Kleine Anfrage der Abg. Martina Feldmayer und Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 02.02.2016 betreffend kulturelle Projekte im hessischen Justizvollzug - Teil II und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Kulturelle Angebote sind ein anerkannter und wichtiger Bestandteil der heutigen Justizvollzugslandschaft. Die hiermit gemachten Erfahrungen sind positiv. Seit mehreren Jahrzehnten zählen in Hessen beispielsweise Theaterprojekte dazu. Durch Angebote zur aktiven Teilnahme und den hieraus resultierenden synergetischen Effekten verstärkte sich ihre Wirkung. Die Erfahrungen fielen so positiv aus, dass das Ministerium für Justiz mehrfach Sondergenehmigungen erteilte. 2011 verband das Projekt "MS Carmen" (unter der Trägerherrschaft von Art-Q e.V. in Kooperation mit der FH Frankfurt und der Werkstatt Frankfurt e.V.) insgesamt 70 projektbeteiligte Personen von "innerhalb und außerhalb". Teilnehmende des geschlossenen Vollzugs der JVA Preungesheim erarbeiteten gemeinsam mit Studierenden, Künstlern und Pädagogen eine Carmen- Adaption oder waren beim Ausbau eines Schiffs als schwimmende Bühne für das Stück aktiv, bei dem sie auf dem Main in Frankfurt mitspielten. Neben dem Applaus des Theaterpublikums bestätigte und verstärkte die begeisterte Medienberichterstattung den Projekterfolg. Diese Vorbemerkungen der Fragestellerinnen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Kooperationen gibt es bei Kulturprojekten zur aktiven Teilnahme im Justizvollzug? a) Welche privaten Vereine, Initiativen und Organisationen sind im Rahmen welcher Theaterprojekte zur aktiven Teilnahme in hessischen Vollzugsanstalten eingebunden und was unternimmt das Land zur Förderung dieser Zusammenarbeit? b) Welche öffentlichen Einrichtungen sind im Rahmen welcher Kulturprojekte zur aktiven Teilnahme in hessischen Vollzugsanstalten eingebunden und was unternimmt das Land zur Förderung dieser Zusammenarbeit? Hinsichtlich der in den Anstalten angebotenen Kulturprojekte zur aktiven Teilnahme ist zunächst auf die Beantwortung der Frage 1. der Kleinen Anfrage Drucksache 19/3101 hinzuweisen. Soweit nicht dort bereits benannt, sind Dritte an den dort genannten Projekten wie folgt beteiligt: JVA Butzbach: Am Theaterprojekt "Dorian Gray" waren das Stadttheater Gießen und die Evangelische Kirche beteiligt. JVA Frankfurt am Main III: Das Pantomimentheater erfolgt in Kooperation mit dem Schultheaterstudio Frankfurt. JVA Frankfurt IV: Das Musiktheaterprojekt "MS Carmen" erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Verein Art-Q e.V. und der Werkstatt Frankfurt e.V. Eingebunden waren auch die Fachhochschule Frankfurt am Main und die Hochschule Darmstadt - Fachbereich Architektur -. JVA Hünfeld: An den Projekten sind beteiligt die Förderung der Bewährungshilfe in Hessen e.V., der Förderverein der JVA Hünfeld und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eingegangen am 17. März 2016 · Ausgegeben am 22. März 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3102 17. 03. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3102 JVA Rockenberg: Die Theater-Angebote in der JVA Rockenberg erfolgen in Kooperation mit: Gefangenenhilfsvereine: Fliedner Verein e.V., Rockenbergverein e.V. Vereinigung freier professioneller Theater - "IaPROF" - Verein: "Förderung der Bewährungshilfe in Frankfurt" Verein: "Neustart e.V." Studenten der Universität Köln Studenten der Fachhochschule Frankfurt am Main Privatpersonen sowie dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Die Anne-Frank-Ausstellung erfolgt unter Beteiligung des Anne Frank Zentrums Berlin. JVA Wiesbaden: Am Theaterprojekt "Die Werft" sind der Förderverein JVA Holzstraße e.V., die Staatstheater Wiesbaden und Mainz und das EU-Projekt INVOLVE beteiligt. Am Projekt "Prozessorientierte Spielfilmarbeit" sind als öffentlich-rechtliche Institutionen die Medienwerkstatt der Universität Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften, Institut für Sozialpädagogik , Institut für Erziehungswissenschaften, beteiligt. Die Anne-Frank-Ausstellung erfolgt unter Beteiligung des Anne Frank Zentrums Berlin. Das Land Hessen und insbesondere die Anstaltsleitungen pflegen den Kontakt mit den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kulturschaffenden in den Anstalten. Ihnen wird vermittelt, dass sie eine zentrale Aufgabe in der Resozialisierung der Gefangenen erfüllen. § 7 HStVollzG, § 7 HessJStVollzG und § 7 HSVVollzG sehen eine Einbindung Dritter zur Förderung der Resozialisierung ausdrücklich vor. Die Projekte werden - wie sich aus der Beantwortung der Frage 2. ergibt - ganz überwiegend aus Landesmitteln finanziert. Frage 2. Wie finanzieren sich diese Kulturprojekte im Einzelnen? In den Justizvollzugsanstalten in Butzbach, Frankfurt am Main I, Frankfurt am Main III, Gießen , Kassel I, Kassel II und Schwalmstadt werden die Projekte aus dem Budget der Anstalten finanziert. JVA Fulda: Die Kurse werden aus dem Budget der Anstalt bzw. mit Unterstützung durch die Brüdergemeinde finanziert. JVA Hünfeld: Finanzielle Unterstützungen der Projekte erfolgen durch den Förderverein der JVA Hünfeld, dem Albert-Krebs-Verein e.V., der Förderung der Bewährungshilfe in Hessen e.V. und der Landesarbeitsgemeinschaft Justiz. Die Landesarbeitsgemeinschaft Justiz finanziert die von der Volkshochschule Fulda bereitgestellten Dozenten. Die Bewährungshilfe in Hessen e.V. stellt neben der Finanzierung auch einen Pool an Veranstaltungsreihen einschließlich Personal bereit. Die Kosten der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Fahrtkosten, Materialkosten) werden vom Förderverein oder aus Haushaltsmitteln getragen. Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar: Theater hinter Gittern wird gefördert von der Bewährungshilfe in Hessen e.V. Kreatives Gestalten wird geleitet von einer ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterin. Der Musikworkshop wird finanziert von der Landesarbeitsgemeinschaft Justiz. Der Interkulturelle Kochkurs wird ermöglicht durch die Landesarbeitsgemeinschaft Justiz. JVA Rockenberg: Die Gitarrenkurse, die Anstaltsband, das Hip-Hop-Konzert sowie die "Kunstwerkstatt" werden aus dem Anstaltsbudget finanziert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3102 3 Der "Capoeira- und der Hip-Hop-Dance-Workshop", sowie der geplante "Artistik-Workshop" werden durch den Fliedner-Verein finanziert. Der Auftritt von klassischen Nachwuchsmusikern in der hiesigen Justizvollzugsanstalt wird durch die Yehudi-Menuhin-Stiftung ermöglicht. Die in diesem Jahr vorgesehene Theateraufführung wird durch den Verein "Förderung der Bewährungshilfe in Frankfurt" und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst ermöglicht . Der Artistik-Workshop wird vom Fliedner-Verein ermöglicht. JVA Wiesbaden: Die "Prozessorientierte Spielfilmarbeit" wird aus Haushaltsmitteln finanziert. Das Theaterprojekt "Die Werft" wird im Rahmen des Programms "Demokratie leben!" durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bezuschusst. Die Personalkosten trägt die Anstalt. Der Kulturfonds Rhein-Main hat die Rilke-Produktion "Wie du reimt keiner, Rainer" im Rahmen des Programms "Kunstvoll" gefördert. Sie wurde im Rahmen der Hessischen Theatertage 2015 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Die Bücheroase wurde durch Sachleistungen vom Verein der Freiwilligen Straffälligenhilfe gefördert . Der Förderverein Holzstraße finanziert eine nebenamtliche Fachkraft. Frage 3. In welchem Umfang werden diese Kulturprojekte mit Sachleistungen gefördert? Sachleistungen (z.B. Materialien, Instrumente, Verpflegung, usw.) werden bei Bedarf von allen Justizvollzugsanstalten zur Verfügung gestellt. Kleinere Sachleistungen werden den kulturellen Projekten nicht unbedingt zugerechnet bzw. in Rechnung gestellt. Eine detaillierte Erhebung und Bezifferung wäre sehr aufwendig und war in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Frage 4. In welchem zeitlichen Umfang werden diese Kulturprojekte von Angestellten der Justizvollzugsanstalten begleitet? Für die größeren Projekte in der JVA Wiesbaden werden folgende Arbeitskraftanteile beschrieben : Für die "Prozessorientierte Spielfilmarbeit" werden während der 14-tägigen Projektarbeit mindestens ein Sozialdienst und eine Vollzugsabteilungsleitung mit einem Viertel der Arbeitszeit eingesetzt. Für das Theaterprojekt "Die Werft" werden wöchentlich 26 Arbeitsstunden von Mitarbeitern der JVA erbracht. Für die Bücheroase erfolgt die Koordination und Leitung durch das Sachgebiet Schule und Weiterbildung. In Rockenberg werden der Hip-Hop-Workshop und der Artistik-Workshop durch zwei Bedienstete begleitet. Der Capoeira-Workshop wird von den Sportlehrern betreut. In allen Anstalten obliegt die Planung, Organisation, Beaufsichtigung der Maßnahmen und gegebenenfalls die Mitwirkung in der Regel dem jeweiligen Fachbereich Sport und Freizeit. Hinzuzurechnen ist eine Bestreifung der jeweiligen Veranstaltungen durch Bedienstete der Sicherungsgruppe. Eine detaillierte Erhebung und Bezifferung wäre sehr aufwendig und war in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Frage 5. Wie beurteilt die hessische Landesregierung den Erfolg bisheriger Kulturprojekte? a) Wie beurteilt die Landesregierung den Erfolg bisheriger Kulturprojekte zur aktiven Teilnahme im Justizvollzug? b) Wie beurteilt die Landesregierung die Erfahrungen mit Ausnahmeregelungen im Justizvollzug für Kulturprojekte zur aktiven Teilnahme? Zu Frage 5 a: Die Bandbreite der Kulturprojekte zur aktiven Teilnahme reicht von der Alltagskultur , also dem Kochkurs über den Gefangenenchor bis hin zu sehr aufwendigen Schauspielproduktionen , wie beispielsweise dem herausragenden Projekt "MS Carmen". 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3102 Das sehr breite Spektrum zeigt, dass die Anstalten den Gefangenen Angebote machen, die ihren jeweiligen Neigungen und Fähigkeiten entsprechen, die sie herausfordern und motivieren. Die positiven Effekte, die solche Projekte für die Resozialisierung haben können, wurden bereits an mehreren Stellen der Beantwortung dieser Anfrage beschrieben. Ziel des Resozialisierungsvollzugs ist es, die Gefangenen zum Mitmachen zu bewegen und zur Teilnahme in der Gruppe. Sie sollen sich einfügen in Strukturen, sich ausdrücken, sich engagieren, ihre Kreativität entfalten und sich den Herausforderungen stellen. In den Projekten üben die Gefangenen, Misserfolge zu verarbeiten und sich an Erfolgen zu freuen. Die Landesregierung unterstützt es ausdrücklich, dass Künstler, Regisseure, Schauspieler, Musiker, Dozenten, Kursleiter und insgesamt alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter durch ihr beispielhaftes Engagement diese Projekte zum Erfolg führen. Zu Frage b: Insoweit die Vollzugsgesetze Raum für Ermessen lassen, steht die Landesregierung auch außergewöhnlichen Projekten zur aktiven Teilnahme aufgeschlossen gegenüber. Sie wird dafür auch weiterhin Ausnahmegenehmigungen wohlwollend prüfen. Die erforderlichen Abwägungen müssen jedoch im konkreten Einzelfall getroffen werden. Wiesbaden, 9. März 2016 Eva Kühne-Hörmann