Kleine Anfrage der Abg. Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend Sprachkurse für Gefangene und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragestellerin: In den hessischen Vollzugsanstalten gibt es Gefangene ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse. Dies kann zu Verständigungsproblemen zwischen Beschäftigten und Gefangenen führen. Der Erwerb sprachlicher Fähigkeiten ist auch ein wesentlicher Baustein zur Resozialisierung. Der Ausgleich sprachlicher Defizite bereits während der Haftzeit erhöht für entlassene Strafgefangene die Chance auf ein straffreies Leben. Schließlich sind ausreichende Sprachkenntnisse Grundbedingung für den erfolgreichen Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Werden in den hessischen Vollzugsanstalten Sprachkurse für Gefangene angeboten? Frage 2. Falls nein, ist ein solches Angebot geplant? Frage 3. Falls ja, in welchen Vollzugsanstalten werden Sprachkurse angeboten? Die Fragen 1. bis 3. werden gemeinsam beantwortet. In fünfzehn der insgesamt sechzehn hessischen Justizvollzugsanstalten werden Sprachkurse in unterschiedlicher inhaltlicher und praxisorientierter Ausprägung angeboten. Folgende Kurse werden zurzeit durchgeführt: Alphabetisierungskurse, Deutsch als Fremdsprache I und II (DaF), Deutschkurse für Ausländer, Deutschkurse für Fortgeschrittene, Intensiv Deutschkurse, Integrationskurse, Lesen und Schreiben lernen, Englischkurse für Anfänger und Fortgeschrittene, Spanischkurse. Nur in der JVA Limburg werden aufgrund der geringen Belegungsfähigkeit sowie der hohen Fluktuation im Untersuchungshaftbereich bislang lediglich niederschwellige (Kreativ-) Kurse (Soziales Training, Malkurs, Gesprächsgruppe Neustart, Politische Bildung etc.) angeboten . Die Durchführung eines Deutschkurses im Jahr 2016 wird jedoch geprüft. Frage 4. Welchen zeitlichen Umfang und welches Niveau haben die angebotenen Sprachkurse? Sowohl der zeitliche Umfang als auch das Niveau der Sprachkurse ist unterschiedlich und am Kenntnisstand der Inhaftierten orientiert. Alphabetisierung wird in Form des Einzelunterrichts und falls möglich in Kleinstgruppen durchgeführt. Kurse im Freizeitbereich (neben der Arbeit) werden mit 2 bis 4 Stunden pro Woche angeboten. Integrationskurse haben eine Laufzeit zwischen 5 Wochen und 3 Monaten. Eingegangen am 22. Februar 2016 · Ausgegeben am 24. Februar 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3025 22. 02. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3025 Deutschunterricht/Kurse zur Vorbereitung auf die externe Prüfung zum Hauptschul- und Realschulabschluss werden fortlaufend mit 6 bis 10 Unterrichtseinheiten pro Woche organisiert. Die Sprachniveaustufen in den hessischen Justizvollzugsanstalten sind nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen festgelegt: Elementare Sprachanwendung: A1 und A2, Selbstständige Sprachanwendung: B1 und B2, Kompetente Sprachanwendung: C1 und C2. Die einzelnen Stufen beginnen bei A1 (= "Hat ein sehr begrenztes Repertoire an Wörtern und Wendungen, die sich auf Informationen zur Person und einzelne konkrete Situationen beziehen .") und A2 (= "Verwendet elementare Satzstrukturen mit memorierten Wendungen, kurzen Wortgruppen und Redeformeln, um damit in einfachen Alltagssituationen begrenzte Informationen auszutauschen") und reichen bis C2 (= "Zeigt viel Flexibilität, Gedanken mit verschiedenen sprachlichen Mitteln zu formulieren, um feinere Bedeutungsnuancen deutlich zu machen oder um etwas hervorzuheben, zu differenzieren oder um Mehrdeutigkeit zu beseitigen. Verfügt auch über gute Kenntnisse umgangssprachlicher und idiomatischer Wendungen."). Soweit möglich werden die Gefangenen individuell eingestuft. Das Sprachniveau liegt in der Regel bei A1 und A2, in Ausnahmefällen auch bis B1. Haupt- und Realschüler haben ein Niveau von B2 bis C1. Frage 5. Welche Abschlüsse können erreicht werden? In den meisten Fällen werden Zertifikate/Teilnahmebescheinigungen von örtlichen Volkshochschulen ausgestellt. Weitere Testierungen werden von der Firma steep, der Aktion Weiterbildung e.V., etc. ausgestellt. Die Teilnahme am fachtheoretischen sowie am allgemeinbildenden Unterricht in der beruflichen Bildung wird durch Berufsschulen zertifiziert. Die Abschlüsse im Haupt- und Realschulbereich werden von den Staatlichen Schulämtern durch Aushändigung von Zeugnissen belegt. Frage 6. Werden berufsorientierte Deutschkurse angeboten? Ja. Alle beruflichen Bildungsmaßnahmen im Vollzug erfordern begleitende Vorbereitungs- und Stützmaßnahmen, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Diese Unterrichte sind abgestimmt auf die individuellen Defizite der Gefangenen und unterliegen daher einer ständigen Veränderung und Anpassung. Frage 7. Wie werden die Sprachkurse angenommen? Die Sprachkurse werden ausnahmslos gut bis sehr gut angenommen. Die Kurse sind durchweg vollständig ausgelastet. Frage 8. Wer ist Anbieter der Sprachkurse? Die Sprachkurse werden von hauptamtlichen Lehrerinnen und Lehrern im Vollzug, von Berufsschullehrerinnen und -lehrern der Berufsschulen sowie von nebenamtlichen tätigen Lehrkräften aus den hessischen Volkshochschulen unterrichtet. Vereinzelt werden Sprachkurse von freiberuflich tätigen Sprachlehrerinnen und -lehrern (z.B. vom Verein "Aktion Weiterbildung e.V.") durchgeführt. Wiesbaden, 15. Februar 2016 Eva Kühne-Hörmann