Kleine Anfrage der Abg. Greilich, Hahn, Rentsch und Rock (FDP) vom 08.04.2014 betreffend Kinder- und Jugendschutz - Maßnahmen gegen Cyber-Mobbing und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung der Fragesteller: Ein in den letzten Jahren zunehmendes Problem stellen Mobbingangriffe im Internet dar, die gegen Kinder und Jugendliche gerichtet sind und von Kindern und Jugendlichen begangen werden. Diese als Cybermobbing bekannte Form des Mobbings findet überwiegend in den sozialen Netzwerken des Internets statt, aber auch über andere moderne Kommunikationsmittel. Die Opfer von Cybermobbing sind meist Schülerinnen und Schüler, die über eine Internet-Plattform beleidigt, verletzt und bedroht werden. Die Opfer können sich diesen Angriffen nicht entziehen, haben keinen Schutzraum mehr und nehmen dabei psychischen , gelegentlich auch physischen Schaden. Opfer und Täter kennen sich in der Regel persönlich aus der Schule oder dem Freundeskreis. Die Gründe auf Seiten der Täter sind vielfältig, die Auswirkungen auf die Opfer gravierend. Im Mai 2013 erschien eine Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing e.V. unter dem Titel "Cyberlife - Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr - Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern". Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass etwa ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler schon einmal Opfer solcher Mobbingangriffe war. Deshalb werden Prävention, Aufklärung, Hilfsangebote und geeignete Maßnahmen immer wichtiger, um dem Phänomen wirksam begegnen zu können. Die Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport und dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Schülerinnen und Schüler in Hessen in den letzten 5 Jahren, nach Jahren aufgeschlüsselt, Opfer von Cybermobbing wurden? Da eine Abgrenzung von Vorfällen hinsichtlich der Frage, ob es sich um (Cyber-) Mobbing handelt oder nicht, z.T. sehr schwierig zu treffen ist und jeder Fall sich individuell sehr unterschiedlich darstellt, sind Vorfälle von Cybermobbing an hessischen Schulen nicht systematisch erfasst, so dass auch keine Erkenntnisse über Fallzahlen vorliegen. Frage 2. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob es eine bestimmte Gruppe von Schülerinnen oder Schülern gibt, die alters- oder geschlechtsspezifisch besonders von Cybermobbing betroffen ist? Informationen hierzu liefern bisher nur unterschiedliche Studien, die zeigen, dass 14- bis 17-Jährige (ca. Jahrgangsstufen 7 bis 10) besonders betroffen sind. Grundsätzlich tritt Mobbing aber in allen Altersstufen auf. Auffällig ist, dass Mädchen und junge Frauen weitaus häufiger Opfer von Mobbingattacken sind. Die JIM-Studie 2013 (Jugend, Information und (Multi-) Media ), wird seit 1998 im Jahresrhythmus herausgebracht und erhebt die Mediennutzung von Jugendlichen ) berichtet beispielsweise von 9 % Mädchen und 5 % Jungen als betroffenen Cybermobbing -Opfern, was mit dem unterschiedlichen medialen Nutzungsverhalten zusammenhängen könnte. Während Mädchen und junge Frauen Online-Communities bzw. Soziale Netzwerke bevorzugen , konsumieren Jungen und junge Männer deutlich mehr Computer-, Konsolen- oder Onlinespiele (vgl. JIM-Studie 2013). Eingegangen am 18. Juni 2014 · Ausgegeben am 24. Juni 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/321 18. 06. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/321 Frage 3. Sind der Landesregierung besonders gravierende Fälle von Cybermobbing bekannt, bei der ein Opfer beispielsweise die Schule wechseln musste oder schwerwiegend erkrankte? Der Landesregierung sind einzelne Fälle bekannt, bei denen teilweise schwere psychische Probleme auftraten, auf die aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht näher eingegangen werden kann. In der Beratung wird darauf geachtet, dass dem Wohl der Betroffenen höchste Priorität eingeräumt wird. Frage 4. Gibt es bereits Maßnahmen seitens der Landesregierung, um diesem Phänomen an hessischen Schulen zu begegnen? Wenn ja, welche? Wenn nein, sieht die hessische Landesregierung Handlungsbedarf in dieser Hinsicht? Die Landesregierung hat eine Vielzahl spezifischer Projekte bzw. Initiativen umgesetzt, die verstärkt Gegenstand der Präventionsarbeit im Bereich "Jugendmedienschutz" sind. Allen hessischen Schulen wurde die speziell entwickelte Broschüre "Mobbing - Ein Wegweiser zur Mobbingprävention und Mobbingintervention in Hessen" zur Verfügung gestellt. Die Broschüre wurde vom Netzwerk gegen Gewalt (NgG) in Kooperation mit dem Projekt "Gewaltprävention und Demokratielernen" (GuD), der Schulmediation Hessen und dem Stadtjugendamt Frankfurt erarbeitet. Sie dient als Wegweiser für Schulleitungen, Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte und Eltern, gibt Orientierung für angemessenes Verhalten bei Mobbingfällen (auch Cybermobbing) und enthält Informationen über Unterstützungs- und Fortbildungsangebote in Hessen. Im Bereich des Jugendmedienschutzes erhalten Schulleitungen gezielte Informationen zum Umgang mit Cybermobbing und anderen Phänomenen im Zusammenhang mit digitalen Medien. Für Lehrkräfte wie auch Eltern gibt es regional vielfältige Informations- und Fortbildungsveranstaltungen . Landesweit werden derzeit 100 Jugendmedienschutzberaterinnen und -berater für Schulen ausgebildet. Sie sollen an ihren Schulen im Bereich des Jugendmedienschutzes die Schulleitung und das Kollegium beraten, Fortbildungen organisieren und Informationsveranstaltungen für Eltern anbieten sowie gegebenenfalls auch benachbarte Schulen unterstützen. Darüber hinaus besteht für alle hessischen Lehrkräfte die Möglichkeit einer kostenlosen OnlineFortbildung zum Jugendmedienschutz bei dem Virtuellen Zentrum für Lehrerbildung (VLZ) der Universität Marburg auf der Grundlage einer Kooperation mit dem Landesschulamt und Lehrkräfteakademie . Direkt für Schülerinnen und Schüler gibt es außerdem regionale Präventionsangebote wie das Frankfurter Projekt "Digitale Helden" oder die "Medienscouts" im Raum Wiesbaden und Rheingau-Taunus-Kreis, die alle einen sogenannten Peer-to-Peer-Ansatz verfolgen, indem Schülerinnen und Schüler zu Multiplikatoren ausgebildet werden, um ihre Altersgenossen zum Thema Jugendmedienschutz und in diesem Rahmen besonders auch zum Umgang mit Cybermobbing zu informieren und zu unterstützen. Ferner bietet der Webauftritt zum Jugendmedienschutz auf dem Hessischen Bildungsserver aktuelle Informationen, Materialien, Fortbildungsangebote und eine Linksammlung für Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler an. Der Bereich für Schülerinnen und Schüler sieht u.a. Notfalladressen und Informationsmaterial, das speziell für Kinder und Jugendliche geeignet ist, vor. Für Eltern stehen Informationen, Linktipps und abrufbare Informationsbroschüren, auch in mehreren Sprachen, zur Verfügung. Die Seite für Lehrkräfte stellt neben Unterrichtshilfen auch Meldestellen, kindgerechte Internetseiten, die Rechtslage sowie Schutzmöglichkeiten in der Schule vor. Das Thema Cybermobbing findet zudem in der Präventionsarbeit der Polizei Berücksichtigung. Die Jugendkoordinatoren in den Polizeibehörden greifen die Thematik in ihren Vorträgen auf und sensibilisieren im Hinblick auf die möglichen Straftatbestände. Zielgruppen sind vorwiegend Eltern und Lehrerinnen und Lehrer. Bei konkreten Anlässen können aber auch Schülerinnen und Schüler zur Zielgruppe gehören. Dazu wurde das NgG, ein interministerielles Präventionsprojekt der Landesregierung, gebildet. Das NgG hat Lehrkräfte, Eltern, Polizeibeamte sowie Vertreter anderer Institutionen ausgebildet , die als Multiplikator arbeiten und Vorträge, Workshops sowie Elternabende im Bereich des Jugendmedienschutzes anbieten. Die Website www.medienkompetenz-hessen.de des Netzwerks gegen Gewalt stellt Informationen, Arbeitsmaterialien und praktische Tipps für den Umgang mit Medien zur Verfügung. Landesweit führte das Netzwerk gegen Gewalt viele berufsübergreifende Fachtagungen durch bzw. beteiligte sich. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/321 3 Frage 5. Gibt es vonseiten der Schulen in Hessen Maßnahmen, um Schülerinnen und Schüler vor Cybermobbing zu schützen? Die hessischen Schulen sind nach ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag grundsätzlich verpflichtet dafür Sorge zu tragen, jegliche Form der Ausgrenzung sowie verbale und non-verbale Gewalt zwischen Schülerinnen und Schülern zu verhindern und für deren seelische und körperliche Unversehrtheit zu sorgen. Die Schulen entwickeln zur Verwirklichung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags ihr eigenes pädagogisches Konzept und planen und gestalten den Unterricht und seine Organisation selbstständig (vgl. § 3 Abs. 5 iVm. §§ 127, 127b HSchG). Um die Schulen speziell im Umgang mit Mobbing und Cybermobbing zu unterstützen, werden von Seiten des Kultusministeriums vielfältige Unterstützungs- und Beratungsangebote initiiert und angeboten . Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Frage 6. Unterstützt die Landesregierung Aktivitäten von Schulen, Institutionen, Vereinen oder engagier- ten Gruppen? In jedem Staatlichen Schulamt steht derzeit aus dem Kreis der Schulpsychologen oder der Fachberater für Medienbildung ein Ansprechpartner für den Jugendmedienschutz bereit. Zudem ist seit 2010 ein Landeskoordinator für Jugendmedienschutz eingesetzt. Die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zum Jugendmedienschutz werden durch das Sachgebiet Medien im Landesschulamt und Lehrkräfteakademie koordiniert und die Teilnehmenden zu Multiplikatoren für Schulen ausgebildet. Von Seiten des Kultusministeriums werden im gewaltpräventiven bzw. medienpädagogischen Bereich gezielt externe Kooperationspartner unterstützt, die u.a. die Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften stärken. Die Landesanstalt für Privaten Rundfunk und neue Medien (LPR) in Hessen initiiert, fördert und realisiert medienpädagogische Projekte und Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz im Sinne des präventiven Jugendmedienschutzes. Auch Lehrkräfte und Eltern werden für die Möglichkeiten und Gefahren der Medienwelt sensibilisiert und zu einer souveränen Einbindung der Medien in ihre Arbeit angeleitet. Die vielfältigen Projektangebote für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler werden ausführlich auf der Homepage der LPR Hessen beschrieben. Im Schuljahr 2013/14 startete beispielsweise das Kooperationsprojekt "Internet-ABC Grundschule ", das die Grundregeln im Umgang mit dem Internet vermittelt. In der Reihe "Schule des Hörens und Sehens" ist im Herbst 2013 die DVD "Grenzen der Medienfreiheit - Jugendmedienschutz als Thema im Unterricht" erschienen, die kostenfrei bei der LPR Hessen bestellt werden kann. Der Hessische Rundfunk (hr) bietet vielfältige Medien, Projekte und Materialien für Eltern, Jugendliche und Lehrkräfte zu Themen des Jugendmedienschutzes an. Besonders sind zu nennen: Wissens- und Bildungsthemen aus Radio und Fernsehen (u.a. Die Macht der Medien, Der Preis des Kostenlosen, Digital Umwölkt) sowie das Funkkolleg "Wirklichkeit 2.0 - Medienkultur im digitalen Zeitalter": Chancen und Risiken sozialer Netzwerke; richtiges Verhalten im Netz; Persönlichkeitsbildung und Suchtphänomene; digitale Geschäftsmodelle, politische Willensbildung im Netz. Das Kultusministerium unterstützt zudem das Projekt "Cool and Safe" (CaS) des Vereins SMOG e.V. CaS ist ein webbasiertes, interaktives und gewaltpräventives Trainingsprogramm, das Grundschulkindern Handlungsoptionen anbietet, um sie vor Übergriffen zu schützen und sie im Hinblick auf Gefahren - auch im Internet - zu sensibilisieren. Dieses Angebot wird in hessischen Grundschulen umgesetzt. Ferner hat das Kultusministerium gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse (TK) die Initiative "Mobbingfreie Schule - gemeinsam Klasse sein!" ins Leben gerufen. Zudem wird erneut auf die Unterstützung der regionalen Präventionsangebote wie des Frankfurter Projekts "Digitale Helden" oder der "Medienscouts" im Raum Wiesbaden und RheingauTaunus -Kreis und die Antwort zu Frage 4 hingewiesen. Frage 7. Welche präventiven Maßnahmen sind der Landesregierung bekannt? Neben den zahlreichen Angeboten des Kultusministeriums und des "Netzwerks gegen Gewalt" gibt es vielseitige und weitreichende Angebote und Maßnahmen kommunaler und freier Träger sowie Bildungseinrichtungen. Beispielhaft dafür sind das Institut für Medienpädagogik und Kommunikation (MUK), die Landeszentrale für Privaten Rundfunk (LPR) und das Netzwerk Medienpädagogik Rhein-Main. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/321 Für die im Jugendschutz tätigen Personen ist der Problemkomplex Cybermobbing bereits mehrfach zentrales Thema der regelmäßig stattfindenden Hessischen Jugendschutz-Meetings (Kooperationsveranstaltung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, der Stadt Frankfurt und der Polizei) gewesen. Es wird zudem erneut auf die Antworten zu Frage 4, 5 und 6 verwiesen. Frage 8. Gibt es in Hessen Anlaufstellen für Cybermobbing-Opfer? Wenn nein, plant die Landesregierung solche Anlaufstellen einzurichten? Als unmittelbare Ansprechpartner für betroffene Schülerinnen und Schüler stehen die Lehrkräfte vor Ort zur Verfügung. Sollte der Beratungsbedarf über die Unterstützung durch Lehrkräfte und Sozialpädagogen an den jeweiligen Schulen hinausgehen, gelten u.a. die Schulpsychologen an den 15 Staatlichen Schulämtern als Ansprechpartner. Des Weiteren gibt es in Hessen vielseitige und differenzierte Anlaufstellen für Opfer von Mobbing (Vgl. Hilfe, Beratung und Adressen aus "Mobbing - Ein Wegweiser zur Mobbingprävention und Mobbingintervention in Hessen", S. 17 bis 34). Beispielhaft seien hier die hessenweit tätigen Beratungsstellen Pro Familia, die Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR), das Institut für Medienpädagogik und Kommunikation/Landesfilmdienst Hessen e.V. und die Kinder- und Jugendhilfe genannt. Bei Anzeichen einer strafbaren Handlung besteht zudem immer die Möglichkeit, die zuständige Polizeidienststelle einzuschalten. Frage 9. Welche Hilfsangebote gibt es in Hessen für Betroffene? Es wird auf die vielfältigen Maßnahmen und Angebote in den Antworten auf Frage 4, 5, 6, 7 und 8 verwiesen. Wiesbaden, 10. Juni 2014 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz