Kleine Anfrage der Abg. Löber (SPD) vom 27.03.2014 betreffend Bienensterben stoppen! und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Bienen sind für die Herstellung unserer Nahrungsmittel und für die Landwirtschaft im Allgemeinen le- benswichtig. So werden ca. 80 Prozent der heimischen Blüten von Honigbienen bestäubt. Ebenso werden rund ein Drittel der Nutzpflanzen, die wir zur Ernährung anbauen, von Bienen bestäubt. Bienen tragen somit maßgeblich zu guten Ernten und zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Die industrielle Landwirtschaft schädigt neben anderen Tierarten auch nachweislilch unsere Bienen. In den letzten Jahren ist ein zuneh- mendes Sterben ganzer Bienenvölker zu beobachten. Die EU will in Zukunft nur noch jene Landwirte mit vollen Fördermitteln unterstützen, die mindestens 5 Prozent ihrer Felder im Sinne des Artenschutzes bewirtschaften. Die Bundesregierung jedoch will auf be- sagten Flächen Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden gestatten. Zudem sollen zusätzliche Wiesen und Weiden in Ackerland umgewandelt werden. Somit geht hier Lebensraum für Bienen und andere Tierarten unweigerlich verloren. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie entwickelte sich in den vergangenen fünf Jahren der Bestand an Bienenvölkern in Hessen? Nach den Zahlen des Landesverbands Hessischer Imker und der Hessischen Tierseuchenkasse lag der Tiefpunkt der Bienenvölkerzahl in Hessen mit 48.612 im Jahr 2009. Seitdem ist ein langsamer, aber stetiger Anstieg zu verzeichnen (2010: 50.117, 2011: 50.714, 2012: 51.288, 2013: 51.702). Allerdings findet der Zuwachs vor allem in den Ballungszentren statt, während die Zahlen in einigen ländlichen Bereichen nach wie vor rückläufig sind. Frage 2. Auf welche Ursachen ist der Rückgang der Bestandszahlen zurückzuführen? Wie unter der Antwort auf die Frage 1 dargelegt, wächst in Hessen der Bestand an Honigbienen . Als beschränkende Faktoren für die Imkerei sind neben einer ungünstigen Altersstruktur der aktiven Imker, die auch auf unzureichende Nachwuchswerbung in früheren Jahren zurückzuführen ist, Probleme mit Völkerverlusten, insbesondere durch Schwierigkeiten bei der Varroabekämpfung sowie begrenzte Absatzmöglichkeiten für Honig anzuführen. Als eine Ursache für den Rückgang der Wildbienen wird der Verlust kleinräumiger, stärker diversifizierter Lebensräume mit dem daraus resultierenden Mangel an Nistmöglichkeiten und alternativen Nahrungsquellen angesehen. Der Straßen- und Siedlungsbau trägt hierzu ebenso bei wie die moderne Landbewirtschaftung und der zahlenmäßig hohe Verlust an Ton-, Kies- und Sandgruben in der Kulturlandschaft. Durch den Anbau von relativ wenigen Nutzpflanzenarten auf großen Flächen in der Landwirtschaft fehlt den Bestäuberinsekten vermehrt die Kontinuität in der Versorgung mit Nahrung. Nach einem in vielen Regionen reichen Angebot im Frühjahr bricht die Nahrungsversorgung im Juni oft schlagartig zusammen. Weitere Gründe sind der Rückgang von Ackerunkräutern durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder mechanischen Regulierungsmaßnahmen sowie der Umbruch und die Silagenutzung von Grünland, bei der die Wiesen mitunter mehrmals im Jahr vor der Blüte gemäht werden. Auch der Einsatz von Insektiziden verringert die Vielfalt der Bestäuberinsekten. Frage 3. Welche Auswirkungen auf die Artenvielfalt von Wild- und Nutzpflanzen sind bereits heute fest- stellbar, mit welchen ist in absehbarer Zukunft zu rechnen? Der Einfluss bestäubender Insekten auf die Artenvielfalt von Wild- und Nutzpflanzen ist bislang wenig erforscht und deshalb nicht genau quantifizierbar. Eingegangen am 23. Mai 2014 · Ausgegeben am 28. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/287 23. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/287 Für Hessen sind bisher keine durch unzureichende Bestäubungsleistung bedingte Einschränkungen beim Anbau bestäubungsabhängiger Nutzpflanzen zu erkennen. Wahrscheinlich gibt es jedoch Veränderungen im Bereich der Wildpflanzen und der landwirtschaftlichen Begleitflora, die in Wechselwirkung mit der Prävalenz und Diversität der Bestäuberpopulationen stehen. In diesem Zusammenhang ist auf die Untersuchung von Biesmeijer et al.1 (2006) zu verweisen, die den engen Zusammenhang beider Aspekte verdeutlich, sodass Ursache und Wirkung nicht sicher unterschieden werden können. Die Bienen zählen zu den wichtigsten Pflanzenbestäubern in Mitteleuropa. Hiermit sind jedoch nicht nur die Honigbienen gemeint, sondern auch die vielen Wildbienenarten. Von den 560 in Deutschland nachgewiesenen Bienenarten können 424 zur Fauna Hessens gerechnet werden. Davon wurden 181 Arten in die Rote Liste der Bienen Hessens aufgenommen. Deshalb ist der Schutz der vielen Wildbienen- und Hummelarten für die Erhaltung der Artenvielfalt besonders wichtig. Die Honigbiene leistet durch ihre Funktion als Bestäuber einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, jedoch ist für den Erhalt der pflanzlichen Biodiversität auch die Vielfalt an Bestäuberinsekten sehr wichtig. Aufgrund der verschiedensten Physiognomien der Blüten in der Natur kann nicht jedes Insekt und auch nicht jede Bienenart jede Blüte nutzen und bestäuben. Will man also die Biodiversität erhalten, muss man auch die Biodiversität an Bestäuberinsekten erhalten. Die Bedeutung der Bestäubungsleistung von Bienen im Hinblick auf Höhe und Sicherheit der landwirtschaftlicher Erträge im Pflanzen-, Garten- und Obstbau ist hinlänglich bekannt. Wildund Honigbienen werden als effektivste Bestäubergruppe betrachtet. Nur die großen Völker der Honigbienen sind zur Zeit der Obstblüte im Frühjahr zahlenmäßig in der Lage eine vollständige Bestäubung sicherzustellen. Insofern könnte eine drastische Reduzierung der Bienenvölker große wirtschaftliche Schäden verursachen und Gefahren für die Versorgung der Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Gütern bergen. Frage 4. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung, um das Bienensterben nicht nur zu stoppen, sondern die Bestände auch zahlenmäßig wieder auszuweiten? Die Zunahme an Imkern und Völkern seit dem Jahr 2009 ist nicht zuletzt auf die Förderung der Nachwuchsarbeit in den Imkervereinen zurückzuführen, die das Land Hessen finanziell unterstützt . Eine wesentliche Rolle spielen dabei eine solide fachliche Ausbildung und kontinuierliche Beratung. Entsprechende Aktivitäten werden durch Zuschüsse aus EU- und Landesmitteln gefördert . Das vom Land finanzierte Bieneninstitut in Kirchhain bietet hierzu vielfältige Angebote. Mit den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages bekennt sich die Landesregierung zu der Fortführung und dem Ausbau dieser Unterstützungsleistungen. Von grundlegender Bedeutung für die längerfristige Entwicklung der Bienenhaltung in Hessen ist darüber hinaus die Förderung eines möglichst vielseitigen Pflanzenbaus unter Einbeziehung blühender Kulturen. Im Rahmen eines neuen hessischen Agrarumwelt- und Landschaftspflegeprogramms wird das Land besonders bienenfreundliche Bewirtschaftungsmaßnahmen in der Landwirtschaft fördern. Dazu zählen die Anlage von Blüh- und Ackerrandstreifen, ein bienengerechter Zwischenfruchtanbau, der Anbau vielfältiger Ackerkulturen, die Pflege von Streuobstwiesen , eine verstärkte Förderung des ökologischen Landbaus sowie die Zusammenarbeit zwischen Imkern und Landwirten. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die in der Vorbemerkung geschilderten Vorhaben der Bundes- regierung? Die in der Einleitung der Kleinen Anfrage getroffenen Annahmen zur Durchführung der Direktzahlungen in Deutschland sind nicht zutreffend: Zum 1. Januar 2015 wird die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 wirksam. Künftig sind die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Direktzahlungen an landwirtschaftlichen Betriebe an eine "Ökologisierungskomponente", das Greening , gebunden. 30 v.H. der jährlichen Zahlung sind geknüpft an Landbewirtschaftungsmethoden zur Verbesserung der biologischen Vielfalt, des Klima- und des Umweltschutzes. Die EU-rechtlich vorgegebenen und verbindlich umzusetzenden bzw. einzuhaltenden drei Greeningkomponenten sind: 1. Anbaudiversifizierung Die Anbaudiversifizierung soll dem Rückgang des Anbaus verschiedener Fruchtarten entgegenwirken. In Abhängigkeit von der Betriebsgröße sind mindestens zwei oder drei Fruchtarten anzubauen. Die Mitgliedstaaten haben diese Vorgaben 1:1 umzusetzen. 1 BIESMEIJER ET AL. (2006): Parallel Declines in Pollinators and Insect-Pollinated Plants in Britain and the Netherlands; Science, Vol. 313, no. 5785, pp. 351-354. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/287 3 2. Erhaltung von Dauergrünland Dauergrünlandflächen leisten den größten Beitrag zum Schutz der Umwelt und insbesondere zu Kohlenstoffbindung, Erhalt der biologischen Vielfalt und Bodenschutz, deshalb ist die Umwandlung oder das Pflügen von Grünland in den besonders schützenswerten Natura-2000-Gebieten verboten. Darüber hinaus ist der Anteil von Dauergrünland an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche innerhalb einer Marge von max. 5 % zu wahren. Der derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Direktzahlungen in Deutschland sieht dieses Umwandlungs- und Umbruchverbot in den Natura-2000-Gebieten vor. 3. Bereitstellung von Flächen im Umweltinteresse, sogenannte Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) Betriebe mit mehr als 15 Hektar Ackerfläche müssen davon 5 % als ÖVF bereitstellen. ÖVF sollen insbesondere die Biodiversität in den Betrieben schützen und verbessern. Geeignet sind gem. EU-Recht u.a. Brachland, Landschaftselemente, Terrassen, Pufferstreifen an Gewässern und Feldrändern, Kurzumtriebsplantagen, Flächen mit Eiweißpflanzen , Zwischenfruchtanbau oder Winterbegrünung. Bei der Umsetzung dieser Greeningverpflichtung in Deutschland sollen nach dem vorgenannten Gesetzentwurf alle im EU-Recht enthaltenen Optionen genutzt werden. Im Bundesrat hat sich die Mehrheit der Länder gegen den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln auf ÖVF ausgesprochen. Frage 6. In welcher Weise wird sich die Landesregierung für ein generelles Verbot bienengefährlicher Chemikalien einsetzen? Soweit mit der Bezeichnung "bienengefährlicher Chemikalien" Pflanzenschutzmittel (PSM) gemeint sind, so unterliegen diese einem sehr strengen Zulassungssystem vor deren Inverkehrbringen und Anwendung. Der Bienenschutz und die Einstufung (Kennzeichnung) von Präparaten hinsichtlich ihrer Wirkung auf Bienen ist dabei ein Eckpfeiler der Zulassung, für den die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die gleichen Bewertungsverfahren und Zulassungskriterien anzuwenden haben. Zeigen sich in Untersuchungen akute oder langfristige negative Effekte auf die Versuchsvölker, wird das geprüfte PSM abschließend gemäß Bienenschutzverordnung als bienengefährlich eingestuft . Ist anhand der Versuchsergebnisse sichergestellt, dass Bienen nicht geschädigt werden, Verhalten und Entwicklung der Versuchsvölker einschließlich der Brut nicht beeinträchtigt werden , kann eine Einstufung als nicht bienengefährlich erfolgen. Die Zulassungsentscheidung hinsichtlich der Bienengefährlichkeit hängt außerdem von verschiedenen Faktoren, wie Anwendungsart (Spritzung, Beizung, Granulat), Zeitpunkt (vor, während oder nach der Blüte), Formulierung (Konzentrat oder Pulver), Aufwandmenge u.a. ab und wird somit auf der Grundlage komplexer Auswertungsmethoden durchgeführt. Im Ergebnis wird jedem PSM eine von vier Bienengefährlichkeitsklassen (Kennzeichnungsauflagen ) zugeordnet. Nur die klare Befolgung der damit verbundenen Regelungen im Rahmen der Bienenschutzverordnung sowie der guten fachlichen Praxis durch den Anwender kann Schädigungen der Bienen verhindern und somit von einem generellen Verbot bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel absehen lassen. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen: - Nach der Bienenschutzverordnung dürfen Pflanzen, die von Bienen beflogen werden, nur mit bienenungefährlichen (B4) PSM behandelt werden. Die Ausbringung von bienengefährlichen (B1) PSM ist untersagt, wenn blühende Unkräuter, wie z.B. Löwenzahn oder Taubnessel, im Bestand vorhanden sind oder wenn durch hohen Blattlausbefall Honigtau produziert wird, der von Bienen als Tracht genutzt wird. - Bienengefährliche PSM (B1/B2) dürfen in einem Umkreis von 60 Metern um einen Bienenstand in der Zeit des täglichen Bienenfluges nur mit Zustimmung des Imkers angewandt werden. Genauso wie für regulär zugelassene PSM gilt die Bienenschutzverordnung auch für PSM, die wegen "Notfallsituationen im Pflanzenschutz" nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zugelassen worden sind. - Die verschiedensten Beratungsmedien der Fachverwaltung, insbesondere der Pflanzenschutz -Warndienst sowie die Informationen der Fachkräfte des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen sind Garant für eine fundierte Umsetzung dieser Vorgaben. - Schließlich existiert im Rahmen des Pflanzenschutz-Kontrollprogramms (einem BundLänder -Programm zur Überwachung des Pflanzenschutzrechts) ein "Schwerpunkt Bienenschutz ". In Hessen werden hierzu seit dem Jahr 2004 Spritzfassproben entnommen und analysiert, um zum Beispiel bei der für Bienen wichtigsten Ackerbaukultur, dem Raps, die Einhaltung der bienenschutzrelevanten Anwendungsbestimmungen zu kontrollieren. Wiesbaden, 12. Mai 2014 Priska Hinz