Kleine Anfrage der Abg. Alex und Merz (SPD) vom 3. Mai 2016 betreffend Umfang, Gründe und Kosten für den Ausschluss vom Besuch der Kindertagesstätten in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat zur Beantwortung der Kleinen Anfrage die einschlägigen Verbände befragt. Der Hessische Städte- und Gemeindebund, der Hessische Städtetag, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung und das Kommissariat der katholischen Bischöfe, das eine Stellungnahme des Bistums Fulda , das ca. 100 Kindertagesstätten betreibt, weitergab, haben die Fragen beantwortet. Die Antworten der Verbände sind nachfolgend aufgeführt. Darüber hinaus liegen der Landesregierung keine Kenntnisse vor. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Aus welchen Gründen wurden in den vergangenen vier Jahren jeweils wie viele Kinder vorübergehend oder dauerhaft in Hessen vom Besuch einer Kindertagesstätte ausgeschlossen? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Zu den Ausschlussgründen für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen von freien Trägern können wir keine Aussage treffen. Aus kommunalen Kindertageseinrichtungen ist der Ausschluss nach Satzung möglich, wenn die Regelungen der Satzung nicht eingehalten werden oder durch das Verhalten des Kindes eine für den Betrieb der Kindertagesstätte unzumutbare Belastung entsteht. Ferner ist der Ausschluss möglich, wenn Kinder mehrere Male oder ununterbrochen mehr als zwei Wochen ohne Begründung vom Besuch der Kindertageseinrichtung fern bleiben, nachdem gegenüber den Erziehungsberechtigten eine entsprechende schriftliche Erklärung darüber abgegeben wurde. Dann ist für den weiteren Besuch eine Neuanmeldung nach Satzung erforderlich. Außerdem erlischt das Anrecht auf den Betreuungsplatz gem. Satzung, wenn die Gebühren bzw. Kostenbeiträge nicht bezahlt werden. Praktisch werden die Eltern jedoch meistens zuvor zur Zahlung aufgefordert verbunden mit der Aufforderung gegebenenfalls einen Antrag auf Gebührenübernahme durch das Jugendamt nach § 90 SGB VIII zu stellen. Auch vor einem Ausschluss aus verhaltensbedingten Gründen finden i.d.R. Gespräche mit den Eltern teilweise unter Beteiligung der Fachaufsicht des Jungendamtes statt, bevor der Ausschluss verfügt wird. Ein Ausschluss vom weiteren Besuch einer Kindertagesstätte ist vor Ort jeweils ein Ausnahmefall , der nur in Einzelfällen vorkommt und nur als letztes Mittel durchgeführt wird. Wie viele Kinder davon in den letzten vier Jahren betroffen waren, ist uns nicht bekannt. Da der Ausschluss sich nur auf die jeweilige Kindertagesstätte bezieht, besteht somit die Möglichkeit einen Kinderbetreuungsplatz in einer anderen Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Hessischer Städtetag: Landesweit werden pro Gebietskörperschaft allenfalls ein bis drei Kinder vorübergehend oder dauerhaft vom Besuch einer Kindertagesstätte ausgeschlossen. Der Ausschluss erfolgt meist nicht auf Grund eines Rückstandes der Betreuungsgebühren, sondern wegen massivem, aggressivem und bedrohlichem Verhalten und massiver Verstöße gegen die jeweiligen Kindertagesstättensatzungen . Eingegangen am 27. Juli 2016 · Bearbeitet am 27. Juli 2016 · Ausgegeben am 8. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3340 27. 07. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3340 Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Der Ausschluss von Kindern vom Besuch einer Kindertagesstätte kann auf unterschiedlichen Gründen beruhen: die dauerhafte Eigengefährdung des Kindes, eine Gefährdung anderer Kinder oder eine unzumutbare Belastung des Einrichtungsbetriebes durch das Verhalten von Kindern bzw. - in absoluten Ausnahmefällen - auch ihrer Personensorgeberechtigten. Auch der nachhaltige Zahlungsverzug des geschuldeten Elternbeitrags kann zu einer Kündigung des Vertragsverhältnisses führen. Valide Daten über derartige Beendigungen im Bereich der Evangelischen Kirchen in Hessen und der Diakonie Hessen liegen uns nicht vor. Aus den Beratungen zwischen den betroffenen Kindertagesstätten und den sie fachlich unterstützenden Stellen wird jedoch deutlich, dass die (vorzeitige ) Vertragsbeendigung aufgrund vorgenannter Umstände die absolute Ausnahme im Betrieb der Kindertagesstätten darstellt. Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen: Den Ausschluss vom Besuch einer Kindertagesstätte wurde nur auf Grund von über einen längeren Zeitraum nicht gezahlten Beiträgen ausgesprochen. In den letzten vier Jahren erfolgte dieser Ausschluss in ca. zehn Fällen. Frage 2. Welche Kosten entstanden den Trägern der Kindertagesstätten durch das Mahnwesen bei nicht gezahlten Elternbeiträgen, einschließlich Vollstreckungsverfahren und Niederschlagung von Forderungen ? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Diese Frage kann mangels entsprechender Daten nicht beantwortet werden. Die entstehenden Kosten sind davon abhängig, ab wie viel rückständiger Kostenbeiträge der Satzungsausschluss verfügt wird. Oftmals sehen die Satzungen mindestens zwei oder mehr rückständige Gebühren vor, bevor der Ausschluss verfügt werden kann. Aber auch dann wird der Ausschluss nicht immer gleich verfügt, sondern es können weitere Rückstände entstehen, bevor aufgrund weiterer erfolgloser Maßnahmen der Ausschluss verfügt wird. Da diese rückständigen Gebühren oder Kostenbeiträge auch nicht vom Jugendamt übernommen werden, wenn kein entsprechender Antrag gestellt wurde, gehen sie zu Lasten der jeweiligen Städte und Gemeinden. Hessischer Städtetag: Die Mahnkosten bewegen sich dabei zwischen rd. 400 und 4.000 €. Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Die dem Mahnwesen zuzuordnenden Kosten sind nicht gesondert erfasst und daher zahlenmäßig nicht belegbar. Kommissariat der Kath. Bischöfe im Lande Hessen: Den Trägern entstehen pro Mahnfall Kosten in Höhe von ca. 90,00 €. Frage 3. Welche Regeln gelten für einen Ausschluss wegen nicht gezahlter Elternbeiträge und welche Präventionsmaßnahmen gehen einem Ausschluss voran? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Die Eltern werden aufgefordert die rückständigen Gebühren bzw. Kostenbeiträge zu zahlen. Für den Fall, dass dies nicht möglich ist, werden sie darauf hingewiesen, dass eine Kostenübernahme durch das Jugendamt möglich ist und aufgefordert, die entsprechenden Anträge zu stellen. Erst wenn die Anträge nicht gestellt werden und weiterhin Gebührenrückstände entstehen, erfolgt der Ausschluss. Hessischer Städtetag: In jedem Fall ist die Kündigung bzw. der Ausschluss immer Ultima Ratio. Vorher erfolgen mehrere Mahnungen und Gesprächsversuche. In Einzelfällen werden die Personensorgeberechtigten auch bei der Suche nach einer alternativen Tageseinrichtung unterstützt. Bei Verhaltensauffälligkeiten wird nach Elterngesprächen das Jugendamt zu Rate gezogen. Es ist auffällig, dass Verhaltensauffälligkeiten erheblich zunehmen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3340 3 Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Der zwischen der Kindertagesstätte und den Personensorgeberechtigten zu schließende Aufnahmevertrag enthält die Möglichkeit der Vertragskündigung aufgrund längerfristigen Verzugs wegen der Entrichtung von Elternbeiträgen bzw. Nebenkostenpauschalen. Von einer solchen Kündigung hat - ebenfalls vertraglich festgelegt - eine Anhörung der Eltern durch den betroffenen Träger zu erfolgen. Auf Wunsch der betroffenen Personensorgeberechtigten wird dazu auch der zuständige Elternbeirat hinzugezogen. Die Beendigung des Vertrages wegen Zahlungsverzugs stellt nach unserer Erfahrung die Ausnahme dar. Vorrangig ist für die Kindertagesstätten in jedem Fall die Erfüllung des Förderauftrages im Sinne von § 22 SGB VIII, die Gewährung des Kindeswohls und der Anspruch des einzelnen Kindes auf verlässliche Bindungs- und Beziehungserfahrungen. In den Fällen des Zahlungsverzuges wird mit den betroffenen Eltern vorab die Unterstützung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe besprochen (s. unten) sowie die Erfüllung der Forderung durch Ratenzahlungen. Sollte dennoch - in seltenen Einzelfällen und als letztes Mittel - der Ausschluss unumgänglich sein, erfolgt dieser in aller Regel zum Ende eines Kindergartenjahres , um auch insoweit die Auswirkungen auf das betroffene Kind und seine Beziehungen zu anderen Kindern und den pädagogischen Fachkräften möglichst gering zu halten. Kommissariat der Kath. Bischöfe im Lande Hessen: Der Träger kann den Betreuungsvertrag mit einer Frist von einem Monat auf den Schluss eines Kalendermonats kündigen, wenn die Sorgeberechtigten trotz vorheriger schriftlicher Mahnungen ihren Verpflichtungen aus dem Betreuungsvertrag nicht oder nicht vollständig nachkommen, insbesondere für zwei aufeinander folgende Monate mit der Zahlung des Elternbeitrages im Verzug sind. Den schriftlichen Mahnungen gehen mehrere persönliche Gespräche mit den Eltern und mündlichen Erinnerungen voraus. Frage 4. Welche Mindereinnahmen verzeichneten die Träger wegen nicht gezahlter Elternbeiträge? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Diese Frage kann mangels entsprechender Daten nicht beantwortet werden. Hessischer Städtetag: Die Mindereinnahmen reichen von 165 bis mehr als 20.000 €. Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Ausstehende Elternbeiträge sind für die Träger der Evangelischen Kindertageseinrichtungen aufgrund eines engen Kalkulationsrahmens zwar ein problematisches Thema, allerdings regional und phasenweise variierend. Detaillierte Zahlen und Daten dazu sind nicht systematisch erfasst. Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen: Insgesamt sind Mindereinnahmen bei den Trägern von ca. 28 T. € zu verzeichnen. Frage 5. In welcher Form erhalten Familien Informationen über die Möglichkeit der Übernahme oder Teilübernahme der Kosten für einen Kitaplatz durch den Jugendhilfeträger? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Diese Informationen erfolgen über die Kindertagesstätten oder die Gemeindeverwaltungen. Sie erfolgen z.T. schriftlich z.T. aber auch mündlich. In manchen Satzungen wird auch schon darauf hingewiesen. Es ist davon auszugehen, dass den Betroffenen - in welcher Form auch immer - die betreffenden Informationen übermittelt werden. Dies erfolgt schon aus eigenem Interesse der Träger. Hessischer Städtetag: Dem Besuch der Kindertageseinrichtung geht immer ein Anmeldegespräch voraus. Dort werden die Modalitäten, auch die Gebührenfragen besprochen. Die Eltern erhalten die Satzung der jeweiligen Gebietskörperschaft, aus der sich meist die Übernahmemöglichkeit durch den Jugendhilfeträger oder der Erlass einer Gebühr bereits ergibt. Außerdem werden die Eltern auch im Rahmen dieses Gesprächs oder im Nachgang auf Nachfrage entsprechend beraten. Weiterhin werden Familien, die in der Vergangenheit eine Übernahme hatten, von der Verwaltung der städtischen Kindertagesstätten aufgefordert, rechtzeitig einen Neuantrag zu stellen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3340 Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Im Aufnahmevertrag ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Elternbeitrag - je nach örtlicher Regelung - von der Kommune teilweise erstattet wird, oder bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vom örtlichen zuständigen Träger der Jugendhilfe zu übernehmen ist. Diese Information wird den Personensorgeberechtigten überdies in dem obligatorischen Aufnahmegespräch weitergegeben. Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen: Einige Kita-Einrichtungen haben entsprechende Flyer und Informationsmaterial, welches die Eltern in Problemfällen ausgehändigt bekommen. Frage 6. In wie vielen Fällen nach Frage 1 hätten die Familien Anspruch auf Übernahme oder Teilübernahme der Kosten durch den Jugendhilfeträger gehabt? Hessischer Städte- und Gemeindebund: Diese Frage ist nicht beantwortbar. Hessischer Städtetag: In der Regel haben alle angegebenen Fallfamilien einen Anspruch auf Übernahme oder Teilübernahme der Kosten. Es scheitert aber meist an der fehlenden Mitwirkung der Eltern (Unterlagen werden nicht oder nicht vollständig vorgelegt oder Anträge beim Jugendhilfeträger werden gar nicht erst gestellt). Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung: Zu Frage 6 und 7: Diese Fragen betreffen das Verhältnis von betroffenen Eltern und dem zuständigen Jugendhilfeträger und können unsererseits nicht beantwortet werden. Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen: In 80 % der Mahnfälle hätten die Eltern Anspruch auf Kostenübernahme durch den Jugendhilfeträger gehabt. Frage 7. Sind der Landesregierung Gründe bekannt, warum Eltern die Möglichkeit der Entlastung von Kita-Beiträgen nicht genutzt haben? Wenn ja, welche sind das? Der Landesregierung liegen auch hierzu keine Angaben. Die befragten Verbände teilen dazu Folgendes mit: Hessischer Städte- und Gemeindebund: Dazu ist aus unserer Sicht Folgendes anzumerken: Die Gründe sind z.T. nicht nachvollziehbar. Es gibt Personensorgeberechtigte, die trotz mehrfacher Erklärungen und Aufforderungen die Anträge nicht stellen. Dabei handelt es sich nicht immer nur um Verständigungs- oder Sprachprobleme . Hessischer Städtetag: Es kann nicht an einer Überforderung oder an dem bürokratischen Aufwand für die Anträge liegen , denn die Jugendhilfeträger unterstützen die Eltern bei der Antragstellung durch ihre Mitarbeiter flächendeckend in Hessen. Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen: Viele Eltern scheuen sich davor finanzielle Probleme preiszugeben, das Jugend- oder Sozialamt zu kontaktieren und um Hilfe zu bitten. Wiesbaden, 19. Juli 2017 In Vertretung: Dr. Wolfgang Dippel