Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 27.11.2015 betreffend schulaufsichtliche Aktivitäten der Landesregierung zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verfahrens zur Zurückstellung von Schulanfängerinnen und Schulanfängern II und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: In der Antwort vom 19. Oktober 2015 auf meine Kleine Anfrage vom 02.09.2015 (Drs. 19/2370) korrigierte der Kultusminister seine Auskunft in der Drs. 19/2090, wonach es im Aufsichtsbereich des Staatlichen Schulamtes für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden im Schuljahr 2014/15 25 Widersprüche gegen Zurückstellungen gegeben habe, von denen auch 17 erfolgreich waren (im folgenden Schuljahr 18, davon 12 erfolgreich), dahin gehend, die Antwort sei "bedauerlicherweise fehlerhaft" gewesen. Versehentlich sei nicht die Zahl der Widersprüche gemeldet worden, sondern "die Anzahl der (formlosen) Elternnachfragen an den Schulen und deren Überprüfung". In den allermeisten Fällen seien "mit den Eltern einvernehmliche Lösungen gefunden" worden, tatsächlich habe es nur drei noch dazu erfolglose Widersprüche im Schuljahr 2014/15 gegeben. Vorbemerkung des Kultusministers: Vor der Entscheidung über die Zurückstellung eines Kindes werden dessen Sorgeberechtigte grundsätzlich in einem Gespräch mit der Schulleitung umfassend informiert und beraten. Dies geschieht auf der Basis von Erkenntnissen der Kindertagesstätte (z.B. Spielevormittage), der Schule und des schulärztlichen und schulpsychologischen Dienstes. Wenn sich die genannten Institutionen zunächst für eine Zurückstellung des Kindes aussprechen, wird dies mit den Sorgeberechtigten intensiv besprochen. Häufig führen diese Gespräche zu einem einvernehmlichen Ergebnis über die Frage einer Einschulung in die erste Klasse bzw. einer Zurückstellung. Ein Schreiben über die Zurückstellung wird erst im Anschluss an dieses Elterngespräch versendet. Sind die Eltern mit der Zurückstellung nicht einverstanden, wird ein weiteres Gespräch angeboten , auch dies mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung. Wie auch die mitgeteilten Fallzahlen zeigen, gelingt es im konstruktiven Zusammenwirken zwischen Elternhaus und Schule zumeist ohne Inanspruchnahme formeller Rechtsbehelfe an das Staatliche Schulamt für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden, eine für alle Beteiligten tragbare Lösung zu finden. Dies ist positiv zu bewerten. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Nach welchen tatsächlichen Kriterien hatte sich das staatliche Schulamt respektive die Landesregierung zunächst entschieden, die sogenannten "formlosen Elternnachfragen" als (wahrscheinlich ebenfalls formlose) Widersprüche zu bewerten? Wie bereits in der Kleinen Anfrage Drucksache 19/2370 mitgeteilt wurde, handelte es sich nicht um eine "Entscheidung" oder um eine bewusste "Einstufung" von Nachfragen als Widersprüche , sondern um ein Verwaltungsversehen. Frage 2. Welche tatsächlichen Kriterien führten bis zur Beantwortung der Anfrage Drs. 19/2370 zu der geänderten Bewertung und wann wurde diese vorgenommen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Frage 3. Bezogen sich die zunächst als erfolgreiche Widersprüche eingestuften formlosen Elternnachfragen auf die unterlassene Anhörung und/oder die Verwendung eines Serienbriefes, mit dem Eltern ohne vorherige Anhörung die Zurückstellung ihres Kindes von der Teilnahme am Unterricht der Grundschule mitgeteilt wurde? Wie in der Vorbemerkung dargestellt, wird grundsätzlich zuerst das Gespräch mit den Sorgeberechtigten geführt und im Nachgang ggf. ein Schreiben über die Zurückstellung erstellt. Dem- Eingegangen am 23. Dezember 2015 · Ausgegeben am 29. Dezember 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2707 23. 12. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2707 entsprechend sind - wie bereits mitgeteilt - keine Fälle bekannt, in dem (formelle oder formlose) Rechtsbehelfe deshalb eingelegt wurden, weil eine Anhörung unterblieben oder ein Serienbrief verwendet worden sei. Frage 4. Hat das Hessische Kultusministerium als oberste Schulaufsichtsbehörde wegen der ungewöhnlich großen Zahl formloser Elternnachfragen, die zunächst als erfolgreiche Widersprüche eingestuft wurden, einen Bericht über die Gründe bzw. die zugrundeliegenden Vorkommnisse angefordert? Für die unterstellte "Einstufung" wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Eine "ungewöhnlich große Zahl formloser Elternnachfragen" kann aus Sicht des Hessischen Kultusministeriums nicht bestätigt werden. Vielmehr handelt es sich um die konsensorientierte Klärung der Frage der Schulreife von Kindern in dem dafür vorgesehenen komplexen Verfahren. Wie bereits in der Antwort zu Frage 5 der Drucksache 19/2370 mitgeteilt, hat das Staatliche Schulamt das Verfahren an einigen Schulen überprüft und dem Hessischen Kultusministerium darüber berichtet. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung in diesem Zusammenhang die von der Schulleitung der Friedrich -von-Schiller-Schule in Wiesbaden diesbezüglich verwendeten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Briefe mit dem Betreff "Zurückstellung von der Teilnahme am Unterricht"? Frage 6. Gab es Widersprüche aufgrund dieser Briefe und wie wurden diese behandelt? Frage 7. Gab es (formlose) Elternnachfragen aufgrund dieser Briefe und wie wurden diese behandelt? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 bis 7 gemeinsam beantwortet. Die Zurückstellungsentscheidungen entsprechen den gesetzlichen Regelungen in § 58 Abs. 3 HSchG sowie § 9 Abs. 4 VOBGM. Die an der genannten Schule verwendeten Briefe werden, wie dargestellt , erst im Anschluss an ein Elterngespräch versendet und ersetzen dieses daher nicht. Die Sorgeberechtigten, die diese Schreiben erhalten haben, waren durch das vorige Gespräch informiert und mit der Zurückstellung überwiegend auch einverstanden. Waren sie es nicht, wurden sie zu einem weiteren Gespräch mit der Schulleitung eingeladen. Festzuhalten bleibt, dass die von der Schiller-Schule für das laufende Schuljahr befürworteten Zurückstellungen letztlich allesamt einvernehmlich geregelt werden konnten und kein einziger Widerspruch vom Staatlichen Schulamt beschieden werden musste. Auch sind weder beim Schulamt noch beim Hessischen Kultusministerium Beschwerden oder sonstige Eingaben in diesem Kontext bekannt geworden. Frage 8. Sieht die Landesregierung im Hinblick auf diese Briefe weiteren Korrektur- oder Ergänzungsbedarf zu ihren Antworten Drs. 19/2090 und/oder 19/2370? Die Landesregierung sieht keinen derartigen Bedarf; nach wie vor ist kein Fall bekannt, in dem Eltern nicht ordnungsgemäß in den Entscheidungsprozess über die Zurückstellung ihres Kindes einbezogen wurden. Angemerkt wird, dass das Staatliche Schulamt die Schulleitungen seines Amtsbereichs kontinuierlich bei der rechtssicheren Entscheidung über Zurückstellungen von Schülerinnen und Schülern unterstützt und auch künftig durch Schulleiterdienstversammlungen etc. darauf hinwirken wird, Schulleitungen zu informieren, zu sensibilisieren und etwaige auftauchende Fragen zu klären. Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass eine Schulleitung widerspruchführende Eltern bat, den Widerspruch wieder mitzunehmen, ihr Kind bekomme nun doch einen Platz, der Widerspruch aber gleichwohl in der Schulakte des Kindes hinterlegt wurde? Unklar ist, ob sich die Frage ebenfalls auf die Friedrich-von-Schiller-Schule bezieht. Die dortige Verfahrensweise wurde seitens des Staatlichen Schulamts überprüft. Dabei ist kein Fall bekannt geworden, in dem die Schulleitung widerspruchführende Eltern gebeten hätte, ein Widerspruchsschreiben wieder mitzunehmen. Die Führung der Schülerakten wurde mit der Schulleitung besprochen . Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Zurückstellungsentscheidung sowie ggf. ein Widerspruchsschreiben und eine Abhilfeentscheidung in der Schülerakte dokumentiert werden. Wiesbaden, 17. Dezember 2015 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz