Kleine Anfrage des Abg. Dr. h.c. Hahn (FDP) vom 22.03.2016 betreffend Kontenabfragen durch hessische Behörden und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: Nach diversen Medienberichten (u.a. Handelsblatt vom 10. Februar 2016 "Gläserne Bürger - Staat prüft so viele Konten wie nie") haben Finanzämter, Jobcenter und Gerichtsvollzieher mehr als 300.000 Kontenabfragen im Jahr 2015 durchgeführt, was einer Steigerung von 31 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 entspricht. Angesichts dieser Entwicklung bezeichnete die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) in der Ausgabe der Stuttgarter Nachrichten vom 10. Februar 2016 die Praxis der Behörden bei den Kontenabrufverfahren als "ein hervorragendes Beispiel für das sogenannte Honigtopfprinzip": Einmal erteilte hoheitliche Zugriffsbefugnisse auf personenbezogene Daten würden auf einen immer weiteren Kreis von Zugriffsberechtigten ausgedehnt. Gleichzeitig entferne sich oftmals auch die Verwendung der abgefragten Daten immer weiter von dem eigentlichen Zweck, für den der Zugriff originär eingerichtet wurde. Bereits mit der Kleinen Anfrage Drucks. 19/414, auf die hiermit Bezug genommen wird, hat der Fragesteller die Kontenabfragen durch hessische Behörden im Jahr 2013 sowie im 1. Quartal 2014 abgefragt. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz und dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie viele Kontenabfragen hessischer öffentlicher Stellen gab es in den Jahren 2014, 2015 und im 1. Quartal 2016? Bitte nach Kontenabrufen für steuerliche bzw. außersteuerliche Zwecke sowie nach abrufender Behörde aufschlüsseln. In 2014 wurden von hessischen öffentlichen Stellen insgesamt 22.065 Kontenabrufe durchgeführt . Davon entfielen 7.907 Kontenabrufe auf § 93 Abs. 7 AO und 14.158 Kontenabrufe auf § 93 Abs. 8 AO. In 2015 führte die Verwaltung insgesamt 28.262 Kontenabrufe durch, davon 10.346 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 AO und 17.916 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 8 AO. Für 2016 liegen bisher die Zahlen für Januar bis Mai vor. In diesem Zeitraum gab es 8.981 Kontenabrufe, 4.130 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 AO und 4.851 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 8 AO. Die genaue Aufschlüsselung ergibt sich aus der beigefügten Tabelle. Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 AO werden ausschließlich von den Finanzämtern veranlasst. Auf eine Anfrage bei den Kommunalen Spitzenverbänden bezüglich deren Abrufen haben sowohl der Hessische Landkreistag als auch der Hessische Städtetag erklärt, eine entsprechende Abfrage sei bei ihren Mitgliedern in dem vorgegebenen Zeitrahmen als nicht durchführbar anzusehen . Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat folgende Zahlen mitgeteilt: Im Jahr 2014 2 Kontoabfragen außersteuerliche Zwecke Im Jahr 2015 1 Kontoabfrage außersteuerliche Zwecke 1. Quartal 2016 keine Kontoabfrage Eingegangen am 24. August 2016 · Bearbeitet am 25. August 2016 · Ausgegeben am 3. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3249 24. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3249 Im Jahr 2014 sind 12.614 Drittstellenauskünfte und im Jahr 2015 16.533 Drittstellenauskünfte nach §§ 93b, 93 Abs. 8 Satz 2 AO i.V.m. 802l Abs. 1 Nr. 2 ZPO beim Bundeszentralamt für Steuern verlasst worden. Im ersten Quartal 2016 erfolgten 4.713 Drittstellenauskünfte nach §§ 93b, 93 Abs. 8 Satz 2 AO i.V. m. 802l Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wobei die Zahlen von drei längerfristig erkrankten Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern noch nicht berücksichtigt werden konnten. Die Aufschlüsselung nach abrufender Behörde bitte ich den beigefügten Zusammenstellungen in den Tabellen zu entnehmen. Frage 2. In der Antwort der Landesregierung auf Frage 3 der Drucks. 19/414 weist die Landesregierung auf den Bericht der Bundesregierung an den Bundestag bzgl. der Auswertung der Kontenabfragen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) hin. Dieser Bericht (BT-Drucks. 18/7700) liegt dem Bundestag seit 25. Februar 2016 vor. a) Wie stellt sich die Auswertung der Einführung des Kontenabrufverfahrens nach dem UVG aus Sicht der Landesregierung für Hessen dar? Bitte insbesondere die Zahlen der Kontenabrufe seit 1. Juli 2013 ausweisen. b) Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus den erhobenen Zahlen bzgl. Kontenabfragen nach dem UVG? Die Unterhaltsvorschussstellen haben hohe Trefferzahlen und erreichen deutliche Rückgriffserfolge , die ohne das Kontenabrufverfahren nicht möglich wären. In den Unterhaltsvorschussstellen ist eine große Akzeptanz und sorgfältige Anwendung zu verzeichnen. Im Ergebnis ist das Kontenabrufverfahren für die Unterhaltsvorschussstellen nach seiner erfolgreichen Einführung ein wichtiger Beitrag dafür, dass die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen zusätzliche Rückgriffseinnahmen erzielen, die Unterhaltsvorschussstellen Fälle einfacher und schneller bearbeiten können und Kindern und ihren alleinerziehenden Elternteilen bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen geholfen wird. Für den Berichtszeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2013 liegen folgende Daten vor: Absolute Zahl der Kontenabrufe: 148. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtszeitraum Daten nach § 24c Abs. 1 Kreditwesengesetz gefunden wurden: 111. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtzeitraum eine Kontonummer gefunden wurde, die vorher nicht bekannt war: 99. Fälle, in denen im Berichtszeitraum ein Rückgriffserfolg erzielt werden konnte, weil durch einen vorangegangenen Kontenabruf der UV-Stelle ein Konto gefunden wurde: 22. Für den Berichtszeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 liegen folgende Daten vor: Absolute Zahl der Kontenabrufe: 629. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtszeitraum Daten nach § 24c Abs. 1 Kreditwesengesetz gefunden wurden: 520. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtzeitraum eine Kontonummer gefunden wurde, die vorher nicht bekannt war: 495. Fälle, in denen im Berichtszeitraum ein Rückgriffserfolg erzielt werden konnte, weil durch einen vorangegangenen Kontenabruf der UV-Stelle ein Konto gefunden wurde: 45. Für den Berichtszeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 liegen folgende Daten vor: Absolute Zahl der Kontenabrufe: 497. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtszeitraum Daten nach § 24c Abs. 1 Kreditwesengesetz gefunden wurden: 330. Anzahl der Fälle, in denen im Berichtzeitraum eine Kontonummer gefunden wurde, die vorher nicht bekannt war: 308. Fälle, in denen im Berichtszeitraum ein Rückgriffserfolg erzielt werden konnte, weil durch einen vorangegangenen Kontenabruf der UV-Stelle ein Konto gefunden wurde:39. Zu Frage 2 b: Der Unterhaltsvorschuss sichert nicht nur durch die tatsächliche Zahlung der Leistung einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität, sondern auch dadurch, dass er durch den Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3249 3 Rückgriff nach § 7 UVG die Unterhaltsschuldnerinnen und -schuldner möglichst dazu anhält, langfristig Unterhalt für ihre Kinder zu zahlen. Dies hilft alleinerziehenden Elternteilen und ihren Kindern. Das Kontenabrufverfahren dient der weiteren Verbesserung des Rückgriffs. Die bisher erhobenen Daten zeigen, dass die Unterhaltsvorschussstellen deutliche Rückgriffserfolge verzeichnen können. Bereits angekündigte Kontenabrufverfahren fördern die Kooperationsbereitschaft und die "Zahlungsmoral" der unterhaltspflichtigen Elternteile, so dass Kontenabrufverfahren im Anschluss teilweise nicht einmal mehr durchgeführt werden müssen. Jede Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zeigt, dass sich unterhaltspflichtige Elternteile nicht ihren Pflichten gegenüber ihren Kindern entziehen dürfen und können. Die Nichtzahlung von Unterhalt gegenüber Kindern ist kein Kavaliersdelikt. Frage 3. Sind der Landesregierung seit der letzten Abfrage in der Kleinen Anfrage Drucks. 19/414 Fälle in Hessen bekannt geworden, in denen ordnungsgemäße Begründungen für den Kontenabruf gefehlt haben, Kontenabrufe ohne konkreten Anlass erfolgt sind, Betroffene auf die Möglichkeit des Kontenabrufs nicht vorab hingewiesen und/oder über dessen Durchführung nicht im Nachhinein benachrichtigt wurden? Falls ja, bitte die Fallzahlen nach Behörden aufgeschlüsselt angeben. Fälle, in denen keine ordnungsgemäße Begründung für den Kontenabruf vorgelegen hat, Kontenabrufe ohne konkreten Anlass erfolgt sind oder Betroffene auf die Möglichkeit des Kontenabrufs nicht vorab hingewiesen bzw. über die Durchführung nicht im Nachhinein benachrichtigt wurden, sind der Landesregierung auch seit der letzten Abfrage in der Kleinen Anfrage 19/414 im Finanzressort nicht bekannt geworden. Frage 4. Sieht die Landesregierung angesichts der erheblichen Anzahl der Kontenabfragen noch gewährleistet , dass die laut Gesetz notwendige, ordnungsgemäße Begründung im Einzelfall für den konkreten Kontoabruf vorliegt und keine Kontenabrufe ohne konkreten Anlass standardmäßig erfolgen ? Frage 5. Wie gewährleistet die Landesregierung, dass angesichts der Vielzahl der Fälle die Hinweis- und Benachrichtigungspflichten durch die öffentlichen Stellen eingehalten werden? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4. und 5. gemeinsam beantwortet. Für das Finanzressort gelten weiterhin die Ausführungen zu Frage 5 der Kleinen Anfrage 19/414: "Das von der OFD Frankfurt verfügte Verfahren zum Kontenabruf für die hessischen Finanzämter sieht vor, dass die angestellten Ermessensabwägungen für die Durchführung eines Kontenabrufs in einem gesonderten Aktenvermerk zu dokumentieren sind. In diesem Aktenvermerk haben die Bearbeiter detailliert die Erforderlichkeit des Kontenabrufs darzulegen. Außerdem sind Angaben darüber zu machen, ob der/die Betroffene auf die Möglichkeit des Kontenabrufs hingewiesen wurde bzw. aus welchen Gründen von einer Anhörung abgesehen wurde. Soweit ein Kontenabruf in der Vollstreckungsstelle durchgeführt wird, erfolgt ein Hinweis auf die Möglichkeit der Durchführung des Kontenabrufs bereits in der Zahlungserinnerung. Die Erforderlichkeit des Kontenabrufs ist zudem vom Hauptsachgebietsleiter Abgabenordnung durch abschließende Zeichnung des Aktenvermerks sowie die Zeichnung des Kontenabrufersuchens zu bestätigen. Überdies bestehen zum Thema Kontenabruf ausführliche Dienstanweisungen, die das Verfahren und die Voraussetzungen zur Durchführung eines Kontenabrufs beschreiben und auch die Hinweis - und Benachrichtigungspflichten der Finanzämter darlegen. Neue Bearbeiter, insbesondere im Bereich der Vollstreckung, werden auf zentralen Fortbildungen regelmäßig zum Thema des Kontenabrufs geschult." Lediglich das Zeichnungsrecht für die Veranlassung des Kontenabrufs ist zwischenzeitlich vom Hauptsachgebietsleiter Abgabenordnung auf den zuständigen Sachgebietsleiter der veranlassenden Stelle übergegangen. Hintergrund ist, dass das Kontenabrufverfahren ein inzwischen etabliertes Verfahren ist und der zuständige Sachgebietsleiter die genauere Einzelfallkenntnis hat. Wiesbaden, 15. August 2016 Dr. Thomas Schäfer Anlage Anlage KA 19/3249 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 7 AO Veranlagung Vollstreckung Außenprüfung Keine Angabe Gesamt 2014 3 7.792 23 89 7.907 2015 1 10.247 8 90 10.346 01 bis 05/2016 0 4.070 5 55 4.130 Kontenabrufe nach § 93 Abs. 8 AO ALG II Sozialhilfe BAFöG Wohngeld Aufstiegsförd. Ges. UVG Gerichtsvollzieher Gesamt 2014 827 88 0 0 0 629 12.614 14.158 2015 545 72 0 0 0 766 16.533 17.916 01 bis 03/2016 68 7 0 0 0 63 4.713 4.851