Kleine Anfrage der Abg. Cárdenas (DIE LINKE) vom 06.04.2016 betreffend Situation von Frauen in hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen - Teil II und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche Maßnahmen werden in welchen Erstaufnahmeeinrichtungen getroffen, um das konfliktfreie Zusammenleben von Frauen unterschiedlicher Herkunft und Religion, sicher zu stellen? Grundsätzlich werden bei der Unterbringung Geschlecht, Nationalitäten, Ethnien und Religionen berücksichtigt. So wird bei Zimmervergabe darauf geachtet, dass Frauen aus ähnlichen Kulturkreisen zusammen bzw. in der unmittelbaren Nachbarschaft bleiben. Da Frauen überwiegend in Familienverbänden reisen, wird bei Zimmervergabe auch auf die Familienzusammenhänge geachtet. Um über Menschenrechte, Freiheit, Rechte von Frauen und Kindern, Religions- und Meinungsfreiheit in Deutschland aufzuklären, hat das Land Hessen ein Konzept zur niedrigschwelligen Sprache- und Wertevermittlung erarbeitet. Die Teilnehmer der Kurse erlernen Grundbegriffe und sprachliche Wendungen, die sie in einfachen Sätzen anwenden können. Dies soll den Asylbewerbern die Eintrittsphase in Deutschland erleichtern und ihnen darüber hinaus grundsätzliche Kenntnisse über die Werte und gesetzlich geschützten Rechte der Menschen im neuen Land vermitteln. Die Umsetzung des hessenweiten Konzepts wird im Rahmen des neuen Standortkonzeptes starten. So rasch wie möglich soll das Angebot dann in allen aktiven Einrichtungen durchgeführt werden. Zudem werden in vielen Einrichtungen Plakate in den gängigsten Sprachen verteilt und aufgehängt (Meinungs- und Religionsfreiheit respektieren, keine Gewalt gegen Frauen und Kinder und Gleichberechtigung achten). Das Bemühen um ein konfliktfreies Miteinander wird in Hessen bereits vielerorts durchgesetzt. Sei es durch Aufklärung in verschiedenen Programmen und Unterrichtseinheiten, als auch über die Soziale Arbeit vor Ort durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen, aber auch über Plakate und Flyer, die für alle Bewohner gut sichtbar sind. Nicht zu vergessen die gesonderte Unterbringung bei besonderer Schutzbedürftigkeit. Frage 2. Wie lang ist aktuell die durchschnittliche Verweildauer in den jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtungen (bitte nach HEAE incl. Außenstellen aufschlüsseln)? Derzeit beträgt die Bearbeitungszeit des BAMF(Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) 8,1 Monate, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der HEAE (Hessische Erstaufnahmeeinrichtung ) etwa drei Monate. Mit Hilfe der neuen Ankunftszentren soll die Antragsdauer je nach Herkunftsland max. sechs Monate betragen. Ein Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen bis zu sechs Monaten ist zudem rechtlich zulässig. Frage 3. Welche Regelungen bestehen in den jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtungen bzgl. des Ausgangs (Reichweite, Übernachtungen außerhalb, Besuch von Verwandten etc.)? Während des Aufenthalts in der Aufnahmeeinrichtung gilt grundsätzlich die Residenzpflicht nach§ 56 AsylG (Asylgesetz). Demnach ist die Aufenthaltsgestattung räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Auf- Eingegangen am 16. Juni 2016 · Bearbeitet am 16. Juni 2016 · Ausgegeben am 21. Juni 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3272 16. 06. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3272 nahmeeinrichtung liegt. In diesem Bereich dürfen sich die Asylsuchenden frei bewegen. Der Empfang oder die Übernachtung von Verwandten ist in der HEAE aus Sicherheitsgründen nicht gestattet. Den Zutritt haben nur die Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal. Frage 4. Welche speziellen Beratungsangebote gibt es für traumatisierte Frauen in welcher Erstaufnahmeeinrichtung ? Spezielle Beratungsangebote für traumatisierte Frauen gibt es am Standort Darmstadt in der Michaelisstraße . Das bundesweite Pilotprojekt heißt "Step-by-Step" und wird vom SFI (Sigmund- Freud-Institut) sowie Studierenden der Goethe-Universität durchgeführt. Das Team vor Ort vermittelt den Neuankommenden, wie wichtig für die psychische und psychosoziale Befindlichkeit und die spätere Integration eine aktive Gestaltung des Alltags in der Einrichtung ist, auch wenn die Bewohnerinnen und Bewohner nicht lange in der Ersteinrichtung bleiben. Die Angebote des SFI dienen dazu - in enger Kooperation mit den Fachleuten vor Ort -, den Flüchtlingen eine sichere, stabile und unterstützende Alltagsstruktur zu bieten. Das Konzept beinhaltet den Gedanken, im Standort Darmstadt Alltagsstrukturen anzubieten, die den Flüchtlingen sichere Orientierungen, einen ersten Halt und verlässliche Beziehungserfahrungen bieten, um Gewalt, Desintegration und Re-Traumatisierungen entgegenzuwirken. In der Notunterkunft Darmstadt - Staudinger Straße gibt es ein entsprechendes Beratungsangebot . Frauen werden dort durch eine Psychologin und Trauma-Expertin betreut. In der Außenstelle Rödgener Straße in Gießen bietet die Firma European Homecare Sozialbetreuung an. Frauen mit Traumata werden bevorzugt behandelt und gegebenenfalls an den Standort Darmstadt verlegt. In der Außenstelle Neustadt finden psychologische Einzelberatungen sowie Erstbetreuungen durch eine ausgebildete Diplompsychologin statt. In allen Einrichtungen des Regierungspräsidiums Kassel findet Soziale Arbeit auf der Grundlage des "Rahmenkonzeptes für Soziale Arbeit und Integration in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Regierungspräsidiums Kassel" statt. Dabei werden auch die speziellen Bedürfnisse von Frauen, die Opfer von sexuellen Delikten geworden sind, berücksichtigt. Ein Unterstützungssystem für traumatisierte Frauen besteht hier in Zusammenarbeit mit dem Alexander-Mitscherlich-Institut. Die Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten des Instituts sind an mehrere Einrichtungen auf dem Stadtgebiet und im Landkreis Kassel angebunden. An diese werden Geflüchtete mit Traumatisierungen weitergeleitet. Zunächst werden die Geflüchteten dann in der Erstaufnahmeeinrichtung von den Psychotherapeuten begleitet. Wird deutlich, dass dringend eine Behandlung erforderlich ist, wird über die HEAE Gießen ein vorzeitiger Transfer in die Sekundärunterbringung ermöglicht um dort eine dauerhafte Behandlung zu gewährleisten. Wegen des speziellen Betreuungsbedarfs ist es nicht möglich, an jedem Standort und in jeder Notunterkunft entsprechende Fachkräfte dauerhaft vorzuhalten. In allen Einrichtungen arbeiten Dolmetscher und Dolmetscherinnen, Sanitätsdienst und Sozialdienst eng zusammen. Auf diese Weise können psychisch stark belastete und traumatisierte Frauen in der Einrichtung schnell erkannt werden und vom Sozialdienst entsprechende Unterstützung erhalten. Es werden zudem externe Fachkräfte, wie z.B. niedergelassene Psychologen, hinzugezogen. Treten starke psychische Belastungen bei Geflüchteten an den Standorten auf, an die keine Therapeuten angebunden sind, so kann eine Verlegung in eine andere Einrichtung mit Therapeuten-Anbindung veranlasst werden. Im Bedarfsfall werden die betroffenen Personen einer ambulanten oder stationären Behandlung zugeführt. Um die hinreichende Unterstützung für traumatisierte Frauen zu gewährleisten wird zudem mit folgenden Fachberatungsstellen kooperiert: Weisser Ring Opferhilfe, Unvergesslich weiblich, Deutscher Kinderschutzbund, Pro Familia, FIM - Frauenrecht ist Menschenrecht e.V. u.a. Derzeit führt die Landesregierung Gespräche in Zusammenarbeit mit Fachinstituten, Wohlfahrtsverbänden und Kliniken um auszuloten, wie und in welchem Umfang die Versorgung traumatisierter Flüchtlingen weiter verbessert werden kann. Wiesbaden, 9. Juni 2016 Stefan Grüttner