Kleine Anfrage des Abg. Rentsch (FDP) vom 07.03.2016 betreffend Situation der Gerichtsvollzieher in Hessen und Antwort der Ministerin der Justiz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der im Jahre 2013 erfolgten Übertragung weiterer komplexer Aufgabenbereiche auf die im Gerichtsvollzieherdienst tätigen Beamtinnen und Beamten die derzeit praktizierte Ausbildung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern, insbesondere a) entspricht die Ausbildung den gestiegenen Anforderungen spätestens seit der Reform der Sachaufklärung, die zum 01.01.2013 eingeführt wurde? b) sieht die Landesregierung Handlungsbedarf im Bereich der Ausbildung und wenn ja, inwiefern ? Seit vielen Jahren bildet Hessen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in den fachtheoretischen Ausbildungsabschnitten im Ausbildungsverbund in der Nebenstelle des Ausbildungszentrums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen in Monschau erfolgreich aus. Dem Ausbildungsverbund gehören derzeit die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland an. Die Ausbildungsinhalte richten sich nach den Anforderungen, welche an die im Gerichtsvollzieherdienst tätigen Beamtinnen und Beamten zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben gestellt werden. Bei Bedarf wurden und werden ergänzende Fortbildungsmaßnahmen angeboten. Eine etwaige Verlängerung der fachtheoretischen Ausbildung wird derzeit im Ausbildungsverbund der vorgenannten Länder diskutiert. Da die übertragenen Aufgaben bislang keinen entsprechenden Schwierigkeitsgrad aufgewiesen haben, wird die Einrichtung eines Fachhochschulstudiengangs für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in Hessen nicht für angezeigt gehalten. Vielmehr erfordern die Tätigkeiten im Gerichtsvollzieherdienst eine vornehmlich praxisorientierte Ausbildung, die im Rahmen eines Fachhochschulstudiengangs nicht vermittelt werden könnte. Zudem würde ein Fachhochschulstudium die Zugehörigkeit zur Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes und insoweit eine Gleichstellung mit den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern begründen, was hinsichtlich der wahrzunehmenden Tätigkeiten nicht überzeugend erscheint. Frage 2. Erachtet die Landesregierung die derzeitige besoldungsmäßige Einstufung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher im Hinblick auf die von diesen zu bewältigenden Aufgaben - insbesondere im Vergleich zu anderen im Bereich der Justiz tätigen Berufsgruppen - als amtsangemessen ? Nach Durchführung einer Länderumfrage zur besoldungsmäßigen Einstufung des Gerichtsvollzieherdienstes lässt sich feststellen, dass die Ämter des Gerichtsvollzieherdienstes grundsätzlich den Besoldungsgruppen A 8, A 9 sowie A 9 mit Amtszulage zugeordnet sind. Lediglich in Bayern ist anstelle der Amtszulage zu Besoldungsgruppe A 9 das Spitzenamt der Besoldungsgruppe A 10 zugeordnet. Die Differenz zwischen der Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage und Besoldungsgruppe A 10 entspricht in Hessen in der Endstufe einem monatlichen Betrag in Höhe von rund 110 € brutto. Die besoldungsmäßige Einstufung des Gerichtsvollzieherdienstes in Hessen wird sowohl im Ländervergleich als auch im Hinblick darauf, dass dem mittleren Dienst eine Weiterqualifizierungsmöglichkeit zum Gerichtsvollzieher erhalten bleiben soll und die Aufgaben des Gerichts- Eingegangen am 11. April 2016 · Ausgegeben am 14. April 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3205 11. 04. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3205 vollzieherdienstes trotz der gestiegenen Anforderungen nicht vergleichbar mit den Aufgaben des Rechtspflegerdienstes sind, als angemessen angesehen. Frage 3. Wie viele Stellen im Gerichtsvollzieherdienst gab bzw. gibt es in Hessen jeweils in den Jahren 2010 bis 2016 und wie viele Stellen waren bzw. sind jeweils unbesetzt geblieben? Die Zahl der gemäß Haushaltsplan vorhandenen Planstellen im Gerichtsvollzieherdienst sowie die Zahl der mit im Gerichtsvollzieherdienst tätigen Beamtinnen und Beamten besetzten Stellen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Jahr Planstellen des Gerichtsvollzieherdienstes Planmäßige sowie beauftragte Gerichtsvollzieher/innen (Arbeitskraftanteile) 2010 303 336,92 2011 303 326,09 2012 303 325,88 2013 301 311,13 2014 301 318,04 2015 295 308,29 2016 290 304,44 Soweit die Zahl der Arbeitskraftanteile der im Gerichtsvollzieherdienst tätigen Beamtinnen und Beamten regelmäßig die Zahl der Planstellen übersteigt, beruht dies auf dem Einsatz von beauftragten Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern. Bei beauftragten Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern handelt es sich um Beamtinnen und Beamten des allgemeinen mittleren Justizdienstes, die den Vorbereitungsdienst zur Gerichtsvollzieherin /zum Gerichtsvollzieher erfolgreich durchlaufen haben und mit Dienstleistungsauftrag im Gerichtsvollzieherdienst tätig sind. Gemäß der Ausbildungs- und Prüfungsordnung soll die Ernennung zur Gerichtsvollzieherin/zum Gerichtsvollzieher - dann verbunden mit der Einweisung in eine Planstelle des Gerichtsvollzieherdienstes - erst erfolgen, wenn die Beamtin oder der Beamte nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes mindestens zwei Jahre im Gerichtsvollzieherdienst selbstständig tätig gewesen ist und sich bewährt hat. Frage 4. Gibt es im Lande Hessen eine genügende Anzahl von Bewerbern aus dem mittleren Justizdienst als auch aus dem Bereich der Justizfachangestellten, um ausgeschriebene Stellen im Gerichtsvollzieherdienst des Landes Hessen mit Beamten zu besetzen, welche über eine für dieses mit besonderen Herausforderungen versehene Tätigkeitsfeld erforderliche Eignung verfügen? Bisher war es möglich, den Personalbedarf aus den Bewerberinnen und Bewerbern des mittleren Justizdienstes und aus dem Bereich der Justizfachangestellten zu decken. Die ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber verfügten bzw. verfügen prognostisch über die für den Gerichtsvollzieherdienst erforderliche Eignung. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung bezüglich der künftigen Gewinnung geeigneter Bewerber für den Gerichtsvollzieherdienst? Aufgrund der in den letzten Jahren zu beobachtenden Entwicklung der Bewerberzahlen bestehen Überlegungen, den Gerichtsvollzieherdienst gegebenenfalls für weitere Bewerberkreise zu öffnen . Insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Frage 6. Derzeit existiert für die im Lande Hessen im Bereich des Gerichtsvollzieherdienstes beschäftigten Beamten keinerlei Grundlage für eine tragfähige Berechnung eines Arbeitspensums. Wird vor diesem Hintergrund die im Freistaat Bayern im Jahre 2014 durchgeführte valide Bemessung eines GV-Pensums auf die in Hessen tätigen Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen angewandt ? Wenn nein, weshalb nicht? Die im Freistaat Bayern durchgeführte Bemessung eines Gerichtsvollzieherpensums wird in Hessen nicht angewandt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3205 3 Bundesweit wurde der Personalbedarf an Gerichtsvollziehern in den Bundesländern in der Vergangenheit auf Grundlage des "Bad Nauheimer Pensenschlüssels" für Gerichtsvollzieher ermittelt . Insbesondere infolge des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung , das zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, ergab sich ein Bedarf zur Anpassung /Fortschreibung des Bad Nauheimer Pensenschlüssels. Die Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung hat hierzu die Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz Niedersachsens beschlossen, die über die Notwendigkeit und den Umfang der Fortschreibung des Bad Nauheimer Pensenschlüssels befinden soll. Hessen ist an dieser Arbeitsgruppe beteiligt. Ein abschließendes Ergebnis der Arbeitsgruppe liegt noch nicht vor. Mit den Ergebnissen der bayerischen Erhebung setzt sich die Arbeitsgruppe auseinander und prüft deren Anwendbarkeit auf andere Bundesländer. Die Beurteilung dieser Anwendbarkeit setzt unter anderem voraus, dass die für die Berechnung der Gerichtsvollzieherpensen notwendigen statistischen Bezugsgrößen in allen Ländern gleich ermittelt werden. Dies macht eine Vereinheitlichung der Zählweisen der Dienstregister I und II der Gerichtsvollzieher erforderlich, die derzeit zwischen den Bundesländern abgestimmt wird. Zwischenzeitlich hat auch in Baden-Württemberg eine Organisationsuntersuchung zur Personalsituation der Gerichtsvollzieher stattgefunden, die auf Baden-Württemberg beschränkt war. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich hinsichtlich der Frage, ob eine Übertragbarkeit bzw. Anwendbarkeit der Ergebnisse auf die übrigen Bundesländer möglich ist, auch mit den Ergebnissen dieser Untersuchung. Frage 7. Welche Maßnahmen sind von Seiten der Justizverwaltung beabsichtigt, um in Hessen zu einem einheitlichen Bemessungsschlüssel zu kommen? Es ist beabsichtigt, die Ergebnisse der in der Beantwortung zu Frage 6. genannten Arbeitsgruppe zugrunde zu legen, um zu einem einheitlichen Bemessungsschlüssel zu kommen, sobald ein entsprechender Beschluss der Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung getroffen wurde. Frage 8. Wie bewertet die Landesregierung, dass das Land Baden-Württemberg nunmehr einen juristischen Studiengang Gerichtsvollzieher/in anbietet? Soweit hier bekannt, soll der Studiengang Gerichtsvollzieher/in (LL.B.) an der Fachhoch-schule Schwetzingen erstmals ab 1. September 2016 angeboten werden. Nähere Erkenntnisse hierzu liegen der Hessischen Landesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 1 ergänzend Bezug genommen. Wiesbaden, 4. April 2016 In Vertretung: Thomas Metz