Kleine Anfrage des Abg. Gremmels (SPD) vom 15.12.2015 betreffend Rückbau von stationären Radaranlagen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Der Einsatz von ortsfesten und nicht ortsfesten Geschwindigkeitsmessanlagen durch Polizei- und Ordnungsbehörden ist in dem mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) "Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden" vom 5. Februar 2015 (StAnz. 9/2015, S. 182) geregelt. Hiernach sind Messstellen für ortsfeste Geschwindigkeitsmessungen nach priorisierten Kriterien auszuwählen, wobei der Lärmschutz die zweitniedrigste Priorität einnimmt. Hinsichtlich der Einrichtung von Messstellen aus Lärmschutzgründen orientiert sich die Polizei an einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 31.03.1999, nach der die Voraussetzung für eine Geschwindigkeitsbeschränkung zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verkehrslärm nicht schon dann erfüllt ist, "wenn rein rechnerisch eine Reduzierung der Beurteilungspegel erreicht werden kann. Denn nach allgemeinen Erkenntnissen der Akustik kann das menschliche Ohr Lärmveränderungen erst bei einer Pegeldifferenz von 3 db (A) wahrnehmen ." Das Gericht kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass die verkehrsbeschränkende Maßnahme von vorneherein nicht geeignet ist, den mit dem Verwaltungsakt verfolgten Lärmschutzzweck zu erreichen, wenn eine Reduzierung der Beurteilungspegel von 3 dB (A) nicht erreicht werden kann. Durch das Nichterreichen der vom VGH zu Lärmschutzzwecken geforderten Senkung des Beurteilungspegels von 3 dB (A) können an der in Rede stehenden Örtlichkeit Geschwindigkeitsmessungen nur nach dem Kriterium "sonstige Gründe" durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich um die niedrigste Priorität zur Auswahl von Messstellen, bei der sich die Einrichtung von ortsfesten Messstellen nach dem o.g. Erlass grundsätzlich nicht empfiehlt. Geschwindigkeitsmessungen mit nicht ortsfester Messtechnik sind in einem der niedrigen Priorität angemessenen Umfang möglich. Diese Vorbemerkung vorangestellt, wird die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung beantwortet: Frage 1. Was sind die Gründe dafür, dass die stationäre Radaranlage an der A 44 an der "Bergshäuser Brücke" abgebaut wurde? Frage 2. Wer hat wann und auf welcher Grundlage den Abbau der stationären Radaranlage veranlasst? Frage 3. Was waren die Gründe dafür, dass die stationäre Anlage einst an der "Bergshäuser Brücke" installiert wurde? Frage 4. Warum sind die einstigen Gründe wie Lärmschutz für Anwohner und Schonung der Bausubstanz heute nicht mehr relevant? Zur chronologischen Darstellung werden die Fragen 1. bis 4. zusammenhängend wie folgt beantwortet : Die ortsfeste Geschwindigkeitsmessanlage wurde im Jahr 1996 zur Überwachung der vom damaligen Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) aus Verkehrssicherheitsgründen (überdurchschnittliches Unfallgeschehen, besondere Gefährdung des Verkehrs durch Windböen) und zur Überwachung der aus Lärmschutzgründen angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung errichtet. Eingegangen am 7. März 2016 · Ausgegeben am 10. März 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/2994 07. 03. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2994 Im Jahr 2002 hat das HMWVL nach Beseitigung der den Lärm verursachenden Schäden an den Übergangskonstruktionen der Brücke festgestellt, dass der bis dahin vorliegende Lärmschutzaspekt nicht mehr gegeben und damit die Rechtsgrundlage für die Geschwindigkeitsbeschränkung aus Lärmschutzgründen entfallen war. Die Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h für Lkw und die Zusatzzeichen "Lärmschutz" an der bestehenden Beschilderung wurden daraufhin vor rd. dreizehn Jahren entfernt. Die Geschwindigkeitsbeschränkung 80 km/h blieb aus Verkehrssicherheitsgründen weiterhin bestehen. Im Februar 2015 hat der Landesbetrieb Hessen Mobil der Polizeiautobahnstation Baunatal mitgeteilt , dass der betreffende Bereich als unfallunauffällig einzustufen ist. Die von Hessen Mobil vorgenommenen schalltechnischen Berechnungen haben eine Überschreitung der Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinie ergeben, wobei die vom VGH geforderte Reduzierung des Schallpegels um 3 dB (A) (vgl. Vorbemerkungen) jedoch durch die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erreicht werden könne. Aufgrund dessen und wegen der Häufung altersbedingter technischer Defekte an der rd. neunzehn Jahre alten ortsfesten Geschwindigkeitsmessanlage wurde von erforderlichen Instandsetzungen und dem Weiterbetrieb der Anlage abgesehen. Nach vorheriger Abstimmung zwischen dem Polizeipräsidium Nordhessen, der Polizeiakademie Hessen, dem Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) und dem HMdIS wurde der Abbau der Anlage im September 2015 vom PTLV veranlasst. Frage 5. Wieso wurde die Gemeinde Fuldabrück nicht vorab um Stellungnahme gebeten, bzw. zumindest über den Abbau informiert? Eine derartige Beteiligung von Kommunen hinsichtlich polizeilicher Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen auf Bundesautobahnen ist nicht vorgesehen. Frage 6. Welche Einnahmen erzielte das Land in den letzten 5 Jahren durch die stationäre Radaranlage pro Jahr? Bei der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Kassel wurden im Jahr 2014 Einnahmen in Höhe von 1.667.768,63 € verbucht, die auf Geschwindigkeitsmessungen an der Bergshäuser Brücke zurückgehen. Verfahren, die durch Zahlung abgeschlossen wurden, werden nur über eine kurze Zeit aufbewahrt. Über frühere Jahre liegen daher keine vollständigen Berechnungsgrundlagen mehr vor. Frage 7. Wie ist die Aussage des Polizeipräsidiums Nordhessen gegen über der HNA (14.12.2015) zu verstehen , "dass auf der Brücke irgendwann wieder Blitzer installiert werden könnten"? Sofern sich an der Bergshäuser Brücke eine veränderte Sachlage ergibt, sich z.B. erneut eine geschwindigkeitsbedingte Unfallhäufung entwickelt, kann bei Vorliegen der durch Erlass geregelten Kriterien die Neuinstallation einer ortsfesten Geschwindigkeitsmessanlage geprüft werden . Frage 8. Wieso wurde die in der Presse genannte Voraussetzung einer Neubewertung des Lärmschutzes für eine neue stationäre Radaranlage nicht vor dem Rückbau der alten Anlage vorgenommen? Frage 9. Wann wurde und mit welchem Ergebnis wurde in Fuldabrück die letzte Lärmmessung vorgenommen ? Zur chronologischen Darstellung werden die Fragen 8 und 9 zusammenhängend wie folgt beantwortet : Gemäß den rechtlichen Vorgaben wurde eine Lärmberechnung durchgeführt. Eine Lärmmessung ist nicht erfolgt. Nach der aktuellen schalltechnischen Berechnung von Hessen Mobil aus dem Jahr 2015 im Bereich der Bergshäuser Brücke werden die Richtwerte der Lärmschutz- Richtlinien-StV von 70/60 dB(A) (Tag/Nacht) (teilweise) deutlich überschritten (Berechnung für den Emissionsort "Kurze Hecke 22" in Fuldabrück-Bergshausen). Der Beurteilungspegel liegt hier ohne Geschwindigkeitsbeschränkung (Richtgeschwindigkeit 130 km/h) Tag/Nacht bei 70,9/67,5 dB(A). Mit der errechneten Reduzierung des Beurteilungspegels um bis zu 2,0 dB(A) tagsüber und 0,5 dB(A) zur Nachtzeit bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h kann die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof zur Erreichung von Lärmschutzzwecken geforderte Senkung um 3 dB(A) an der Bergshäuser Brücke nicht erreicht werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/2994 3 Eine polizeiliche Bewertung ist vor dem Rückbau der alten Anlage erfolgt. Im Ergebnis war der Weiterbetrieb einer ortsfesten Geschwindigkeitsmessanlage an der Bergshäuser Brücke aus Lärmschutzgründen nicht zu vertreten (vgl. Vorbemerkung). Frage 10. Warum wurde vor dem Hintergrund des geplanten Neubaus der Brücke an dieser oder anderer Stelle jetzt überhaupt etwas veranlasst? Für den Neubau der Bergshäuser Brücke im Zuge der A 44 hat Hessen Mobil die Vorplanung durchgeführt. Die Unterlagen liegen dem Bundesverkehrsministerium zur Entscheidung bezüglich der weiter zu verfolgenden Variante vor. Nachdem diese Entscheidung getroffen ist, wird Hessen Mobil die konkrete technische Planung, den sogenannten Vorentwurf, einschließlich der Landschaftspflegerischen Begleitplanung erarbeiten und nachfolgend die Unterlagen für das zur Baurechtschaffung erforderliche Planfeststellungsverfahren erstellen. Aufgrund des frühen Planungsstadiums kann momentan noch kein Zeitpunkt des Baubeginns oder der Fertigstellung des Neubaus der Bergshäuser Brücke genannt werden. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 verwiesen. Wiesbaden, 2. März 2016 Peter Beuth