Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 02.04.2014 betreffend Gebetsräume an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und das Recht auf ungestörte und öffentliche Religionsausübung berechtigen Schülerinnen und Schüler prinzipiell dazu, während des Schulbesuchs ein Gebet zu verrichten. Auch in Hessen gibt es immer mehr Kinder und Jugendliche, insbesondere junge Muslime, die einen angemessenen Platz für ihre Gebete suchen, um ihre Religion auszuüben. Für die Schulen, die einerseits diese Rechte und andererseits den Schulfrieden wahren müssen, entsteht mitunter ein Spannungsfeld , wenn das Recht auf Religionsausübung während der Unterrichtszeit z.B. während Klausuren oder Prüfungen geltend gemacht werden soll oder aufgrund der räumlichen Situation das Gebet im Treppenhaus oder auf den Schulfluren absolviert wird. Vorbemerkung des Kultusministers: Gesetzliche Rahmenbedingungen in Hessen geben viel Raum für persönliche Religionsentfaltung . Religionsfreiheit schützt die Bildung wie die Äußerung der religiösen Überzeugung, die Tradition und die Rezeption religiöser Inhalte, die Aktionen und Interaktionen der Individuen und ihrer Religionsgemeinschaften. Für den staatlichen Schulbereich als zentrales Feld der staatlichen Kulturverantwortung wird die allgemeine Garantie der Religionsfreiheit in Art. 4 des Grundgesetzes durch Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes spezialisiert, präzisiert, durch leistungsrechtliche Elemente erweitert und für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Religionsgemeinschaften besonders ausgeformt. Für alle 13 in Hessen anerkannten Religionsgemeinschaften wird Religionsunterricht an öffentlichen Schulen angeboten. Dies beinhaltet seit dem Schuljahr 2013/14 auch den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht, bei dem Hessen bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Die religiöse Freiheitsentfaltung wird durch pädagogische Konzepte auf Grundlage der Vorgaben des Hessischen Schulgesetzes in Kooperation mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften in allen Schulen gewährleistet. Dies beinhaltet u.a. die Schulseelsorge, das Konzept "Raum der Stille", Schulgottesdienste, religiöse Orientierungstage und das Prinzip "interreligiöses und interkulturelles Lernen" im Kerncurriculum für alle Schulformen und Schulfächer in ganz Hessen verpflichtend durchzuführen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung das Anliegen, an den hessischen Schulen Kindern und Ju- gendlichen in der Schulzeit die Möglichkeit zum Gebet zu schaffen? Es wurde bisher kein konkretes Anliegen an das Hessische Kultusministerium herangetragen, welches eine Bewertung erforderlich gemacht hätte. Ferner wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass das Recht auf "ungestörte" Religionsausübung be- inhaltet, dass in jedem Schulgebäude ein Raum geschaffen werden muss, der zu Gebetszeiten allein für diesen Zweck zur Verfügung steht? Diese Auffassung wird mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema nicht geteilt. In einer Zusammenstellung von Hinweisen zur Rechtsprechung bei Konfliktfällen in der Schule aufgrund religiöser Grundüberzeugungen, die im Amtsblatt des Hessischen Kultusministeriums im Juli 2012 veröffentlicht wurden (Az. 821.100.000-67), wurde den Schulen zu der Frage mitgeteilt: "Grundsätzlich umfasst die Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler auch das Recht, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten. Allerdings verleiht das Recht keinen Anspruch gegenüber der Schule, ihnen einen Raum für Gebete zur Verfügung zu stellen oder ihnen zu gestatten, rituelle Gebete auf dem Schulflur zu verrichten. Eingegangen am 26. Mai 2014 · Ausgegeben am 28. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/306 26. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/306 Mit Urteil vom 30. November 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht (Az. 6 C 20.10; dokumentiert unter www.bverwg.de) das damit begründet, dass der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 auch die freie Wahl des Ortes zur Verrichtung des Gebets umfasst, das Grundrecht der Glaubensfreiheit aber nicht uneingeschränkt besteht. Die Schule ist zwar nicht berechtigt, unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Gebot der religiösen Neutralität des Staates die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude zu unterbinden, jedoch kann in dem Gebot, den Schulfrieden zu wahren, die Berechtigung zur Verrichtung des Gebets ihre Schranke finden. Eine solche Einschränkung des Grundrechts auf Glaubensfreiheit steht im Einklang mit dem Gebot eines schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Verfassungsgüter. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, die Einschränkung der Glaubensfreiheit erweist sich als angemessen und steht auch nicht außer Verhältnis zu dem sie rechtfertigenden legitimen Zweck (Wahrung des Schulfriedens)." Die Landesregierung sieht aktuell keinen Anlass, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten. Frage 3. An wie vielen hessischen Schulen stehen Gebetsräume zur Verfügung, um was für Räumlichkei- ten handelt es sich in diesen Fällen und welchen Religionen oder Religionsgemeinschaften sind diese zuzurechnen? Hierzu sind keine Daten vorhanden, zumal dem Kultusministerium auch keine konkreten Anfragen vorliegen. Den Schulen steht es frei, gemäß den gesetzlichen Vorgaben Räumlichkeiten unter anderem zur religiösen Entfaltung zur Verfügung zu stellen. Erneut wird auf die Vorbemerkung und insbesondere auf das Konzept "Raum der Stille" verwiesen. Frage 4. Ist bekannt, wie viele Schülerinnen und Schüler bisher - formell oder informell - Anträge auf die Einrichtung von Gebetsmöglichkeiten oder Gebetsräumen in ihren Schulen gestellt oder entsprechende Wünsche geäußert haben und wie wurden diese beschieden? Entsprechende Anträge liegen bislang nicht vor. Lediglich im Jahr 2010 wurde die informelle Anfrage einer muslimischen Schülerin an einer Schule dazu bekannt. Diese wurde - wohl mit Blick auf die in der Antwort zu Frage 2 genannte höchstrichterliche Rechtsprechung - nicht weiterverfolgt. Frage 5. Welche Unterstützung erhalten die Schulen und die betreffenden Schülerinnen und Schüler sei- tens der Landesregierung und der Staatlichen Schulämter? Zur Unterstützung der Schulen und der Staatlichen Schulämter wurde die in der Antwort zu Frage 2 genannte Zusammenstellung der Rechtsprechung veröffentlicht. Zudem wird wie in vergleichbaren Fällen den Schulämtern in Einzelfällen entsprechende Hilfestellung gegeben. Ferner wird auf die vielfältigen Beispiele im Rahmen der Vorbemerkung verwiesen. Frage 6. Wie können Schulen nach Ansicht der Landesregierung den Bedürfnissen vor allem muslimi- scher Schülerinnen und Schüler zur einerseits "ungestörten” und anderseits "öffentlichen" Religionsausübung gerecht werden? Hierzu wird auf die Antwort der Frage 2 sowie auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 7. Welche Empfehlungen oder Maßgaben gibt die Landesregierung hinsichtlich der Gewährleistung der Aufsichtspflicht für minderjährige Schülerinnen und Schüler, die beten möchten? Die Aufsichtspflicht für minderjährige Schülerinnen und Schüler wird durch die Aufsichtspersonen in den Schulen im Einzelfall gemäß den Regelungen der Aufsichtsverordnung erfüllt. Frage 8. Welche Empfehlungen oder Maßgaben gibt die Landesregierung hinsichtlich des Anliegens von Schülerinnen und Schülern, die Möglichkeit zum Gebet auch während Klausuren und des Unterrichtes auszuüben und diesen demzufolge zu unterbrechen, um ihn später wieder fortzuführen? Da sich die Frage bislang noch nicht gestellt hat, waren zu diesem Aspekt noch keine Empfehlungen oder Maßgaben in der Praxis notwendig. Zudem ist der Landesregierung bisher kein religiöses Gebot, gleich welcher Religion, bekannt, nach der ein Gebet zu einer bestimmten und unverrückbar festgelegten Uhrzeit verrichtet werden muss, sodass eine Klassenarbeit, Klausur oder der Unterricht unterbrochen werden müsste. Ferner wird erneut auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 9. Welche konkreten Handreichungen hat die Landesregierung den Schulleitungen zum Umgang mit dieser Problematik gegeben? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Frage 10. Wie beurteilt die Landesregierung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (6 C 20/10 vom 30.11.2011, vorausgegangen OVG Berlin-Brandenburg Az: 3 B 29.09) und welche Auswirkungen hatte dieses auf die Gebetsräume an hessischen Schulen? Hier wird zunächst auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zudem ist es nicht Aufgabe der Exekutive , Urteile der rechtsprechenden Gewalt zu bewerten. Auswirkungen auf hessische Schulen sind nicht bekannt geworden. Wiesbaden, 14. Mai 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz