Kleine Anfrage des Abg. Quanz (SPD) vom 15.12.2015 betreffend Förderung von leistungsstarken Schülern und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Die Kultusminister von Bayern‚ Hessen und Sachsen haben am 4. Dezember 2015 eine Absichtserklärung zur Begabtenförderung unterzeichnet. Ziel dieser Absichtserklärung ist es, bei der Begabtenförderung enger zusammenzuarbeiten sowie die Qualität dieser Förderung zu verbessern. Vorbemerkung des Kultusministers: Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) hat am 11. Juni 2015 eine "Förderstrategie für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler" beschlossen. Vor diesem Hintergrund haben die Länder Bayern, Hessen und Sachsen ihre in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaute schulische Umsetzung der in dieser Förderstrategie enthaltenen Angebotswege am 4. Dezember 2015 im Rahmen einer gemeinsamen Fachkonferenz der Öffentlichkeit präsentiert. Durch die Präsentation von praktischen Beispielen aus allen drei Ländern und die Diskussion mit Vertretern aus Schule, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie Stiftungen und Verbänden wurde ein nachhaltiger Austausch angestoßen. Auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, nahm daran teil. Hierbei wurde dargelegt, dass neben den benachteiligten Schülerinnen und Schülern auch die Begabten im Fokus der Bildungspolitik stehen. Die KMK hat mit ihrer Förderstrategie für leistungsstarke Schüler das Thema neu betont und ihm dadurch zu einer höheren Aufmerksamkeit verholfen. Für die konsequente Umsetzung der Förderstrategie haben die Länder Bayern, Hessen und Sachsen eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit unterschrieben. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wann und durch welche Umstände entdeckte die Landesregierung, dass die Begabtenförderung in Hessen offensichtlich defizitär ist? Frage 2. Worin bestehen die besonderen Defizite? Auf Grund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammenfassend beantwortet: Von einer "defizitären" Begabtenförderung in Hessen kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil enthält das hessische Programm eine durchgängig integrative Begabungsförderung in allen Schulformen und hat im Dialog der Bundesländer in den vergangenen Jahren auf manche andere Länder ausgesprochen vorbildhaft und befruchtend ausgestrahlt. In Hessen wurden vier zentrale Elemente der Förderung von Leistungsfähigkeit und Leistungsstärke realisiert: Diagnostik auf wissenschaftlichem Niveau (Begabungsdiagnostische Beratungsstelle "BRAIN"), Bereitstellung von regionalen Vermittlungs- und Unterstützungsinstanzen (Schulpsychologische Generalisten in allen Staatlichen Schulämtern), Aus- und Fortbildung von Lehrkräften (zwei Module zur Begabungsförderung für alle drei Phasen der Lehrerbildung), möglichst wohnortnahe Förderangebote in den Schulen ("Gütesiegel-Hochbegabung-Programm" mit aktuell 174 beteiligten Schulen aus unterschiedlichen Schulformen). Dazu treten Schwerpunktschulen auf den Gebieten der Naturwissenschaften und der Fremdsprachen, der Musik und des Sports, die Internatsschule Schloss Hansenberg, eine breite Vielfalt an hochwertigen außerschulischen Angeboten für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sowie die regionalen Netzwerke zur Begabtenförderung in sämtlichen 15 Schulamtsbereichen. Eingegangen am 1. Februar 2016 · Ausgegeben am 3. Februar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2991 01. 02. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2991 Frage 3. Welche Schülergruppen in welchen Schulformen sind davon besonders betroffen? Die wichtigste pädagogische Leitlinie der hessischen Schulpolitik ist die bestmögliche individuelle Förderung, also die Förderung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers mit ihrer bzw. seiner persönlichen Begabungsausprägung, Stärken und Schwächen. Die Förderung von Leistungsstärke wie auch die Begabungsförderung verfolgen übereinstimmend das gleiche Ziel, allen Schülerinnen und Schülern zu einer optimalen Entfaltung und Ausbildung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit zu verhelfen. Dabei haben selbstverständlich auch Mädchen und Jungen mit besonders hohen Potenzialen das Recht, nach Maßgabe ihrer speziellen Bedürfnisse und Fähigkeiten anspruchsvoll und nachhaltig gefördert und gefordert zu werden. Das o.a. "Gütesiegel -Programm" hat von Anfang an alle Schulformen gleichermaßen angesprochen und zu einer Mitarbeit eingeladen. Im laufenden Schuljahr 2015/2016 sind 68 Grundschulen, drei Förderschulen , 42 Gesamtschulen, drei berufliche Schulen und 58 Gymnasien (in allen 15 Schulamtsbereichen ) daran beteiligt. Frage 4. Warum haben nur die drei genannten Bundesländer diese Erklärung unterschrieben? Alle übrigen Bundesländer wurden ausdrücklich zu einer Mitarbeit eingeladen: "Die drei Länder sind gern auch für die Beteiligung weiterer interessierter Länder an diesem Vorhaben offen ." An der o.a. Fachtagung am 4. Dezember 2015 nahmen erfreulicherweise auch Vertretungen der Schulverwaltungen weiterer Bundesländer so z.B. Nordrhein-Westfalen, Saarland, Brandenburg, Baden-Württemberg u.a. aktiv teil. Frage 5. Welche konkreten praktischen Schritte sind für das weitere Vorgehen in Hessen vorgesehen? Welche in der Zusammenarbeit zwischen den Ländern? Gibt es gegebenenfalls Schritte für das weitere Vorgehen mit anderen Ländern? Das weitere Vorgehen in Hessen orientiert sich an den politischen Zielsetzungen für die 19. Wahlperiode des Hessischen Landtags 2014 bis 2019 besondere Begabungspotenziale von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. In den hessischen Bildungseinrichtungen gibt es viele Kinder mit außergewöhnlichen Talenten, denn Heterogenität und Vielfalt sind dort an der Tagesordnung . Ein Teil dieser Normalität sind hochbegabte und besonders leistungsstarke Kinder. Dabei sollen Leistungspotenziale von Schülerinnen und Schülern mit besonderer Begabung verstärkt gefördert werden. Die Internatsschule Schloss Hansenberg stellt einen Aspekt der Hochbegabtenförderung in Hessen dar. Darüber hinaus soll der pädagogische Ansatz der Schulen mit weiterentwickelt und ausgebaut werden. Die Integration der Hochbegabtenförderung in den Regelunterricht und die Ausweitung der Breitenförderung von Hochbegabten ist hierbei wichtig. Für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern besagt die gemeinsame Absichtserklärung von Dezember 2015: "Die Länder Bayern, Hessen und Sachsen vereinbaren, bei der Umsetzung der KMK-Förderstrategie für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sowie bei der Umsetzung des zu erwartenden Bund-Länder-Programms eng zusammenzuarbeiten . Dazu wird auf Arbeitsebene eine gemeinsame Koordinierungsgruppe gebildet. Diese organisiert den Austausch zwischen Schulen, die spezielle Bildungsangebote für Begabte bereithalten , zwischen Netzwerken zur Begabtenförderung, zwischen Beratungsstellen zur Begabtenförderung . Ziel ist es von den Erfahrungen der jeweils anderen Länder zu partizipieren und mittelfristig gemeinsame Projekte zur Qualitätsentwicklung zu installieren. Darüber hinaus werden gemeinsame Fortbildungsangebote für begabungsförderlichen Unterricht auch in Kooperation mit externen Partnern angeboten. Ländereigene Fortbildungsangebote können für Lehrer der jeweils anderen Länder geöffnet werden. Weiterhin sollen gegenseitige Besuche von Lehrerinnen und Lehrern und Schülergruppen zwischen Schulen, die sich besonders der Begabtenförderung widmen, organisiert werden. Die drei Länder sind gern auch für die Beteiligung weiterer interessierter Länder an diesen Vorhaben offen." Selbstverständlich bestehen die Bereitschaft und der gute Wille zu einem vergleichbaren Austausch und einer vergleichbaren Zusammenarbeit auch mit den anderen Ländern. Frage 6. Mit welchen konkreten Maßnahmen und in welchen Schritten ist vorgesehen, die individuelle Förderung so voranzutreiben, dass "alle Schülerinnen und Schüler ihr Potenzial vollständig entfalten und ihre Persönlichkeit ausbilden können"? Für alle hessischen Schulen, Schulformen und Bildungsgänge gilt hier insbesondere § 3, Abs. 6 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG): "(6) Die Schule ist so zu gestalten, dass die gemeinsame Erziehung und das gemeinsame Lernen aller Schülerinnen und Schüler in einem möglichst hohen Maße verwirklicht wird und jede Schülerin und jeder Schüler unter Berücksichtigung der individuellen Ausgangslage in der körperlichen , sozialen und emotionalen sowie kognitiven Entwicklung angemessen gefördert wird. Es ist Aufgabe der Schule, drohendem Leistungsversagen und anderen Beeinträchtigungen des Lernens, der Sprache sowie der körperlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung mit vorbeugenden Maßnahmen entgegenzuwirken." Ferner regelt die Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekun- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2991 3 darstufe I) und der Abschlussprüfungen in der Mittelstufe (VOBGM), § 2, Fördermaßnahmen und Lernförderung: "(1) Die Förderung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers ist Prinzip des gesamten Unterrichts und Aufgabe der gesamten schulischen Arbeit. Jedes Kind soll mit anderen Kindern zusammen und auch durch sie gefördert werden. Die individuelle Förderung ist in den Gesamtzusammenhang schulischer Lernförderung zu stellen. Die Erstellung von individuellen Förderplänen richtet sich nach den Regelungen der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19. August 2011 (ABl. S. 546) in der jeweils geltenden Fassung." Hessenweit gibt es vielfältige Maßnahmen für Schülerinnen und Schüler und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte, die den in der Fragestellung genannten Zielsetzungen dienen. Hierzu sind beispielsweise als Schwerpunkte im Primar- und Sekundarbereich zu nennen: Lese-Schreibförderung/ Lese-Rechtschreib-Schwäche, Mathematik/ Rechenschwäche, Sprachförderung (Vorlaufkurse, DaZ, Seiteneinsteigerklassen und -kurse), Schullaufbahnberatung und individueller Förderplan, im akuten Fall der Versetzungsgefährdung in Klasse 8 die regionalen und überregionalen Osterferiencamps, abschluss- und berufsvorbereitende Maßnahmen (KomPo7 u.a.). Von den zahlreichen Projekten, die sich mit der Minderung und Behebung von Lernschwierigkeiten befassen, können beispielhaft folgende - durch das Hessische Kultusministerium auch in Zusammenarbeit mit Stiftungen initiiert bzw. unterstützt - genannt werden: Projekt "Verstärkte Leseförderung an hessischen Schulen" (Grundschule und Sekundarstufe I), Osterferiencamps (7./8. Klasse), Mathe macht stark (ab 5. Klasse, alle Schulformen), Angebote zu Lesen, Schreiben, Rechnen durch die Projektbüros Individuelle Förderung (alle Schulformen). Unterstützend wirken hier die auch auf regionale Bedarfe eingehenden Angebote und Maßnahmen zur Individuellen Förderung in Hessen, die z.B. von den regionalen Projektbüros ‚Individuelle Förderung‘, Fachberatungen an den Staatlichen Schulämtern und zahlreichen Stiftungen und Verbänden bereitgestellt werden. Darüber hinaus erhalten die hessischen Schulen durch das Hessische Kultusministerium Stellen- und Mittel-Zuweisungen für Förderung im Rahmen von klassenbezogenen Förderstunden, Deutsch als Zweitsprache, Sozialindex, Inklusion u.a. Wiesbaden, 26. Januar 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz