Kleine Anfrage der Abg. Gremmels, Grüger und Kummer (SPD) vom 17.02.2016 betreffend BImSchG-Genehmigungsverfahren für WKA-Anlagen in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Staatsminister Al-Wazir hat in seiner Regierungserklärung vom 14.07.2014 als zentrales Ziel zur Verdoppelung der erneuerbaren Stromerzeugung die Verdreifachung der Windkraftleistung ausgerufen. Laut Regierungserklärung müssten dazu von Mitte 2014 bis Mitte 2017/2018 knapp 500 Windenergieanlagen (WEA) à drei MW gebaut werden. Das bedeutet, dass innerhalb von drei Jahren 165 WEA pro Jahr bzw. innerhalb von vier Jahren 125 WEA pro Jahr gebaut werden müssten. Diese Ziele der Landesregierung werden grob verfehlt. Derzeit werden im Schnitt lediglich rund 40 WEA drei MW pro Jahr gebaut. Nicht einmal ein Drittel des für die Erreichung der Energiewendeziele notwendigen Zubaus an Windenergie wird daher geschafft . Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung stelle ich fest, dass die zusammengefasste Vorbemerkung der Fragesteller, soweit sie sich auf die Regierungserklärung von Herrn Staatsminister Al-Wazir bezieht, durch Verkürzung und sequenzielle Darstellung nicht den Inhalt der Regierungserklärung wiedergibt. Soweit in der Vorbemerkung quantitative Schlussfolgerungen gezogen werden, wird auf die nachfolgende Richtigstellung in der Antwort auf die Kleine Anfrage verwiesen. Der Gesetzgeber hat für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionschutzgesetz vorgesehen. Dieses umfassende Verfahren sichert die Einhaltung aller rechtlichen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb dieser Anlagen. Dazu ist eine Vielzahl von Fachbehörden zu beteiligen. Die hohe Anzahl an Genehmigungsverfahren und die hohen Ansprüche an die Antragsunterlagen , erforderliche, öffentliche Erörterungstermine sowie zunehmende Anfragen durch Bürgerinitiativen , Anträge auf Akteneinsicht, Anträge nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz (HUIG) und zunehmende Klagen gegen Behördenentscheidungen erfordern einen hohen Zeitaufwand für die Bearbeitung der Verfahren. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass diese Verfahren im Außenbereich den Aufgabenbereich von weit mehr Fachbehörden berühren, als Anlagen im beplanten Innenbereich , d.h. in ausgewiesenen Industriegebieten. Zur Erfüllung der Anforderungen dieser Sachund Rechtsgebiete sind umfassende Prüfungen vorzunehmen und z.T. umfangreiche Gutachten zu beauftragen, um die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilen zu können. Allein die notwendigen avifaunistischen Erhebungen (z.B. der Flugrouten und der von Windkraft sensiblen Vögeln für die Nahrungssuche jeweils aufgesuchten Flächen) können im Einzelfall sehr zeitaufwendig sein. Dennoch wurden im Jahr 2014 83 WEA mit einer installierten Leistung von 211,7 MW in Betrieb genommen (Quellen: Anlagenregister der Bundesnetzagentur sowie EEG-Anlagenstammdaten der Übertragungsnetzbetreiber). In 2015 wurden nach vorläufigen Angaben 75 WEA mit einer installierten Leistung von 207,7 MW errichtet (Quelle: Deutsche WindGuard). In den vergangenen beiden Jahren gab es also wesentlich mehr Inbetriebnahmen von WEA als in der Vorbemerkung der Fragesteller genannt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Eingegangen am 27. April 2016 · Ausgegeben am 29. April 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3164 27. 04. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3164 Frage 1. Wie viele der Genehmigungsanträge liegen zum Bau von Windkraftanlagen zum Stand 15.12.2016 in den drei hessischen Genehmigungsbehörden vor? Der Stand der Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen für den in der Zukunft liegenden Termin 15.12.2016 kann von der Landesregierung nicht beantwortet werden. Derzeit befinden sich 95 Anträge für Windparks mit ein bis zehn Windenergieanlagen im Genehmigungsverfahren ; diese umfassen insgesamt 492 WEA. (Stand 1. März 2016, Daten entnommen dem Länderinformationssystem-Anlagen, geführt durch die Genehmigungsbehörden der Regierungspräsidien in Hessen.) Frage 2. Wie viele wurden in den Jahren 2014/2015 jeweils genehmigt/nicht genehmigt (nach Regierungspräsidien aufschlüsseln) werden in der Praxis tatsächlich genehmigt? 2014 2014 2015 2015 genehmigte WEA (inkl. Änderungsgenehmigungen und Vorbescheide) nicht genehmigte WEA (abgelehnte und zurückgenommene Anträge) genehmigte WEA (inkl. Änderungsgenehmigungen und Vorbescheide) nicht genehmigte WEA (abgelehnte und zurückgenommene Anträge) RP Darmstadt 44 21 7 3 RP Gießen 38 42 54 11 RP Kassel 29 11 50 20 Summe 111 74 111 34 Frage 3. Sind im Zuge des Bekenntnisses zur zentralen Aufgabe der Windkraftentwicklung (Regierungserklärung von Staatsminister Al-Wazir vom 14.07.2014) in den Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kassel spezielle Projektgruppen bei der zuständigen BImSch-Abteilung eingerichtet worden? In allen Regierungspräsidien sind spezielle Projektteams im Bereich der Genehmigung von Windenergieanlagen eingerichtet worden. Dabei handelt es sich um dezernatsübergreifende Teams der Abteilungen Umwelt der Regierungspräsidien, denen i.d.R. auch Vertreter des Fachbereichs Naturschutz sowie Juristen angehören. Weitere Behördenvertreter können bei Bedarf von den Projektteams herangezogen werden. Bei Windenergievorhaben im Regierungsbezirk Kassel findet standardmäßig eine gemeinsame Antragsberatung zusammen mit dem Naturschutzdezernat statt. Frage 4. Wie lange ist die durchschnittliche Genehmigungsdauer für BImSch-Anträge? a) Bei der Windenergie b) Bei sonstigen BImSch-Verfahren Zu Frage 4 a: In 2015 betrugen die durchschnittlichen Laufzeiten für Genehmigungsverfahren von WEA 5 Monate ab Vollständigkeit der Unterlagen bzw. 13,6 Monate ab Antragstellung. Zu Frage 4 b: Für 2015 betrug die durchschnittliche Dauer 3,3 Monate ab Vollständigkeit der Unterlagen und 8,9 Monate ab Antragstellung. Frage 5. Was sind die Gründe dafür, dass im laufendem Genehmigungsverfahren häufig weitere Gutachten und Auflagen nachgefordert werden? Die Gründe für Nachforderungen im laufenden Genehmigungsverfahren sind vielfältig. Häufig sind die Antragsunterlagen nicht ausreichend, um die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens einschätzen zu können. Aber auch neue Erkenntnisse z.B. über erstmalig gesichtete, geschützte Arten im Einwirkungsbereich der Anlagen, bei denen eine erhebliche Beeinträchtigung durch den Bau und/oder Betrieb der geplanten WEA nicht ausgeschlossen werden kann, Obergerichtsentscheidungen , die weitere Untersuchungen erforderlich machen oder berechtigte Einwände Dritter können zur Sicherstellung der Rechtskonformität der Anlagen weitere Unterlagen erforderlich machen. Frage 6. Welche Maßnahmen der Verwaltungsorganisation ergreift die oberste BImSch-Behörde im Umweltministerium zur Durchsetzung der Verfahrensbeschleunigung? Ressortübergreifend werden konfliktträchtige allgemeine Fragen im Zusammenhang mit der Genehmigung von Windenergieanlagen beraten und einer Lösung zugeführt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3164 3 Regelmäßige Treffen der Fachaufsicht für die Genehmigung und Überwachung von Windenergieanlagen des Umweltministeriums mit den für den Vollzug zuständigen nachgeordneten Behörden tragen darüber hinaus zur umfassenden Information der Behörden und Vereinheitlichung der Verfahren bei. Um das Verfahren auch für die Antragsteller transparent zu machen und die Qualität der Antragsunterlagen zu verbessern, wurden zwei Handbücher im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems erstellt. Vor allem die möglichst konkrete Beschreibung der notwendigen Antragsunterlagen in der "Anleitung zur Erstellung der Antragsunterlagen für Windenergieanlagen " soll zur Verfahrensbeschleunigung beitragen. Beide Handbücher sind auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) veröffentlicht. Den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Regierungspräsidien werden Fortbildungsveranstaltungen (z. B. zu Umweltverträglichkeitsprüfungen, Führung von Erörterungsterminen …) angeboten. Übergeordnete Probleme wie z.B. die seitens der Deutschen Flugsicherung und des Bundesamtes für Flugsicherung wiederholt vorgetragenen Bedenken, der von Windenergieanlagen im Anlagenschutzbereich von Funkfeuern ausgehenden erheblichen Störungen auf die Signalqualität der Funkfeuer oder der grundsätzlichen Vorgehensweise bei der Beurteilung von WEA im Bereich von Denkmälern werden durch Gespräche des Umweltministeriums mit den zuständigen Behörden wie dem Bundesamt für Flugsicherung bzw. dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst direkt angesprochen. Damit können viele Einzelgespräche mit den Regierungspräsidien vermieden werden und eine einheitliche Vorgehensweise wird gewährleistet. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung unterstützt u.a. durch die Bürgerforen Energieland Hessen Kommunen beim Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern rund um Planungen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Ziel ist es, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern die Energiewende vor Ort zu gestalten und gemeinsam nach konkreten Lösungen zu suchen. In Zusammenarbeit mit externen Experten werden darüber hinaus aktuelle Informationen zum Thema Windenergie zusammengestellt und veröffentlicht. So fand z.B. Ende 2014 ein Faktencheck Infraschall mit Unterstützung des Umweltministeriums statt. Frage 7. Wie kann die Genehmigungsbehörde gegenüber den Fachbehörden, wie zum Beispiel der Oberen Naturschutzbehörde (ONB), bei BImSch-Genehmigungsverfahren zur Windenergie ihr Letztentscheidungsrecht in der Verwaltungspraxis tatsächlich durchsetzen? Die seitens der Fachbehörden vorgelegten Stellungnahmen und vorgeschlagenen Nebenbestimmungen werden auf ihre Bestimmtheit, ihre rechtliche Begründetheit und auf mögliche Widersprüche im Verhältnis zu anderen Belangen hin überprüft. Mögliche Widersprüche werden im Gespräch mit den betroffenen Fachdezernaten bzw. Fachbehörden kurzfristig ausgeräumt. Kann in dem Gespräch keine einvernehmliche Lösung gefunden werden, so vollzieht sich die Entscheidungsfindung nach abgestimmten Kollisionsregeln, die im Verfahrenshandbuch für die Genehmigung von Windenergieanlagen für jedermann nachzulesen sind. Die Genehmigungsbehörde ist gehalten, im Fall einer sich im Nachhinein herausstellenden Rechtswidrigkeit einer ablehnenden Entscheidung etwaige Amtshaftungsansprüche von Antragstellerseite zu vermeiden. Stimmt die Verfahrensleitung nicht mit den Ausführungen überein und sieht weiteren Bedarf zur Sachverhaltsermittlung, ist eine ausführlichere, plausibel ergänzte und vertiefte Begründung von der beteiligten Behörde zu verlangen. Auf die Möglichkeit der Festlegung von Nebenbestimmungen ist die beteiligte Stelle hinzuweisen. Kann kein Konsens erzielt werden, kann sich die Verfahrensleitung über die negative Stellungnahme der Fachbehörde hinwegsetzen und eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen. Sie wird dies aber nur dann tun, wenn der Ablehnungsgrund rechtlich zweifelhaft ist und sie mit einer eigenen rechtlichen Begründung die Zulässigkeit des Vorhabens darstellen kann. Frage 8. Welche Maßnahmen der Behördenorganisation ergreift die oberste BImSch-Behörde, damit BImSch-Behörden in den Regierungspräsidien das gesetzlich gewollte Letztentscheidungsrecht in der Verwaltungspraxis auch tatsächlich ausüben können? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Die Regierungspräsidien unterstehen im Übrigen der Dienstaufsicht des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3164 Frage 9. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass alle BlmSch-Anträge, die 2016 eingereicht werden , rechtzeitig genehmigt werden, damit diese Anlagen noch unter das derzeitige EEG 2014 fallen? Im Februar 2016 setzte das HMUKLV dazu eine Clearingstelle im Umweltministerium ein. Sie soll bei bereits laufenden Verfahren zu einer schnelleren Klärung aufgetretener Probleme beitragen . So soll gewährleistet werden, dass möglichst viele Genehmigungsverfahren noch in diesem Jahr positiv abgeschlossen werden können. Dann können die Antragsteller übergangsweise noch von den bisherigen EEG-Förderregelungen profitieren. Wiesbaden, 12. April 2016 Priska Hinz