Kleine Anfrage der Abg. Schmitt, Decker, Geis, Hofmeyer, Kummer, Löber, Warnecke und Weiß (SPD) vom 01.03.2016 betreffend Bearbeitung hessischer Selbstanzeigen in NRW und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung der Fragesteller: Nach einer Pressemitteilung des Finanzministers vom 22. Februar 2016 gingen im Monat Januar in Hessen 52 Selbstanzeigen mit der Folge vorläufiger Mehrsteuern in Höhe von rund 1,6 Mio. € ein. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die generelle Anzahl der eingehenden Selbstanzeigen in der bundesweit vorgegebenen Strafsachenstatistik nicht erfasst wird. Die Parameter der Steuerstrafsachenstatistik sind auf strafrechtliche Abschlüsse ausgerichtet. Dementsprechend werden dort nur die aufgrund einer wirksamen Selbstanzeige nach § 170 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 371 AO eingestellten Steuerstrafverfahren abgebildet. Eine statistische Darstellung über die generelle Entwicklung des Eingangs von Selbstanzeigen ist insofern nicht möglich. Anders ist es jedoch im Fall von Groß- und Massenverfahren, die besondere statistische Aufzeichnungen erforderlich machen. Dementsprechend können hier zu den Selbstanzeigen, die Kapitalerträge aus der Schweiz beinhalten, Angaben gemacht werden, da hierzu in Hessen seit dem Beginn des Jahres 2010 gesonderte Aufzeichnungen geführt werden. (Nach-)Erklärungen von anderen Einkünften aus der Schweiz oder von Einkünften aus anderen Staaten (z.B. sog. Off-Shore-Anlagen) sind in dieser Statistik dagegen nicht enthalten. Ebenso kann diese Statistik keine Aussage treffen, ob die Selbstanzeigen zu einer Straffreiheit führten oder ob aufgrund einer erfolglosen Selbstanzeige eine strafrechtliche Ahndung erfolgte. Aus diesem Grund spricht die in den Vorbemerkungen genannte Pressemitteilung vom 22. Februar 2016 auch zutreffend von "Zahlen zu den eingegangenen Selbstanzeigen zu Kapitalanlagen in der Schweiz". Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hoch waren in den anderen Bundesländern im Januar 2016 die aufgrund von Selbstanzeigen festgelegten Steuermehreinnahmen? Diesbezügliche statistische Werte anderer Länder liegen dem Hessischen Ministerium der Finanzen nicht vor. Frage 2. Trifft es zu, dass in der Steuerverwaltung Nordrhein-Westfalens Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen damit beschäftigt sind, hessische Selbstanzeigen abzuarbeiten? Frage 3. Falls Frage 2. bejaht wird: a) Seit wann ist dies der Fall? b) Um wie viele Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen handelt es sich dabei? c) Aus welchen Gründen arbeitet die Steuerverwaltung in NRW an solchen, Hessen betreffenden Steuerfällen, und weshalb werden diese Fälle nicht von Hessen übernommen? Frage 4. Von wem ging die Initiative für diese Art Amtshilfe Nordrhein-Westfalens aus? Frage 5. Wie hoch waren die bisherigen Erlöse aus dieser "Zuarbeit", und welche Anteile davon flossen in die hessische Landeskasse? Eingegangen am 5. April 2016 · Ausgegeben am 7. April 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3186 05. 04. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3186 Frage 6. Was gedenkt die hessische Landesregierung zu tun, um diesen Zustand zu ändern und Hessen betreffende Steuerfälle auch in Hessen bearbeiten zu lassen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 bis 6 gemeinsam beantwortet. Dem Hessischen Ministerium der Finanzen ist kein Fall bekannt, in dem die Selbstanzeige eines hessischen Steuerbürgers, die bei einem hessischen Finanzamt eingegangen ist, zur abschließenden Bearbeitung dieser Selbstanzeige an die Steuerverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen abgegeben wurde. Zur allgemeinen Information führe ich noch Folgendes aus: Es ist indes möglich und rechtlich zulässig, dass Steuerstrafverfahren hessischer Bürger von einer Strafverfolgungsbehörde eines anderen Landes geführt werden. Dies ist bedingt durch die Zuständigkeitsregelungen der Strafprozessordnung (StPO). Nach § 7 StPO ist die Staatsanwaltschaft des Tatorts mit der Verfolgung der Straftat betraut. Nach § 8 StPO kann auch die Staatsanwaltschaft des Wohnsitzes des Täters die Straftat verfolgen. Nach § 9 StPO kann auch die Staatsanwaltschaft das Verfahren führen, in deren Bezirk der Fall zuerst aufgegriffen wurde. Sollten aufgrund dieser Vorschriften unterschiedliche Staatsanwaltschaften zuständig sein, gebührt derjenigen Staatsanwaltschaft gemäß § 12 StPO der Vorzug, die das Verfahren zuerst eröffnet hat. Sofern die Staatsanwaltschaft eines anderen Landes bereits ein Verfahren eingeleitet hat (z.B. aufgrund von Daten, die auf einer sog. Steuerdaten-CD enthalten waren), kann diese Staatsanwaltschaft auch die Verfahren gegen Steuerbürger führen, die in anderen Ländern die Tat begangen bzw. dort ihren Wohnsitz haben. Diese soeben beschriebenen Verfahren, die bereits in anderen Ländern eingeleitet wurden, sind jedoch deutlich zu unterscheiden von den Verfahren, die aufgrund von Selbstanzeigen eingeleitet wurden. Hier kann davon ausgegangen werden, dass der betreffende hessische Steuerbürger die Selbstanzeige bei dem für ihn zuständigen - mithin hessischen - Finanzamt einreicht, so dass das daraufhin eingeleitete Strafverfahren, in dessen Verlauf die Wirksamkeit der Selbstanzeige geprüft wird, von einer hessischen Strafverfolgungsbehörde geführt wird. Unabhängig von der Frage der örtlichen Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörde wird die verkürzte Steuersumme auf alle Fälle von der örtlich zuständigen hessischen Finanzbehörde festgesetzt und erhoben. Wiesbaden, 21. März 2016 Dr. Thomas Schäfer