Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer, Siebel, Alex und Roth (SPD) vom 04.02.2016 betreffend Berücksichtigung der Barrierefreiheit in der Bauordnung (Teil 2) und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Maßnahmen zur Barrierefreiheit, insbesondere Verbesserungen bei Wohnungen, öffentlichen Anlagen, Aufzügen und Stellplätzen, sind bereits länger in der Diskussion. In § 10 der HessBGG (Hessisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz) ist die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr geregelt. Im Zuge der Novellierung der Hessischen Bauordnung (HBO), die 2019 ansteht, könnten Forderungen, die u.a. auch der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechen, in der Bauordnung Eingang und schließlich Umsetzung finden. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Hessische Bauordnung (HBO) regelt die Ausführung von baulichen Anlagen auf Grundstücken und legt die Anforderungen an deren Errichtung und Erhaltung, bauliche Änderung, Gestaltung , Nutzung, Nutzungsänderung und Abbruch fest. Bereiche, für die es speziellere Regelungen gibt, z.B. öffentliche Verkehrsanlagen oder öffentliche Wege und Plätze, sind aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht vor, dass Maßnahmen getroffen werden, um Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, zu Information und Kommunikation sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die für die Öffentlichkeit bereitstehen, zu gewährleisten. Die Förderung des sozialen und eigenverantwortlichen Lebens ist in diesem Sinne ein wichtiges Anliegen des Landes Hessen und der Landesregierung. Die Vermeidung von neuen Barrieren und der Abbau von bestehenden Barrieren in allen Bereichen des Lebens entsprechend der UN-BRK sind durch gesetzliche Vorgaben in den jeweiligen Gesetzen - wie dem HessBGG oder der HBO - verankert. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister für Soziales und Integration und dem Minister für Wissenschaft und Kunst wie folgt: Frage 1. In § 10 der HessBGG ist die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr geregelt, wie berührt diese die Hessische Bauordnung? Das HessBGG dient auf Landesebene dazu, Gleichstellung und Barrierefreiheit im öffentlichrechtlichen Bereich zu verankern und Diskriminierungen zu vermeiden. Wesentliches Instrument sind Zielvereinbarungen sowie die Eigenverpflichtung des Landes Hessen zur Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr. In diesem Rahmen sind große Um- oder Erweiterungsbauten der Behörden, Gerichte oder sonstiger öffentlicher Stellen des Landes barrierefrei zu gestalten. Das HessBGG und die HBO stehen auf gleicher Ebene nebeneinander. Die HBO und die auf der Grundlage der HBO erlassenen Vorschriften enthalten Anforderungen an die Barrierefreiheit von Gebäuden und von Grundstücken, auf denen Gebäude errichtet werden. Die Gebäude und die Grundstücke des Landes Hessen sind eine Teilmenge, für die die Anforderungen der HBO gelten. Damit übernimmt das Land Hessen bei der Barrierefreiheit eine Vorbildfunktion. Eingegangen am 20. Juli 2016 · Ausgegeben am 25. Juli 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3116 20. 07. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3116 Frage 2. Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich bislang umgesetzt? Das Land Hessen hat Festlegungen zur Qualitätssicherung im Hinblick auf Barrierefreiheit getroffen . In der jeweiligen Unterlage des landesinternen Genehmigungsverfahrens ist ein "Konzept zur Barrierefreiheit" zu erstellen und im Planungsprozess ist die frühzeitige Einbindung der Schwerbehindertenvertretung der nutzenden Verwaltung zur Abstimmung der geplanten Maßnahmen festgelegt. Im Folgenden sind verschiedene Baumaßnahmen aufgeführt, bei denen Barrierefreiheit umgesetzt wurde. Die Aufzählung ist nicht abschließend, soll gleichwohl das Spektrum dessen, was getan wurde, aufzeigen sowie die Fokussierung verdeutlichen, mit der das Land das Thema "Bauliche Barrierefreiheit" in seinen Liegenschaften verfolgt und schrittweise umsetzt. Große Neubaumaßnahmen Im Sinne des § 10 HessBGG werden bei den Neubauten des Landes - seien es Behörden, Gerichte oder sonstige öffentliche Stellen sowie z.B. Hochschulen und Kulturbauten - die festgelegten Anforderungen an die bauliche Barrierefreiheit umgesetzt. Z.B.: Hochschulbau Für den Hochschulbau wurde ein Investitionsprogramm (HEUREKA) in Höhe von 4 Mrd. € initiiert, das seit 2008 läuft und bis 2026 konzipiert ist. Bei allen Baumaßnahmen dieses Programms wird die Barrierefreiheit der betreffenden Hochschulgebäude i.S. des § 10 HessBGG berücksichtigt. Neben zahlreichen Instituts- und Forschungsgebäuden wurden u.a. bereits mehrere barrierefreie Hörsäle geschaffen, z.B. in Kassel, Darmstadt, Fulda und Frankfurt. In Fulda und Darmstadt sind neue, barrierefreie Universitätsbibliotheken entstanden, in Marburg befindet sich eine solche im Bau. Kulturbau Die neu gebauten Besucher- und Informationszentren - Grube Messel, - Herkules in Kassel und - das Keltenmuseum am Glauberg sind barrierefrei. Große Maßnahmen im Bestand Bei Bestandsgebäuden kommt es - ganz im Sinne des § 10 HessBGG - auf die jeweiligen baulichen Rahmenbedingungen und die Art der Sanierung an, welche Maßnahmen zur Barrierefreiheit umgesetzt werden können. Bei zahlreichen Gebäuden des Landes, bei denen die Barrierefreiheit eingeschränkt war, ist im Zuge von Umbaumaßnahmen - unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes - inzwischen ein höheres Maß an Barrierefreiheit geschaffen worden, z.B.: Kulturbau - Landesmuseum in Darmstadt, - Neue Galerie in Kassel, - Staatstheater in Kassel, - Staatstheater in Darmstadt. Nach Abschluss der zurzeit durchgeführten Umbaumaßnahmen insbesondere am - Landesmuseum in Kassel, - Landesmuseum in Wiesbaden werden auch diese Kulturbauten für mobilitätseingeschränkte Besucherinnen und Besucher deutlich besser nutzbar sein. Hochschulbau - Hochhaus der Hochschule Darmstadt, - Erweiterung der Mensa an der Universität Kassel, - im Rahmen von Baumaßnahmen im Zuge des Hochschulpaktes-2020-Bau-INVEST-Programms (HSP 2020-Invest) erfolgten an verschiedenen Hochschulstandorten Maßnahmen zur Barrierefreiheit; z.B.: Hochschule Fulda (Umbau der ehemaligen Bibliothek zu Laborflächen, Herrichtung der ehemaligen Mensa zum Selbstlern- und Familienzentrum, Umbau der Dachgeschosse der Gebäude L, M und P). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3116 3 Kleine Maßnahmen, Bauunterhaltung Ebenso wird im Kleinen kontinuierlich die Barrierefreiheit in allen öffentlichen Gebäuden des Landes verbessert. Beispiele hierfür sind: - Im Jahre 2011 wurden alle Dienstgebäude des Regierungspräsidiums Darmstadt auf ihre Barrierefreiheit hin untersucht. Ein mehrjähriger Maßnahmenplan wird schrittweise umgesetzt . - In den Jahren 2011 bis 2013 erfolgte in Bestandsgebäuden des Landes die Herrichtung von 70 barrierefreien Toiletten. - In 2015 wurden im Bereich des Hessischen Immobilienmanagements (jetzt Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH)) in zehn Liegenschaften Umbaumaßnahmen zur Barrierefreiheit begleitend zu laufenden Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. - In vier Gerichtsgebäuden wurden Baumaßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit bis 2015 abgeschlossen. Bei zehn Gerichten befanden sich die Maßnahmen im Jahre 2015 in der Ausführung. In den verbleibenden Gerichten soll in den kommenden Jahren Barrierefreiheit hergestellt werden. - In der sanierten Remise im ehemaligen Kloster Seligenstadt wurde eine neue, öffentliche, barrierefreie Toilette eingebaut. Der Zugang zum Museum in der Prälatur wurde für gehbehinderte Menschen durch den Abbau von Schwellen erleichtert. Frage 3. In § 10 der HessBGG heißt es in Abs. 1 Nr. 4, die Regelungen der Hessischen Bauordnung bleiben unberührt - wie ist diese Regelung begründet? § 10 HessBGG bringt zum Ausdruck, dass bei Baumaßnahmen des Landes dem Gedanken der Inklusion Rechnung zu tragen ist. Das HessBGG ist ein Rahmengesetz, das Ziele beschreibt. Sollten Regelungen in der HBO bereits diese Ziele berücksichtigen, so sind diese gültig und zu erfüllen. Auf die Antwort zu Frage 1 und die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 4. Will die Landesregierung diesbezüglich (§ 10 der HessBGG - Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr) Änderungen in der anstehenden Novellierung der HBO anstreben ? a) Wenn ja, wie? b) Wenn nein, warum nicht? Zugunsten einer weiteren Verbesserung der in § 10 HessBGG genannten Ziele der Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich Bau wird die Übernahme von Vorschlägen, insbesondere der Verbände von Menschen mit Behinderung und Regelungen, die nach der letzten Novellierung der HBO in die Musterbauordnung aufgenommen wurden, in eine HBO-Novelle geprüft. Regelungen zum Verkehr sind nicht Gegenstand der HBO. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 5. Inwieweit sollen die Anforderungen an die Barrierefreiheit sonstiger baulicher oder anderer Anlagen , öffentlicher Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugänglicher Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr in der Novellierung der HBO stärker Eingang finden? Anforderungen an die Barrierefreiheit der in der Antwort zu Frage 5 genannten Bereiche werden überwiegend in anderen Fachgesetzen als der HBO und sonstigen Vorschriften geregelt. Eine Verortung in der HBO ist nicht zielführend. Auf die Antwort zu Frage 1 und die Vorbemerkung wird verwiesen. Wiesbaden, 8. Juli 2016 Tarek Al-Wazir