Kleine Anfrage der Abg. Beer (FDP) vom 08.04.2014 betreffend Gewerbesteuerregelungen für Reiseveranstalter und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Gewerbesteuer wird auf die objektive Ertragskraft von Unternehmen erhoben. Bemessungsgrundlage ist der für gewerbesteuerliche Zwecke adjustierte Gewinn. Seit 2008 müssen Finanzämter auch gezahlte Mieten und Pachten für sogenanntes fiktives Anlagevermögen hinzurechnen. Zwecks Gleichbehandlung bei der Gewerbesteuer ist es damit gleichgültig, ob beispielsweise ein Hotelier seine Leistungen in einem eigenen oder einem gemieteten Haus erbringt. Soweit ist diese Regelung nachvollziehbar. In jüngster Vergangenheit mehren sich die Beschwerden in einigen Bundesländern, dass die Finanzver- waltung neuerdings darauf poche, dass Reiseveranstalter für den Einkauf von Hotelleistungen Gewerbe- steuer entrichten sollen. Dies erscheint jedoch fragwürdig, da Reiseveranstalter wie Händler agieren, die unterschiedliche Reiseleistungen wie Beförderung und Übernachtung zu neuen Reiseprodukten zusam- menstellen. Zahlungen hierfür stellen ein Pendant zum Wareneinkauf dar, der als Umlaufvermögen gilt und nicht als fiktives Anlagevermögen bewertet werden kann. Zudem belastet das Gewerbesteuerrecht nur im Inland ansässige Veranstalter. Die Reiseunternehmen sollen allerdings auf ihre weltweiten Hotel- buchungen Steuern zahlen. Diese wird rückwirkend ab dem Jahr 2008 verlangt. Bei bundesweiter An- wendung dieser Regelung würde die Reisebranche mit jährlich 230 Mio. € belastet und müsste außerdem insgesamt 1,4 Mrd. € nachzahlen. Dies würde entweder zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen oder - wenn der erhöhte Preis am Markt nicht erzielt werden kann - durch Preisdruck an die Leis- tungserbringer weitergegeben. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Es geht um die Frage der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Mietengelten aus der Anmietung von Hotelleistungen durch Reiseveranstalter. Bucht ein Kunde bei einem Reiseveranstalter eine Reise mit Hotelübernachtung, muss der Reiseveranstalter seinerseits die entsprechende Hotelkapazität beim Hotelier anmieten. Nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e Gewerbesteuergesetz (im Folgenden GewStG) sind Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines anderen stehen, prozentual dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen. Im Rahmen der Auslegung der gesetzlichen Norm war von Bedeutung, ob die angemieteten Hotelkapazitäten den Charakter von Anlagevermögen oder von Umlaufvermögen (ähnlich dem Warenbestand eines Händlers) aufweisen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wird diese Regelung auch von hessischen Finanzbehörden angewendet? Frage 2. Wenn ja, auf welcher Grundlage erfolgt die Anwendung dieser Regelung? Frage 3. Wird dabei, wie in einigen Fällen in Nordrhein-Westfalen, auch eine Rückwirkung bis zum Jahr 2008 geltend gemacht? Der gleichlautende Ländererlass zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG vom 2. Juli 2012 (im Folgenden GLE) äußert sich u.a. zu Fragen der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen. Nach Rz. 29b des GLE sind Mietaufwendungen des Unternehmers für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind (z.B. Baumontage, Reisedienstleistungen) dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen, sofern sie vorab das Einkommen gemindert haben. Eingegangen am 26. Mai 2014 · Ausgegeben am 28. Mai 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/315 26. 05. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/315 Die vorliegende Problematik war nach dem Inkrafttreten des GLE Gegenstand von Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene. Hessen teilt durchaus die Argumente der Reisebranche und bekundete dies auch im fachlichen Austausch mit Vertretern der Branche. Für eine entsprechende Änderung/Ergänzung des GLE bedarf es allerdings einer Mehrheit von Bund und Ländern. Ein entsprechender Vorstoß diesbezüglich blieb erfolglos. Die Mehrheit der Länder vertritt die Auffassung, dass die zwischen Reiseveranstalter und Hotelbetreiber geschlossenen Verträge mehrere Leistungskomponenten enthalten (gemischte Verträge), die trennbar sind und infolgedessen jede Komponente für sich nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchstabe a bis e GewStG zu beurteilen ist. Im Ergebnis unterliegen somit die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung . Ausgenommen von der Hinzurechnung sind einzelne Leistungen, wenn sie nicht als Nebenleistungen zur Hotelunterkunft, sondern als gesonderte Leistungen anzusehen sind (z.B. Animation, Wellness- und Sportleistungen). Die Regelung des § 8 Nr. 1 GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl 2008 I, Seite 1912) ersetzt die bisherigen Regelungen in § 8 Nr. 1 bis 3 und 7 GewStG und ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2008 anzuwenden. Der GLE stellt sicher, dass die o.g. Auslegungsfragen in allen Bundesländern zu beachten sind. Frage 4. Wie viele Reiseveranstalter in Hessen sind von dieser Regelung betroffen? Frage 5. Wie hoch sind die jährlichen Zusatzbelastungen und die Nachzahlungen für hessische Reisever- anstalter (dargestellt nach den einzelnen Jahren)? Die Zahl der in Hessen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegenden Reiseveranstalter ist nicht bekannt. Die Offenlegung solcher Daten wäre wegen des Steuergeheimnisses nach § 30 Abgabenordnung ohnehin nicht möglich. Gleiches gilt für die Offenlegung der Steuerlast für die einzelnen Reiseveranstalter. Frage 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Wertung der eingekauften Leistung als fiktives Anlage- vermögen? Frage 7. In welchen Bundesländern wird die beschriebene Auslegung des Gewerbesteuergesetzes ange- wendet? Frage 8. Wie bewertet die Landesregierung die Ungleichbehandlung der Reiseveranstalter aus verschie- denen Bundesländern vor dem Hintergrund, dass die Erbringung der eingekauften Leistung möglicherweise am selben Ort erfolgt, aber lediglich der Sitz des einkaufenden Reiseveranstalters über die Zusatzbelastung durch Anwendung der beschriebenen Regelung und Unterwerfung unter die Gewerbesteuer entscheidet? Siehe Antwort zu den Fragen 1 bis 3. Frage 9. Wie beurteilt die Landesregierung die Ungleichbehandlung ausländischer und inländischer Rei- severanstalter in diesem Zusammenhang? Bei der Frage wird unterstellt, dass generell eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen (also im Ausland ansässigen Unternehmen oder Betriebsstätte in Deutschland) Reiseveranstaltern gegeben ist. Hierzu ist anzumerken, dass die Steuerhoheit bei den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten liegt und auch andere EU-Mitgliedstaaten eine mit der deutschen Gewerbesteuer vergleichbare Steuer kennen. Ob die unterstellte "Ungleichbehandlung" im Sinne einer Mehrbelastung für inländische Reiseveranstalter gegeben ist, müsste im Einzelfall rechtsvergleichend und mit einem alle Steuerarten umfassenden Belastungsvergleich untersucht werden. Wiesbaden, 14. Mai 2014 Dr. Thomas Schäfer