Kleine Anfrage der Abg. Siebel, Eckert, Franz, Faeser, Gnadl, Hartmann, Holschuh, Rudolph (SPD) vom 03.12.2015 betreffend Wahlrecht bei Kommunalwahlen in Hessen für Wohnsitzlose und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Die Hessische Gemeindeordnung sieht in § 30 Absatz 3 vor, dass das aktive Wahlrecht hat, wer seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat. Das bedeutet, dass Wohnsitzlose ohne melderechtliche Anschrift ihr Wahlrecht auf kommunaler Ebene nicht wahrnehmen können. Es gibt die Möglichkeit, dass bestimmte Einrichtungen für Wohnsitzlose als melderechtliche Anschrift fungieren. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ist zur Gemeinde- und Ortsbeiratswahl nur wahlberechtigt, wer am Wahltag seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat; für die Kreiswahl gilt eine dreimonatige Wohnsitzdauer im Landkreis , § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Hessischen Landkreisordnung (HKO). Entsprechende gesetzliche Vorgaben enthielten schon die Hessische Gemeindeordnung vom 25. Februar 1952 (GVBl. S. 11) und die Hessische Landkreisordnung vom 25. Februar 1952 (GVBl. S. 37). Die Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Ausübung des Kommunalwahlrechts obliegt im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz dem Gesetzgeber ; dieser hat mit diesen Regelungen in abstrakt generalisierter Weise das Erfordernis einer Wohnsitzdauer von mindestens drei Monaten für erforderlich gehalten, um sich mit den politischen und sozialen Gegebenheiten einer Gemeinde vertraut zu machen. Der wahlrechtliche Wohnsitzbegriff orientiert sich dabei zunächst an dem melderechtlichen Wohnungsbegriff (zur Zulässigkeit s. Beschluss des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen vom 13. August 2014, Az.: P.St.2466). Das Kommunalwahlrecht ist danach nur demjenigen verwehrt, der über keine Wohnung im Sinne des Melderechts verfügt. In formeller Hinsicht können an der Wahl der Kreistage, Gemeindevertretungen und Ortsbeiräte nur Wahlberechtigte teilnehmen, die in ein Wählerverzeichnis eingetragen sind oder einen Wahlschein haben (§ 7 Abs. 1 KWG). Am 42. Tag vor der Wahl sind von Amts wegen alle Wahlberechtigten in das Wählerverzeichnis einzutragen, die bei der Meldebehörde für eine Wohnung in dem jeweiligen Wahlbezirk gemeldet sind (§ 9 Abs. 1 Kommunalwahlordnung); über diese Eintragung werden die Wahlberechtigten durch die Wahlbenachrichtigung bis zum 21. Tag vor der Wahl informiert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KWO). Sofern nicht-sesshafte Personen die Wahlrechtsvoraussetzungen erfüllen und an diesem Tag für eine Wohnung gemeldet sind, werden sie daher schon von Amts wegen in das Wählerverzeichnis des jeweiligen Wahlbezirks aufgenommen. Vom 20. bis zum 16. Tag vor der Wahl (Einsichtsfrist) haben alle Wahlberechtigten das Recht, die Richtigkeit oder Vollständigkeit ihrer Daten durch Einsicht in das Wählerverzeichnis zu überprüfen. Wer das Wählerverzeichnis für unrichtig oder unvollständig hält, kann innerhalb dieser Frist beim Gemeindevorstand Einspruch gegen das Wählerverzeichnis erheben (§ 8 Abs. 3 KWG). Wahlberechtigte, die in ein Wählerverzeichnis eingetragen sind, können darüber hinaus auch einen Wahlschein beantragen, § 16a Abs. 1 KWO. Wahlberechtigte, die nicht in ein Wählerverzeichnis eingetragen sind, können auf Antrag ebenfalls einen Wahlschein erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie ohne Verschulden die Antragsfrist auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis Eingegangen am 26. Januar 2016 · Ausgegeben am 1. Februar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2894 26. 01. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2894 oder die Einspruchsfrist gegen das Wählerverzeichnis versäumt haben, wenn das Recht auf Teilnahme an der Wahl erst nach Ablauf dieser Fristen entstanden ist oder wenn das Wahlrecht erst nach Abschluss des Wählerverzeichnisses im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren festgestellt worden ist (§ 16a Abs. 2 KWO). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den Wohnsitzlosen in Hessen die Ausübung ihres Grundrechtes auf freie, unmittelbare, allgemeine, gleiche und geheime Wahl zu garantieren? Unter den weiten melderechtlichen Wohnungsbegriff (§ 20 Satz 1 Bundesmeldegesetz) fallen auch Gemeinschafts-, Obdachlosen- und Notunterkünfte; ein Großteil der nicht-sesshaften Personen wird daher von dem Ausschluss des kommunalen Wahlrechts nicht betroffen sein. Mit einem vom Wohnsitz unabhängigen Kommunalwahlrecht würde zudem auch das seit 1952 bestehende Junktim zwischen dem Recht der Wahl einer kommunalen Vertretungskörperschaft und der damit verbundenen Übernahme von Verpflichtungen, insbesondere der Pflicht zum Ehrenamt , praktisch aufgegeben. Vor diesem Hintergrund sind Änderungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGO und des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HKO derzeit nicht beabsichtigt. Frage 2. Gibt es Bestrebungen, die Vorschrift der HGO, die diesem Grundrecht entgegensteht, zu ändern? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 3. Welche Fristen und welches Verfahren müssen die Betroffenen einhalten, um ihr Wahlrecht wahrnehmen zu können? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 4. Welche Informationen werden an die Kommunen und die Betroffenen gegeben, um über die melderechtlichen Möglichkeiten von Wohnsitzlosen zu informieren? Wie werden diese Informationen weitergegeben? Bei Kommunalwahlen handelt es sich um kommunale Selbstverwaltungsangelegenheiten, die von den Städten, Gemeinden und Landkreisen in eigener Zuständigkeit durchgeführt werden; eine Information des Landes ist gesetzlich nicht vorgesehen. Im Rahmen der amtlichen Wahlvorbereitung muss der Gemeindevorstand nach § 11 KWO spätestens am 24. Tag vor der Wahl u.a. öffentlich bekannt machen, - dass das Wählerverzeichnis von der Gemeindebehörde zur Einsicht bereitgehalten wird sowie darüber, dass bei dem Gemeindevorstand innerhalb der Einsichtsfrist schriftlich oder zur Niederschrift Einspruch gegen das Wählerverzeichnis eingelegt werden kann, - dass die Wahlberechtigten in ein Wählerverzeichnis eingetragen werden und ihnen bis spätestens zum 21. Tag vor der Wahl eine Wahlbenachrichtigung zugeht und - unter welchen Voraussetzungen Wahlscheine und Briefwahlunterlagen beantragt werden können und wie durch Briefwahl gewählt wird. Hinweise zur Aufnahme in das Melderegister enthält die öffentliche Bekanntmachung nicht, da die Aufnahme in ein Melderegister bei Bezug einer Wohnung der Meldepflichtigen bzw. dem Meldepflichtigen als eigene Angelegenheit obliegt. Wiesbaden, 18. Januar 2016 Peter Beuth