Kleine Anfrage der Abg. Alex (SPD) vom 03.05.2016 betreffend Studium älterer Menschen an hessischen Hochschulen und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Ergebnisse des Statistischen Landesamtes weisen aus, dass Menschen ab 60 Jahren den Hauptanteil der Gasthörer und Gasthörerinnen an hessischen Hochschulen ausmachen. Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele Studierende über 60 Jahre sind für ein reguläres Studium an hessischen Hochschulen eingeschrieben? Aktuell sind insgesamt 464 Studierende über 60 Jahre an den hessischen Hochschulen für ein reguläres Studium eingeschrieben. Frage 2. Welche speziellen Angebote für ein nachberufliches Studium bieten die einzelnen Hochschulen an? Die hessischen Hochschulen bieten in der Regel kein spezielles Angebot für ein nachberufliches Studium im Sinne eines Seniorenstudiums an. Für Seniorinnen und Senioren besteht jedoch die Möglichkeit, als Gasthörerinnen bzw. Gasthörer Lehrveranstaltungen der angebotenen grundständigen und konsekutiven Studiengänge zu besuchen. Bei Numerus-Clausus-Studiengängen gilt, dass entsprechend der Vergabeverordnung Studienplätze an Studienbewerberinnen und -bewerber mit einem Alter von mehr als 55 Jahren nur eingeschränkt zugelassen werden können. Seniorinnen und Senioren steht auch die Möglichkeit eines Weiterbildungsstudiums offen . Die Goethe-Universität Frankfurt am Main (GU) bietet im Rahmen des Projekts Universität des dritten Lebensalters (U3L) spezielle Angebote für ein nachberufliches Studium an. Im Sommersemester 2015 wurden 107 Veranstaltungen, im Wintersemester 2015/16 119 Veranstaltungen durchgeführt. Die Universität Kassel (UKS) bietet mit dem Gasthörerprogramm & Seniorenstudium interessierten Bürgerinnen und Bürgern ein vielfältiges Angebot für neben- und nachberufliches Lernen . Eine semesterweise wechselnde Auswahl von ca. 100 Lehrveranstaltungen aus dem regulären Lehrangebot ist für Gäste geöffnet. An der Philipps-Universität Marburg (UMR) bieten die Fachbereiche Geschichtswissenschaften (FB 06) und Erziehungswissenschaften (FB 21) ein "Aufbauendes Studium" an. Es ist so angelegt , dass es in ca. fünf bis sechs Semestern mit einem wöchentlichen Besuch von wenigstens zwei bis drei Veranstaltungen absolviert werden kann. Der Einstieg erfolgt in der Regel über ein Orientierungssemester. Die Teilnahme erfordert nur eine Anmeldung als Gasthörerin /Gasthörer und setzt keinen förmlichen Bildungsabschluss voraus. Eingegangen am 21. Juni 2016 · Bearbeitet am 21. Juni 2016 · Ausgegeben am 24. Juni 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3341 21. 06. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3341 Frage 3. Wie hat sich das Angebot seit 2010 entwickelt? Soweit die hessischen Hochschulen kein spezifisches Angebot vorhalten, ist dies der geringen Nachfrage geschuldet. Bis zum Sommersemester 2010 gab es in Kooperation der Stadt Darmstadt, der Technischen Hochschule Darmstadt (TUD), der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt sowie der Hochschule Darmstadt (HDA) das sog. "Studienprogramm für Senioren". Diese Vereinbarung wurde durch die Stadt Darmstadt gekündigt, die Kooperation wurde nicht erneuert. Das Angebot der U3L an der GU hat sich seit 2010 nicht wesentlich verändert. Auch an der UMR hat eine besondere Weiterentwicklung nicht stattgefunden, da das Angebot relativ wenig nachgefragt wird. Die UKS hat im Wintersemester 2013/2014 eine Evaluation durchgeführt, die deutlich macht, dass das Hauptinteresse der Befragten weder auf die Zusatzangebote im kulturellen Sektor noch die zertifizierten Studienangebote abzielt, sondern die nachberufliche Weiterbildung im akademischen Rahmen und im generationsübergreifenden Kontext im Fokus steht. Frage 4. Wo gibt es welche Kooperationen mit Kommunen und anderen Trägern der Erwachsenenbildung? Mit Blick auf die vielfach nicht vorhandenen spezifischen Angebote für die in der Kleinen Anfrage adressierte Personengruppe, existieren in der Regel auch keine entsprechenden Kooperationen in der Erwachsenenbildung. Die U3L der GU pflegt verschiedene Kontakte mit verwandten Einrichtungen im In- und Ausland . Sie ist Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA) in der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF e.V.), dem Paritätischen Bildungswerk Hessen und der Seniorenakademie Wiesbaden. Kontakte zu anderen Anbietern von Bildung für Ältere im regionalen Raum (Evangelische und katholische Erwachsenenbildung, VHS, Gesundheitsamt und Leitstelle Älterwerden der Stadt Frankfurt, Netzwerk neue Nachbarschaften, etc.) finden sowohl regelmäßig als auch projektbezogen statt. Im Juli 2013 erhielt die U3L den Zuschlag für die Durchführung des EU-Projekts EU Grundtvig -Freiwilligenprojekt 50+ zum Austausch von Freiwilligen zwischen der U3L Frankfurt und der U3L Zagreb. Das Projekt hatte eine zweijährige Laufzeit und wurde im August 2015 beendet . An der Durchführung der Projektaufgaben war eine Projektgruppe von ca. 15 Studierenden beteiligt. Darüber hinaus engagiert sich die U3L im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung Älterer (BAG WiWA) und war beim Deutschen Seniorentag "Gemeinsam in die Zukunft" (vom 02. bis 04.07.2015 in Frankfurt am Main) beteiligt. An der UKS hat sich im Lauf der Jahre eine kontinuierliche Kooperation und Zusammenarbeit mit der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) etabliert. Exklusive Angebote im Bereich Führungen zu Sonderausstellungen werden theoretisch sowie praktisch von Wissenschaftlern /innen der MHK und der Kunsthochschule Kassel betreut und durchgeführt. Weiterhin bestehen Kooperationen mit verschiedenen kulturellen und städtischen Institutionen, u.a. auch der Volkshochschule Kassel. Das Marburger Senioren-Kolleg e.V. bietet in Kooperation mit der Kontaktstelle für das Gasthörer - und Seniorenstudium der UMR Vorträge und Exkursionen an, die von Seniorstudierenden besucht werden können. Frage 5. Können die nachberuflich Studierenden außerhalb des regulären Studiums Abschlüsse/Zertifikate an den einzelnen Hochschulen erwerben? Im Rahmen eines strukturierten Studienprogramms an der GU kann ein Zertifikat erworben werden. Diese Möglichkeit besteht seit dem Wintersemester 2007/2008. Es wurden bisher drei Durchgänge mit unterschiedlicher Themenstellung (Mythos in Geschichte und Gegenwart, Freiheit zwischen Ideal und Wirklichkeit, Das Öffentliche und das Private) durchgeführt. Der Programmstart im Wintersemester 2016/17 trägt das Thema "Altern in Wissenschaft und Erfahrung ". Das Studienprogramm ist interdisziplinär ausgerichtet. Es umfasst vier Studiensemester und ein Abschlusssemester, in dem eine wissenschaftliche Hausarbeit erstellt wird. Die erfolgreiche Teilnahme wird mit einem Zertifikat bescheinigt. Im Übrigen können nachberuflich Studierende, sofern sie die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, auch weiterbildende Masterstudiengänge und Zertifikatskurse absolvieren, wenngleich sie nicht die unmittelbare Zielgruppe darstellen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3341 3 In diesem Bereich wurden an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) u.a. folgende Angebote entwickelt: Kinderzahnheilkunde (M.Sc.), Sportrecht (LL.M.), Parodontologie und Implantattherapie (M.Sc.) sowie die Zertifikatskurse: Grundlagen inklusiver Erziehung und Bildung, Leitungsund Bildungsmanagement in Kindertagesstätten, Tiergestützte Dienstleistungswissenschaft, Wissenschaftliche Politikberatung. An der UKS ist es möglich, Zertifikate in den Fachgebieten Alte Geschichte und Kunstwissenschaft im Rahmen des Angebots der Studienprogramme zu erwerben. Im Rahmen des allgemeinen Weiterbildungsprogramms der HDA besteht die Möglichkeit des Zertifikat-Erwerbs z.B. in Elektrotechnik, Konfliktmediation und -bewältigung sowie Systemischer Beratung. Die Frankfurt University of Applied Sciences (FRA-UAS) bietet weiterbildende Zertifikatskurse , die auch Seniorinnen und Senioren offen stehen. Das Geisenheimer Institut für Weiterbildung bietet einen Zertifizierungs-Kurs zum Food Safety Manager an, den selbstverständlich auch nachberuflich Studierende besuchen und mit einem entsprechenden Zertifikat abschließen können. In Kooperation mit der IHK Wiesbaden bietet die Hochschule Geisenheim University (HGU) vorbereitende Lehrgänge für die Ausbildereignungsprüfung an. Die entsprechende Prüfung wird von der IHK abgenommen. Frage 6. Welche Kosten entstehen Studierenden bei der Teilnahme an den einzelnen Angeboten? Die entstehenden Kosten sind abhängig vom jeweiligen Programm bzw. Angebot. Für das Angebot der Wissenschaftlichen Weiterbildung gilt § 16 HHG Abs. 3: "Für die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten sind insgesamt kostendeckende Entgelte zu erheben [...]." Dies gilt für alle Personengruppen. Im Übrigen haben einzelne Hochschulen zu spezifischen Angeboten folgende Kosten mitgeteilt: Die Gebühr für Gasthörerinnen und Gasthörer beträgt an der TUD 50 €. Die Teilnahme an der U3L der GU kostet 110 € pro Semester (120 € im Nachmeldezeitraum). Es können beliebig viele Veranstaltungen besucht werden. Die Kosten für den LL.M. "Sportrecht" (in Kooperation mit der Deutschen Sporthochschule Köln) an der JLU belaufen sich beispielsweise auf 15.500 €, die Kosten für den Zertifikatskurs "Governance lokaler Bildung" belaufen sich auf 3.400 €. Zur Einschreibung als Gasthörer/in wird eine Gebühr von 100 € erhoben zzgl. 50 € (bis zur max. Gebühr in Höhe von 500 €) für jede weitere Lehrveranstaltung, die besucht wird). Bei der Registrierung im Rahmen des Gasthörerprogramms & Seniorenstudiums der UKS entstehen Kosten in Höhe von 120 € pro Semester und 200 € für zwei Semester. Für das Gasthörerstudium an der UMR, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) und der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) ist ein Betrag von derzeit 100 € pro Semester zu entrichten. An der HGU belaufen sich die Kursgebühren zum Food Safety Manager insgesamt auf 6.902 €. Die Kosten für die Lehrgänge zur Ausbildereignungsprüfung übernimmt die HGU; die Kosten für die Prüfung in Höhe von 100 € pro Person werden von den Studierenden direkt an die IHK entrichtet. Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung des Bedarfs nach nachberuflichen Studienangeboten in der Zukunft? Frage 8. Wie soll dem Bedarf Rechnung getragen werden? Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Wissen und Bildung sind auch jenseits der Berufstätigkeit eine zentrale gesellschaftliche Ressource . Das Lebenslange Lernen bietet mit einer Zunahme von Kompetenzen und Potenzialen sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft eine Chance. Ziel sollte es daher grund- 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3341 sätzlich sein, der Zielgruppe mit professionellen Angeboten im Bereich des Lebenslangen Lernens gerecht zu werden. Da die Nachfrage nach nachberuflichen Studienangeboten an den meisten hessischen Hochschulen jedoch bisher nicht sehr ausgeprägt ist, wird an diesen auch grundsätzlich kein gesteigerter Bedarf für die nahe Zukunft gesehen. Insoweit erkennen weder die mit Blick auf ihr Studienangebot eigenverantwortlichen Hochschulen noch die Landesregierung ein akutes Handlungserfordernis . Sollte künftig eine verstärkte Nachfrage nach nachberuflichen Studienangeboten entstehen, wären aufgrund dezidierter Bedarfsanalysen durch die Hochschulen sowohl auf strategischer als auch administrativer Ebene Konzepte und Formate - inkl. Finanzierungsmodalitäten - zu erörtern . Wiesbaden, 9. Juni 2016 Boris Rhein