Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 10.12.2015 betreffend barrierefreie Bahnhöfe und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Laut eines Berichts des "Kölner Stadtanzeigers" vom 31. Juli 2015 will Verkehrsminister Dobrindt bis zum Jahr 2018 Hunderte kleine Bahnhöfe barrierefrei umbauen. Dabei sollen die Länder bis Herbst 2015 geeignete Bahnhöfe vorschlagen. Nach Medienberichten vom 7. Dezember 2015 hat Bundesverkehrsminister Dobrindt außerdem erneut vorgeschlagen, auch kleinere Bahnhöfe barrierefrei ausstatten zu wollen. Gleichzeitig plant die DB AG weiterhin neue Personenüberführungen an kleineren Bahnhöfen in Hessen ohne Rücksicht auf die Zugänglichkeit für behinderte und ältere Menschen oder Familien mit Kinderwägen. So zum Beispiel am Haltepunkt Brechen-Oberbrechen, wo mehr als 500.000 € in eine reine Treppenanlage investiert werden sollen und damit die bestehende Situation schlechter wird als zuvor, wo es zumindest eine Rampe für Kinderwägen gab. Bei der Umsetzung der bisherigen Planung, wäre die Chance auf einen barrierefreien Zugang für die nächsten 50 Jahre vertan. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Für ein attraktives Angebot auf der Schiene wird ein barrierefreier Zugang in Bahnhöfen immer wichtiger. Den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen zu koordinieren und zu planen, ist dabei primär Aufgabe des jeweiligen Betreibers der Verkehrsstationen; in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ist dies die DB Station&Service AG. Dafür müssen nach deutschem Eisenbahnrecht die Eisenbahnen Programme aufstellen, um eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für die Nutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge zu erreichen (§ 2 Abs. 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO). Die Deutsche Bahn (DB AG) hat ein solches Programm erstellt. Dieses sieht aber weder eine über die EU-Rechtslage (nach der die Barrierefreiheit bei Stationen mit weniger als 1.000 Reisenden pro Tag derzeit nicht zwingend umzusetzen ist, wenn im Umkreis von 50 km eine barrierefreie Station verfügbar ist) hinausgehende Selbstverpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit noch eine Finanzierung durch die DB AG vor. Die DB AG setzt deshalb bei Investitionen ihre Eigenmittel und Finanzmittel des Bundes nur insoweit zur Herstellung der Barrierefreiheit ein, als sie hierzu nach der Rechtslage verpflichtet ist. Der Bund hat die Lücke bei Verkehrsstationen unter 1.000 Reisenden erkannt und stellt mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm 2016 bis 2018 (ZIP) Fördermittel speziell für diese Gruppe von Stationen zur Verfügung. Die Landesregierung begrüßt dies. Die Erneuerungsmaßnahme an der Überführung der Station Oberbrechen hat die DB AG ohne bisherige Beteiligung des Landes geplant. Entsprechend der Rechtslage hat die DB AG bisher keine Herstellung der Barrierefreiheit im Zuge der Maßnahme vorgesehen. Die DB AG als Infrastrukturbetreiberin und auch der RMV als Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr haben weder die Station Oberbrechen der Landesregierung für einen barrierefreien Ausbau mit einer Landesförderung vorgeschlagen noch mit der Landesregierung eine etwaige Förderung durch Bundesmittel im Rahmen des ZIP abgestimmt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Bahnhöfe hat die Landesregierung im Rahmen des Investitionspakets der Bundesregierung für den barrierefreien Ausbau vorgeschlagen? Die Liste der dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) benannten Stationen ist der Antwort als Anlage beigefügt. Die einzelnen möglichen Maßnahmen wurden dabei mit den hessischen Verkehrsverbünden als Aufgabenträger im Schienenpersonennahver- Eingegangen am 25. Januar 2016 · Ausgegeben am 28. Januar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2947 25. 01. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2947 kehr, mit der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen und der DB AG als Infrastrukturbetreiberin der Bahnanlagen auf Grundlage der Kriterien des BMVI abgestimmt. Frage 2. Wer übernimmt die vom Bund verlangte Kofinanzierung der Maßnahmen? Als Finanzierungsträger für nicht vom Bund finanzierte Kosten kommen grundsätzlich die betroffenen Kommunen, die Verkehrsverbünde und das Land Hessen in Betracht. Seitens des Landes Hessen ist beabsichtigt, für die zuwendungsfähigen Baukosten den Fördersatz des Bundes in Höhe von 50 % durch Landesmittel auf mindestens 90 % aufzustocken. Die DB AG wird sich voraussichtlich nicht an den Kosten beteiligen. Frage 3. Teilt die Landesregierung die Meinung, dass bei Neuinvestitionen in Personenüberführungen diese auch bei kleineren Bahnhöfen barrierefrei erfolgen sollten, um nicht bestimmte Personengruppen von der Nutzung der Bahn auszuschließen? Ja, die Landesregierung teilt die Auffassung, dass auch bei kleineren Verkehrsstationen ein barrierefreier Ausbau erfolgen sollte, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist. Das Land Hessen nimmt beim stufen- bzw. barrierefreien Ausbau der Nahverkehrsinfrastruktur der DB AG die Rolle eines Zuwendungsgebers ein, soweit es sich nicht um einen selbstveranlassten und -finanzierten Ausbau der DB AG handelt. Auf die Vorbemerkung wird hierzu verwiesen. Die Hessische Landesregierung setzt sich darüber hinaus im Dialog mit der DB AG dafür ein, den stufenfreien Ausbau von Verkehrsstationen umfassend voranzubringen. Im Spitzengespräch mit der DB AG am 12.01.2016 wurde das Ziel vereinbart, in Hessen bis 2025 möglichst flächendeckend stufenfreie Bahnsteige anzustreben. Dazu sollen die Rahmenvereinbarung Bahnhofsmodernisierung ergänzt und das Verfahren zur Finanzierung und Planung vereinfacht werden. Frage 4. Wie verträgt sich die Vorgehensweise der Bahn, eine Barrierefreiheit nur ab 1.000 Reisenden pro Tag herzustellen, mit der EU-Verordnung 1371/2007? Im europäischen Eisenbahnbaurecht werden die Anforderungen zur Barrierefreiheit in den "Technischen Spezifikationen für Interoperabilität für Personen mit eingeschränkter Mobilität" definiert (TSI PRM, VO (EU) Nr. 1300/2014 vom 18.11.2014). Die TSI PRM enthält in der Anlage B die sogenannte 1.000-Reisende-Regelung für die Umrüstung oder Erneuerung bestehender Bahnhöfe, die kleinere Bahnhöfe von der Anforderung der Stufenfreiheit ausnimmt. Die Maßnahmen sind allerdings stets so auszuführen, dass Rampen oder Aufzüge zumindest nachträglich nachgerüstet werden können. Die in der Frage genannte Verordnung (EU) Nr. 1371/2007 über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr definiert für das Eisenbahnwesen insbesondere auch Ziele hinsichtlich der Mobilität von Personen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen. Für konkrete bauliche Anforderungen nimmt Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung jedoch Bezug auf die TSI PRM und schafft keine weitergehenden Standards. Insofern ist kein Verstoß der DB AG gegen die Rechtslage nach dieser EU-Verordnung erkennbar. Frage 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung die Barrierefreiheit am Haltepunkt Oberbrechen doch noch herzustellen? Die konkret benannte Maßnahme ist eine Bestandssanierung, die die DB AG in eigener Zuständigkeit durchführt und auch finanziert. Angabegemäß liegt die Reisendenzahl in Oberbrechen mit 617 deutlich unter den in der TSI PRM genannten 1.000. Somit besteht für die DB AG keine Pflicht zur Herstellung der Stufenfreiheit. Grundsätzlich ließe sich die Barrierefreiheit an dem Haltepunkt entweder durch eine Umplanung der Maßnahme oder eine entsprechende Nachrüstung nach Abschluss der Maßnahme erreichen. Die Hessische Landesregierung hat die DB AG daher gebeten zu prüfen, ob die Überführung in sinnvoller Weise mit einer Rampe oder - wenn eine Rampe nicht realisierbar ist - mit einem Aufzug realisiert oder zumindest nachgerüstet werden kann. Die DB AG muss als Infrastrukturbetreiberin die Planung bzw. Umplanung des barrierefreien Zugangs mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) als zuständigem Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr koordinieren. Die Hessische Landesregierung ist grundsätzlich bereit , einen unter den Beteiligten abgestimmten barrierefreien Ausbau der Station Oberbrechen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2947 3 mit Landesmitteln im Rahmen der Fördervoraussetzungen zu bezuschussen. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) hat die DB Station&Service AG und den RMV in diesem Sinne gebeten, die Möglichkeiten und den Zeitpunkt zur Herstellung barrierefreier Zugänge in Oberbrechen in eigener Verantwortung zu prüfen und die Kommune entsprechend zu informieren. Wiesbaden, 18. Januar 2016 Tarek Al-Wazir Anlagen Dem Bund vorgeschlagene mögliche Maßnahmen Kleine Anfrage 19/2947 - Anlage Stand: 28.09.2015 Bahnhof Maßnahme möglicher Baubeginn Kostenschätzung Auringen-Medenbach Neubau Außenbahnsteig mit Rampe 2018 800.000 Bad Arolsen Neubau Bstg 2 von < 38 cm auf 55 cm, taktiles Leitsystem 2017 350.000 Baunatal-Guntershausen Barrierefreie Erschließung mit 1 Rampe und 1 Aufzug 2017 (Rampe) 1.350.000 Bensheim-Auerbach barrierefreie Erschließung Westseite mit Rampe 2016 450.000 Biebesheim Erhöhung der Bahnsteige 2017 400.000 Biedenkopf Erhöhung Haus- und Zwischenbahnsteig von 38 auf 55 cm, taktiles Leistsystem 2017 od. 2018 650.000 Borken (Hess) Neubau 2 Aufzüge 2018 1.000.000 Bruchköbel Neubau 2 Aufzüge 2018 1.000.000 Bürstadt höhengleicher Bahnübergang für Reisende 2017 400.000 Darmstadt Süd Neubau 1 Aufzug 2018 600.000 Fuldatal-Ihringshausen taktiles Leitsystem auf Bahnsteig 2017 100.000 Gernsheim Bahnsteigerhöhung 2017 400.000 Gießen Erdkauter Weg Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000 Groß-Rohrheim barrierefreie Erschließung Ostseite Neubau 1 Aufzug 2017 500.000 Hadamar Neubau 1 Außenbahnsteig 2018 500.000 Korbach 2 Aufzüge Bstg Gl. 1/2 und Bstg Gl. 3 2017 850.000 Korbach-Süd Erhöhung Bstg von < 38 cm auf 55 cm, taktiles Leitsystem 2017 300.000 Lehnheim Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000 Messel Neubau von 2 Bahnsteigen 2018 1.800.000 Oestrich-Winkel Neubau 2 Rampen und Erhöhung Hausbahnsteig 2017 2.000.000 Ostheim (b Butzbach) Stufenfreier Bahnsteigzugang durch kurze Rampe 2016 50.000 Stockstadt (Rhein) Bahnsteigerhöhung 2017 800.000 Weiterstadt Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017 1.400.000 Wiesbaden-Erbenheim Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017 850.000 Wölfersheim-Södel Neubau Außenbahnsteig mit stufenfreier Zuwegung 2017 750.000