Finanzerträge abzüglich des Gesamtbetrags der ordentlichen Aufwendungen und der Zins- und sonstigen Finanzaufwendungen. Das Erreichen des Haushaltsausgleiches im Ordentlichen Ergebnis signalisiert, dass die Kommune im Haushalts- bzw. Rechnungsjahr die Aufwendungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit durch Erträge der laufenden Verwaltungstätigkeit (ohne die Veräußerung kommunalen Vermögens) decken konnte. Damit wird deutlich, dass die Kommune das vorhandene Nutzungspotenzial für zukünftige Generationen nicht verringert hat. Folglich lebt sie in finanzieller Hinsicht nicht auf Kosten kommender Generationen. Ein Investitionsrahmen wird gegenüber Schutzschirmkommen nicht definiert und festgelegt. Es wird vielmehr eine individuelle jahresbezogene Betrachtung auf Basis allgemeingültiger Vorschriften und der mit dem Land Hessen abgeschlossenen Konsolidierungsvereinbarung vorgenommen . Auch Schutzschirmkommunen können grundsätzlich Investitionen tätigen. Einerseits haben die Schutzschirmkommunen die allgemeingültigen Vorgaben der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise , kreisfreie Städte und kreisangehörige Städte und Gemeinden des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Mai 2010 (StAnz. 2010, Seite 1470) zu beachten. Gemäß Ziffer 4 der Leitlinie können auch bei defizitären Haushalten im Rahmen der Erfüllung von Pflichtaufgaben im Einzelfall Investitionsmaßnahmen oder Investitionsförderungsmaßnahmen notwendig werden. Andererseits haben die Schutzschirmkommunen die Auswirkungen entsprechender Investitionen auf das ordentliche Ergebnis (z.B. Abschreibungen, Zinsaufwand, eventuell investitionsbedingter Anstieg von Personal- und Sachaufwand) durch Konsolidierungsmaßnahmen zu kompensieren. Dies muss vor dem Hintergrund erfolgen, dass jede Schutzschirmkommune einen Vertrag mit dem Land Hessen abgeschlossen hat, der für die einzelnen Jahre des Konsolidierungszeitraums das maximale einwohnerbezogene Defizit im ordentlichen Ergebnis bis zum Haushaltsausgleich verbindlich festlegt. Entsprechend muss jede Schutzschirmkommune individuell entscheiden, welche finanziellen Spielräume in welchem Jahr des Konsolidierungszeitraums bestehen, um Investitionsmaßnahmen im Einklang mit der Leitlinie und dem vereinbarten Konsolidierungsprogramm umsetzen zu können. Die Regierungspräsidien stehen den Schutzschirmkommunen hierzu bereits im Vorfeld der Entscheidung beratend zur Seite. Eine Nebenrechnung würde dem Ziel des Kommunalen Schutzschirms, der auf das Ordentliche Ergebnis als Maßstab für die Generationengerechtigkeit fokussiert, nicht gerecht werden. Auch die Betrachtung von Ausgaben (für Investitionen) und Einnahmen (nachgelagerte "Refinanzierung ") entspricht nicht dem Konzept des Kommunalen Schutzschirms, der auf das Ordentliche Ergebnis als doppische Größe abstellt. Wiesbaden, 8. Juni 2014 Dr. Thomas Schäfer Anlagen