Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 25.11.2015 betreffend Disziplinierungsversuch gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Arbeitsniederlegung vom 16.06.2015 wegen Protest gegen "die beamtenfeindliche Politik" der Landesregierung - Teil I und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Das Kultusministerium hat mit Erlass vom 08.09.2015 die Schulämter des Landes angewiesen, gegen Teilnehmer vom 16.06.2015, die die Arbeit an diesem Tag niedergelegt haben, mit dem Ziel der Erteilung von Disziplinarstrafen vorzugehen. Ende Oktober haben drei von fünfzehn Schulämtern die Disziplinarverfahren eingeleitet und die Betroffenen zur Anhörung aufgefordert. Vorbemerkung des Kultusministers: Die Teilnahme beamteter Lehrkräfte an gegen den Dienstherrn gerichteten kollektiven Kampfmaßnahmen (Streiks) ist mit dem verfassungsrechtlich verankerten Treueverhältnis als Kernpflicht und Teil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums unvereinbar und stellt daher ein Dienstvergehen dar, das disziplinarrechtlich sanktionsbedürftig ist. Dies entspricht der ständigen höchstrichterlichen bzw. verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und wurde durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2014 - 2 C 1/13 - und vom 26.02.2015 - 2 B 6/15 - noch einmal ausdrücklich bestätigt, auch mit Blick auf Art. 11 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Ungeachtet der Frage der Auflösung der vom Bundesverwaltungsgericht konstatierten Kollisionslage durch den dazu allein berufenen Bundesgesetzgeber und möglicher zukünftiger Auswirkungen auf die Verbeamtungspraxis im Schulwesen ist das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot nach wie vor geltendes Recht. Gegen die beamteten Lehrkräfte, die durch die Teilnahme an der Arbeitsniederlegung ihre Dienstpflichten verletzt haben, werden deshalb, wie in dem genannten Erlass des Hessischen Kultusministeriums vorgesehen, von den zuständigen Staatlichen Schulämtern entsprechende Disziplinarverfahren eingeleitet. Aufgrund der Vielzahl der Fälle können allerdings nicht alle Verfahren zeitgleich bearbeitet werden. Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung den Ausgang einer Klage von CDU- und FDP- Landtagsmitgliedern in NRW gegen die im Jahre 2013 dort durchgeführten mangelhaften Übertragung des Tarifvertrages der NRW-Landesregierung (SPD und Grüne) auf die Beamtinnen und Beamten? Dieses Verfahren betraf eine in Nordrhein-Westfalen geplante Besoldungsanpassung, bei der zwischen den Beamtinnen und Beamten je nach Besoldungsgruppe stärker differenziert werden sollte. Auf die Sach- und Rechtslage in Hessen lassen sich daraus keine Rückschlüsse ziehen. Frage 2. Sieht die Hessische Landesregierung den Klageerfolg beim NRW-Verfassungsgericht gegen die dortige Landesregierung, wegen deren "beamtenfeindlicher Politik", als eine nachahmenswerte Aufforderung an die Beamtinnen und Beamten in Hessen an? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Eingegangen am 7. Januar 2016 · Ausgegeben am 11. Januar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2701 07. 01. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2701 Frage 3. Sollen durch die eingeleiteten dienstrechtlichen Maßregelungen gegen mehrere Tausend Lehrkräfte dazu dienen, den berechtigten Protest nun mit den Mitteln des Disziplinarrechtes zum Schweigen zu bringen? Frage 4. Worin sieht die Landesregierung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Protestaktion vom 16.06. den Wesenskern eines dienstpflichtwidrigen Verhaltens? Frage 5. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass "die "volle Hingabe" oder der "volle persönlichen Einsatz" nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen ein Streikverbot begründet? Zu den Fragen 3 bis 5 wird auf meine Vorbemerkung verwiesen. Frage 6. Welche Protestformen schlägt die Landesregierung den betroffenen Beamtinnen und Beamten vor, die über Jahre "wie ein Feind (beamtenfeindlich)" von der Landesregierung behandelt wurden und werden? Der Vorwurf einer "beamtenfeindlichen Politik" ist in aller Form zurückzuweisen. An dieser Stelle soll lediglich beispielhaft auf die Besoldungserhöhungen der letzten Jahre hingewiesen werden sowie - bezogen auf die Arbeitsbedingungen im Schuldienst - auf die Entwicklung hin zu einer landesweit durchschnittlich 105-prozentigen Unterrichtsversorgung. Zugleich tragen Landtag und Landesregierung gleichermaßen Verantwortung für die Einhaltung der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse. Im Übrigen haben beamtete Lehrkräfte, wie alle anderen Beamtinnen und Beamten auch, neben individuellen Beschwerde- und Remonstrationsrechten vielfältige Möglichkeiten, ihre Interessen in Personalvertretungen, Gewerkschaften und Verbänden wahrzunehmen. Hinzu kommen das allgemeine Demonstrationsrecht (o.ä.) sowie der umfassende gerichtliche Rechtsschutz. Was das Streikverbot angeht, wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 7. Ist es zutreffend, dass die Landesregierung für die Durchführung der Disziplinarverfahren drei neue juristische Mitarbeiter eingestellt hat, die über die Schulämter rotieren sollen, damit die angehäufte Arbeitsmenge durch Personalverstärkung ein wenig Milderung erhalten kann? Schulämtern mit besonders hohen Teilnehmerzahlen wurde temporär eine zusätzliche Ressource zur disziplinarrechtlichen Aufarbeitung des Warnstreiks zur Verfügung gestellt. Eine Möglichkeit hierzu bietet der Abschluss befristeter Arbeitsverträge. Deren konkrete Ausfüllung liegt in der Organisationshoheit der betroffenen Ämter. Vertragsgestaltung und Einsatz erfolgen im Einklang mit den einschlägigen befristungsrechtlichen Vorgaben. Frage 8. Wurden diese Mitarbeiter ausschließlich zur Abarbeitung der Disziplinarverfahren befristet eingestellt oder welche berufliche Perspektiven bietet die Landesregierung den drei eingestellten Juristen über den Tag der beendeten Disziplinarverfahren hinaus? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 ver- und zusätzlich auf Folgendes hingewiesen: Den gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben folgend, hat der Arbeitgeber vor Ablauf der Arbeitsverträge zu prüfen, ob eine unbefristete oder befristete Weiterbeschäftigung möglich ist, sofern entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Wiesbaden, 28. Dezember 2015 In Vertretung: Dr. Manuel Lösel