Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 05.02.2016 betreffend Hygiene in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Hygiene ist die Lehre von der Gesunderhaltung des Einzelnen und der Allgemeinheit, sie schließt die Vorbeugung gegen Gesundheitsschäden (Verhaltens- und Verhältnisprävention) als auch die Förderung der Gesundheit (Gesundheitsförderung) mit ein. Hygiene ist ein entscheidender Faktor, um die Verbreitung von Erregern zu vermeiden. Um die steigende Zahl der Infektionen mit Multi-Resistenten-Erregern (MRE) einzudämmen, hatte das Sozialministerium in Hessen seinerzeit eine "Hygieneoffensive" gestartet. Seit dem 01.12.2011 gilt in Hessen die Hessische Hygieneverordnung, die, ergänzend zum Infektionsschutzgesetz, weitere hygienische Vorgaben gibt. Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie steuert das Land Hessen die Hygieneoffensive, die in 2011 gestartet wurde? Welche situationsgerechten Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen bezüglich der Vermeidung oder Eindämmung von Erregern gibt es? Im Jahr 2011 sind die Infektionshygieneverordnung und die Hessische Hygieneverordnung in Kraft getreten, deren Vorgaben die genannten Maßnahmen unterstützen. Die Hessische Hygieneverordnung für medizinische Einrichtungen enthält Vorgaben zu den Personalstrukturen in medizinischen Einrichtungen (besonders ausgebildetes Hygienepersonal und Ärzte), zur Eindämmung der Verbreitung von Keimen bei medizinischen Maßnahmen in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Arztpraxen. Darüber hinaus sind Vorschriften der Erfassung von Keimen und deren Resistenzen enthalten. Auch gibt es "Kontrollmessungen" über die Registrierung der Zahl bestimmter Infektionen sowie der verbrauchten Desinfektionsmittel. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der hessischen Hygieneverordnung wurden die Bemühungen intensiviert, in Zusammenarbeit mit den Hochschulen sowie der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung die notwendige spezifische Aus-, Fort und Weiterbildung für ärztliches und nichtärztliches Fachpersonal in der Hygiene aufzustocken. Die Hessische Infektionshygieneverordnung verpflichtet sonstige Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können, zur Beachtung besonderer Hygienemaßnahmen. Hiervon erfasst sind Berufe vom Kosmetiker bis zum Tätowierer. In der Infektionshygieneverordnung wird für diese Tätigkeiten der Nachweis der notwendigen Sachkunde gefordert, da alle diese Tätigkeiten ohne eine staatlich geprüfte Ausbildung mit dem Erwerb von Kenntnissen zur Hygiene ausgeübt werden können. Vorgeschrieben ist auch, was bei der Verwendung von Instrumenten und Material am Menschen besonders zu beachten ist. Hessen hat daneben eine Meldepflicht zur Erfassung von Patienten mit Keimen mit besonders ausgeprägten Resistenzmustern erlassen. Seit 15. Dezember 2013 ist ein Landesbeirat für Hygiene in medizinischen Einrichtungen etabliert , der das Hessische Ministerium für Soziales und Integration berät und die MRE- Netzwerke in Hygiene betreffenden Fragen sowie bei der Erstellung und Vereinbarung landesweit einheitlicher Qualitätsstandards unterstützt. Eingegangen am 18. März 2016 · Ausgegeben am 23. März 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3118 18. 03. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3118 In den Landesbeirat unter Leitung des Hessischen Ministers für Soziales wurden Vertreter der MRE-Netzwerke, der Hessischen Krankenhausgesellschaft, gesetzlicher Krankenkassen in Hessen , der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer Hessen, je ein Experte für Infektiologie , Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Antibiotika-Therapie der Universitäten und eine Hygienefachkraft berufen. In Hessen wurden in den letzten Jahren vier MRE-Netzwerke etabliert, um dem Problem der Multiresistenten Erreger wirksamer zu begegnen. Sie sind organisatorisch an den Gesundheitsämtern angebunden und sind jeweils zu einem Netzwerk aus mehreren Landkreisen zusammen geschlossen. Zum Netzwerk gehören Krankenhäuser, Pflegedienste, Pflegeeinrichtungen und Ärzte, die freiwillig an der Verbesserung der Lage arbeiten wollen. Wesentliche Aufgaben sind: die Erstellung von Empfehlungen und Handreichungen, die Durchführung von Fachtagungen, die Durchführung von Fortbildungen für verschiedene Adressaten, die Erstellung und Verteilung von Informationsmaterial für Patienten und Angehörige/ Öffentlichkeit (mehrsprachig), die Erstellung, Vergabe und Überwachung von Qualitätssiegeln MRE, die Förderung der Händehygiene, die Beratung von Einrichtungen und der Öffentlichkeit, die Förderung eines rationalen Antibiotikaeinsatzes. Im Zentrum für Gesundheitsschutz des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes im Gesundheitswesen werden Checklisten für die regelmäßigen Begehungen der Gesundheitsämter in medizinischen Einrichtungen entwickelt. Zum Teil wurden für besondere Schwerpunktaktionen gemeinsame Checklisten mit den Behörden für die Medizinprodukteüberwachung aufgesetzt . Außerdem wurden durch die Fachaufsicht mit den Gesundheitsämtern Leitlinien entwickelt, nach welchen Risikofaktoren die Begehungen nach § 36 IfSG erfolgen sollten. Frage 2. Gibt es Planungen, die Hygieneoffensive zu intensivieren? Wenn ja, welche konkreten Projekte und Maßnahmen sind vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? Das MRE-Netzwerk verfügt über jährliche thematische Schwerpunkte. Für das Jahr 2016 hat das MRE Netz Rhein Main pro Quartal zwei feste Termine zur Fortbildung für die ambulante und stationäre Pflege eingeplant und bietet darüber hinaus Inhouse- Fortbildungen an. Es wird außerdem der Fokus auf die Verwendung von Antibiotika in der ärztlichen Verschreibung gesetzt und intensiviert. Auch in den MRE-Netzwerken Mittelhessen, Nord- und Osthessen sowie Südhessen werden die Themen MRSA-Sanierungsmaßnahmen, Antibiotikaverbrauch und Versorgung chronischer Wunden intensiviert. Ende 2015 wurde ein Lehrfilm für Personal in Krankenhäusern herausgegeben, dessen Herstellung vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration gefördert worden ist. An der fachlichen Begleitung waren krankenhaushygienisch besonders ausgebildete Ärzte und Pflegepersonal der hessischen Krankenhäuser und Hochschulen sowie auch Personal der Überwachungsbehörden beteiligt. Der Film steht den Krankenhäusern und Überwachungsbehörden kostenfrei zur Verfügung und soll es ermöglichen, auf einheitlicher Basis das hygienisch korrekte Vorgehen auch auf bildlicher Basis zu vermitteln. Es sind nicht nur medizinische Maßnahmen dargestellt, sondern alle hygienisch relevanten Tätigkeiten in den Krankenhäusern, z.B. auch das korrekte Vorgehen bei der Reinigung. Aktuell startet in Hessen mit der Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und der Krankenkassen das Projekt "Analyse der Prävalenz multiresistenter Erreger (MRE) in hessischen Krankenhäusern sowie Maßnahmen zur Reduktion vermeidbarer Infektionen durch MRE". Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3118 3 Frage 3. Welche Maßnahmen führt die Landesregierung durch, um die Gesunderhaltung (Verhaltens- und Verhältnisprävention sowie Gesundheitsförderung) zu unterstützen a) bei betroffenen Berufsgruppen b) bei Bürgerinnen und Bürgern, c) in der Öffentlichkeit? In diesem Bereich existieren vielfältige Aktivitäten, die in öffentlich zugänglichen Medien abrufbar sind. Die MRE Netzwerke Rhein Main, Mittelhessen, Nord- und Osthessen sowie Südhessen informieren mit Kampagnen, z.B. "Weniger ist mehr" (MRE-Netzwerk Rhein Main), in denen der Antibiotikaverbrauch thematisiert wird. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet zahlreiche Informationsmaterialien wie "Impfungen und persönlicher Infektionsschutz", auf den Internetseiten des Robert-Koch-Instituts finden sich ebenfalls viele Hinweise zum Thema Hygiene. Frage 4. Welche Sensibilisierungs- und Informationsstrategien werden im Land Hessen umgesetzt, damit alle Bürgerinnen und Bürger eine sorgfältige Händehygiene betreiben? Welche Erfahrungen und Ergebnisse haben die Kampagnen hierzu gebracht? Die "Aktion Saubere Hände" ist als nationale Kampagne und Unterstützung unter anderem durch das BMG zur Verbesserung der Compliance der Händedesinfektion in deutschen Gesundheitseinrichtungen etabliert. Im Rahmen des weltweiten Händehygienetages am 05.05. steht in diesem Jahr das Thema Multiresistente Erreger im Mittelpunkt. Da inzwischen 1.085 Kliniken teilnehmen und zahlreiche Einrichtungen die Kampagne über den Projektzeitraum hinaus unterstützen , ist mit einer hohen Sensibilisierung der Bürger zu rechnen. Frage 5. Gerade ältere Menschen, Krankenhauspatientinnen und -patienten, chronisch Pflegebedürftige, Dialysepatienten und -patientinnen, Diabetikerinnen und Diabetiker, Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem sowie Kinder zählen zu den Risikogruppen, wenn das Abwehrsystem geschwächt ist und die Bakterien einen Weg in den Körper finden. Wie werden diese speziell sensibilisiert, informiert sowie geschützt? Die MRE-Netzwerke koordinieren umfangreiche Maßnahmen, Empfehlungen, Fortbildungen, Fachtagungen, Informationsmaterial und Aufklärungsarbeit (in Form von Presseartikeln, Internetseiten , Flyern), um die genannten Zielgruppen mit Informationen zu versorgen. Das MRE- Netzwerk Rhein Main unterstützt z.B. das von verschiedenen Kinderarztverbänden und anderen entwickelte Projekt "Wann muss ich mir Sorgen machen?". Die Aufklärung von Eltern über Atemwegsinfektionen soll Ängste vermindern und über den sinnvollen Einsatz von Antibiotika aufklären. Bei einer viralen Infektion ist ein Antibiotikum z.B. nicht notwendig. Frage 6. Gibt es Planungen, die Sensibilisierung und Information diesbezüglich auszubauen? Wenn ja, welche konkreten Projekte und Maßnahmen sind vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Hessischen Hygieneverordnung werden die Bemühungen intensiviert, die Aus- und Weiterbildung für ärztliches und nichtärztliches Fachpersonal in der Hygiene aufzustocken. Alle übrigen aufgeführten Maßnahmen werden fortgeführt, insbesondere auch für die MRE- Netzwerke Schwerpunkte gebildet. Wiesbaden, 14. März 2016 Stefan Grüttner