Kleine Anfrage der Abg. Warnecke, Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt und Siebel (SPD) vom 04.05.2016 betreffend Flächenverbrauch durch Umnutzung von Flächen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Der vielbeklagte Flächenverbrauch durch Umnutzung von Flächen wird nach allen Prognosen auch zukünftig anhalten. Insbesondere der Anteil an den Siedlungs- und Verkehrsflächen, zumal der versiegelten, scheint unaufhörlich zuzunehmen. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die Entwicklung der Flächeninanspruchnahme in Hessen ist für den Zeitraum von 1991 bis 2015 in der beigefügten allgemeinen statistischen Übersicht des Hessischen Statistischen Landesamts dargestellt (Anlage 1). In diesem Zeitraum haben die Siedlungs- und Verkehrsflächen von 298.758 ha auf 332.410 ha um 33.652 ha und die Waldfläche von 839.104 ha auf 848.802 ha um 9.698 ha zugenommen, während die Landwirtschaftsfläche von 927.518 ha auf 884.494 ha im gleichen Maße um 43.024 ha abgenommen hat. Nach dem der allgemeinen Landesstatistik zugrunde liegenden sogenannten gleitenden Vierjahresdurchschnitt hat sich der Rückgang der Landwirtschaftsfläche von über 6 ha/Tag in den 1990er-Jahren und von mehr als 5 ha/Tag in der ersten Dekade der 2000er-Jahre seit dem Jahr 2010 auf rund 3 ha/Tag verlangsamt. Die allgemeinstatistische Landwirtschaftsfläche beinhaltet neben Flächen, die dem Ackerbau, der Wiesen- und Weidewirtschaft, dem Gartenbau oder dem Weinbau bzw. dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, auch weitere Feldflurflächen im Offenlandbereich, wie z.B. Brachland sowie Moor- und Heideflächen und Kleinstflächen wie Haus- und Kleingärten außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzung. Von dieser allgemeinstatistischen Landwirtschaftsfläche sind nach der Agrarstatistik von über 5 ha großen Betrieben in den Jahren 2010: 766.400 ha, 2013: 771.900 ha, 2014: 768.000 ha und 2015: 769.500 ha tatsächlich landwirtschaftlich genutzt worden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung den Trend, wonach deutlich mehr als die angestrebten 2,5 ha pro Tag Flächeninanspruchnahme (durch Siedlungs- und Verkehrsflächen) in Hessen immer noch Praxis sind? Nach der allgemeinen Landesstatistik liegt die tägliche Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr im gleitenden Vierjahresdurchschnitt seit 2011 bei rund 3 ha. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen hat sich das Land bei der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsfläche sukzessive Minderungsziele gesetzt. Zwischen 2012 und 2015 sollte der tägliche Zuwachs 3,1 ha nicht überschreiten, zwischen 2016 und 2019 soll der Zuwachs maximal 2,8 ha betragen. Ab 2020 gilt der Zielwert von max. 2,5 ha zusätzliche Flächeninanspruchnahme pro Tag. Einen aktuellen Überblick der auf Einzeljahre bezogenen Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung - sowie der zeitlich differenzierten Minderungsziele in Hessen - gibt die beigefügte Grafik (Anlage 2). Eingegangen am 25. Juli 2016 · Ausgegeben am 29. Juli 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3346 25. 07. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3346 Angesichts der realen Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche teilt die Landesregierung nicht die Einschätzung der Fragesteller, dass deutlich mehr als die angestrebten 2,5 ha pro Tag Flächeninanspruchnahme immer noch Praxis seien. Um das ab dem Jahr 2020 gesetzte Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen, die tägliche Flächeninanspruchnahme dauerhaft auf max. 2,5 ha zu begrenzen, sind jedoch aus Sicht der Landesregierung gerade angesichts der demografischen Entwicklungen und damit einhergehender erhöhter Baulandnachfrage in Teilräumen des Landes weitere Anstrengungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund soll das in der Nachhaltigkeitsstrategie festgelegte Reduktionsziel zur Flächeninanspruchnahme auch im Rahmen der Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans vorrangig berücksichtigt werden. Hierzu zählen der Vorrang "Innen- vor Außenentwicklung", das Flächenrecycling von Brachflächen, die Ermittlung des Wohnsiedlungsbedarfs und die Vorgabe regionalplanerischer Dichtewerte, die Deckung des Wohnsiedlungsbedarfs im zentralen Ortsteil, die Erstellung differenzierter Bedarfsnachweise und die Prüfung von Baulandreserven sowie deren Mobilisierungsmöglichkeiten im Rahmen der Bauleitplanung. Um die Kommunen hierbei zu unterstützen, hat das Land Hessen eine Flächenmanagement- Datenbank entwickelt, die allen Kommunen kostenlos zur Verfügung steht. Der Vorrang von "Innen- vor Außenentwicklung" ist auch im Bereich der Städtebauförderung eine zentrale Zielsetzung. Dementsprechend sind die vier Städtebauförderungsprogramme "Soziale Stadt", "Stadtumbau in Hessen", "Aktive Kernbereiche in Hessen" und "Städtebaulicher Denkmalschutz" klar auf die Förderung der Innenentwicklung ausgerichtet. Gleiches gilt für die Landesinitiativen "Ab in die Mitte" und "INGEplus" sowie für die geplante Förderung aus Mitteln des EFRE. Angestrebt wird eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Innenentwicklung in Form einer sogenannten "doppelten Innenentwicklung". Ziel dabei ist es, einen Ausgleich zwischen der baulichen Nutzung von Baulücken und Brachen (Nachverdichtung) und der Aktivierung dieser als Freiflächen zu finden. Letzteres ist im Zuge der Anpassung an die Folgen des Klimawandels , zur Sicherung der Biodiversität in Siedlungsbereichen und zum Erhalt der urbanen Lebensqualität von zentraler Bedeutung. Auch im "Hessischen Dorfentwicklungsprogramm" gilt der Grundsatz "Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung". Um die Vielfalt dörflicher Lebensformen, das bau- und kulturgeschichtliche Erbe sowie den individuellen Charakter der hessischen Dörfer zu erhalten, sollen die Innenentwicklung gestärkt, die Energieeffizienz gesteigert und der Flächenverbrauch verringert werden. Dazu muss bereits im Bewerbungsverfahren zur Aufnahme in das Förderprogramm ein Beschluss des Kommunalparlaments vorgelegt werden, im Förderzeitraum keine zur Innenentwicklung konkurrierenden Baugebiete zu planen oder auszuweisen. Um eine zukunftsfähige Innenentwicklung auch in engen Ortskernen zu ermöglichen und einen attraktiven Wohnund Lebensraum zu erhalten, werden mit der Förderung des "städtebaulich verträglichen Rückbaus " seit Anfang 2015 neue Möglichkeiten zur Reduzierung des Flächenverbrauchs im Außenbereich angeboten. Auf Grundlage der hessischen Agrarplanungen haben die landwirtschaftlichen Vorrangflächen in den Hessischen Regionalplänen um insgesamt über 100.000 ha zugenommen. Mit diesen landesplanerischen Zielfestlegungen leisten die Regionalpläne einen Beitrag zum Flächenschutz im Außenbereich. Frage 2. Wie vereinbart sich der tägliche Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche mit dem Ziel, stärker regional und im Kreislauf landwirtschaftliche Produkte zu produzieren? Der anhaltende Rückgang der Landwirtschaftsfläche hat in den letzten Jahren noch keinen wesentlichen weiteren Verlust an den von relevanten Betrieben mit mehr als 5 ha landwirtschaftlich tatsächlich genutzten Flächen nach sich gezogen. Nach der Agrarstatistik konnte die von diesen Betrieben landwirtschaftlich tatsächlich genutzte Fläche in Höhe von rund 770.000 ha seit 2010 in etwa gleichbleibend aufrechterhalten werden. Die mit folgender Aufteilung in Acker- und Dauergrünland tatsächlich landwirtschaftlich genutzten Flächen stellen sich in den agrarstatistisch erfassten Jahren 2010 und 2013 bis 2015 wie folgt dar: 2010/766.400 ha 476.700 ha Ackerland 283.700 ha Dauergrünland 2013/771.900 ha 477.700 ha Ackerland 287.900 ha Dauergrünland 2014/768.000 ha 479.000 ha Ackerland 282.900 ha Dauergrünland 2015/769.500 ha 472.100 ha Ackerland 290.800 ha Dauergrünland In den vorhergehenden Jahrzehnten, mit zum Teil wesentlich höherem Flächenverbrauch als in den letzten Jahren, konnten Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft die eingetretenen Flächenverluste noch ausgleichen. Weitere Verluste, insbesondere im Zuge des in städtischen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3346 3 Regionen steigenden Wohnbaudrucks, stehen aber dem Bedürfnis wachsender Bevölkerungskreise nach Nahrungsmitteln aus der regionalen oder sogar lokalen Landwirtschaft entgegen. Dies gilt besonders für Produkte des ökologischen Landbaus, deren Anbau zwar weniger Energie und natürliche Ressourcen verbraucht, aber wegen geringerer Erträge auch mehr Fläche bedarf . Der Ökoaktionsplan der Landesregierung soll den Anteil ökologischer Erzeugung, gerade auf den guten Ackerstandorten am Rande des Rhein-Main-Gebietes und in Südhessen, erhöhen und die Direktvermarktung aller Produktionsrichtungen in ganz Hessen stärken. Bei den zur angestrebten Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr künftig vermehrt erforderlichen Zielabgleichen wird insbesondere darauf zu achten sein, dass in Hessen eine ausreichend große Landwirtschaftsflächenausstattung erhalten bleibt, die zumindest die Aufrechterhaltung der derzeit tatsächlich landwirtschaftlich genutzten Fläche sicher gewährleistet. Dies erfordert die Sicherstellung eines hohen Flächenpuffers zwischen der potenziell nutzbaren Landwirtschaftsfläche und dem derzeit tatsächlich landwirtschaftlich genutzten Flächenumfang. Gerät der derzeitige Umfang an tatsächlich landwirtschaftlich genutzten Flächen durch nicht landwirtschaftliche Umnutzungen noch zunehmend in Gefahr, könnte dieser Umfang dann wiederum nur noch über eine Wiederherstellung von landwirtschaftlich genutzten Flächen in zuvor anders genutzten Bereichen erreicht werden. Frage 3. Wie groß ist der jährliche Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche zugunsten von Waldflächen? Bei der statistischen Erhebung der Waldzuwachsflächen wird die vorangegangene Flächennutzung nicht erfasst. Auf die statistische Übersicht des Hessischen Statistischen Landesamts zur Entwicklung der Flächeninanspruchnahme in Hessen für den Zeitraum von 1991 bis 2015 (Anlage 1) wird verwiesen; es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Waldzuwachs nahezu vollständig auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgt. Frage 4. Welche Priorität genießt vor dem Hintergrund des Flächenverlustes die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche? Bei der Planung von Siedlungs- und Verkehrsvorhaben kann ein Verlust landwirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Flächen durch die Vorhaben selbst (z.B. Trassenkörper) und durch die erforderlichen landschaftspflegerischen Maßnahmen eintreten. In beiden Fällen wird im Rahmen der Planung darauf geachtet, den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich zum einen aus dem grundgesetzlichen Schutz des Eigentums sowie aufgrund des im Rahmen von fachrechtlichen Prüfungen und Abwägungen zu beachtenden Belanges der Landwirtschaft. Zur flächensparenden Planung von Verkehrsanlagen trägt weiterhin bei, dass die naturschutzrechtlich erforderlichen Maßnahmen multifunktional gestaltet werden, indem zum Beispiel Maßnahmen des Artenschutzes mit denen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung räumlich gebündelt werden. Für sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der Eingriffsregelung wird außerdem die Verwendung von Ökokonten besonders forciert. Über Ökokonten werden vorlaufend zur Realisierung des Vorhabens Naturschutzmaßnahmen umgesetzt und entwickelt. Mit zunehmendem Entwicklungsstadium der Maßnahmenfläche steigt ihr ökologischer Wert. Sie können später für die Kompensation unterschiedlichster Projekte herangezogen werden. Da eine hoch entwickelte Fläche in größerem Umfang der Eingriffskompensation dient als eine neu angelegte Maßnahmenfläche , können über Ökokonten somit landwirtschaftliche Flächen geschont werden. Weiterhin werden derzeit Konzepte zur produktionsintegrierten Kompensation (PIK) entwickelt, die ein Miteinander von Landwirtschaft und Kompensation von Eingriffen ermöglicht. Ein Beispiel hierfür bildet die Extensivierung der Grünlandnutzung, über die sowohl eine landwirtschaftliche Nutzung möglich bleibt, als auch die Funktion der Fläche als Lebensraum für Tiere und Pflanzen steigt. Zudem ist im Rahmen der Planung vorrangig zu prüfen, ob die erforderlichen landschaftspflegerischen Maßnahmen durch eine Flächenentsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen erbracht werden können, um einen zusätzlichen Verbrauch von Nutzflächen zu vermeiden. Die Landesregierung hat den 2012 mit dem landwirtschaftlichen Berufsstand, insbesondere zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen, geschlossenen Zukunftspakt Landwirtschaft im letzten Jahr bestätigt und auf eine breitere Basis gestellt. Mit dem Zukunftspakt wird neben dem Nachhaltigkeitsziel von max. 2,5 ha tägliche Flächenneuinanspruchnahme bis 2020 für Siedlung- und Verkehr angestrebt, den Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche an der Landesfläche langfristig stabil zu halten; dies insbesondere durch eine konsequente Anwendung bestehender flächenrelevanter Regelungen sowie eine Stärkung und Unterstützung der Innenentwicklung und des nachhaltigen Flächenmanagements im Außenbereich. Zum Schutz landwirtschaftlicher Belange bei Flächen beanspruchenden Maßnahmen ist in dem Zukunftspakt zudem eine weitere Orientierung an den hessischen Agrarplanungen vorgesehen, deren bedarfsweise Fortschreibung in den nächsten Jahren geplant ist. Die landwirtschaftliche Flächennutzung wird bei der Anwendung flächenrelevanter Bestimmungen in Hessen berücksichtigt. Der prozentuale Rückgang der landwirtschaftlichen Fläche Hes- 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3346 sens ist in den letzten zehn Jahren mit 1,3 % im Bundesvergleich unterdurchschnittlich (Bundesgebiet über 2 %). Frage 5. Ist das Instrument von Ausgleichsmaßnahmen, die beispielsweise den Wegfall von landwirtschaftlichen Nutzflächen zugunsten von Siedlungsflächen durch zusätzlichen Wegfall landwirtschaftlicher Flächen als Ausgleichsmaßnahmen vorsehen, wie beispielsweise Herrichtung für Waldflächen, ein Instrument, das als zielführend für die Landwirtschaft in Hessen bezeichnet werden kann? Auch wenn die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen in Hessen für außerlandwirtschaftliche Zwecke in den letzten zehn Jahren stark abgenommen hat, ist eine anhaltende Zunahme der in Natur und Landschaft eingreifenden Siedlungs- und Verkehrsflächen statistisch weiterhin belegbar. § 15 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) hebt die Rücksichtnahme auf agrarstrukturelle Belange bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die für Eingriffsvorhaben notwendig werden, ausdrücklich hervor. Um zu vermeiden, dass die von den Fragestellern geschilderte Fallkonstellation auftritt, sieht § 2 Abs. 3 der Hessischen Kompensationsverordnung (KV) vom 1. September 2005 die Schonung ackerbaulich hochwertiger Flächen vor: "(3) Kompensationsmaßnahmen sollen nur dann auf ackerbaulich nutzbaren Flächen durchgeführt werden, wenn sie die ackerbauliche Nutzung nicht beeinträchtigen oder auf einer Fläche durchgeführt werden sollen, die für die ackerbauliche Nutzung nur von untergeordneter Bedeutung ist …" Unter ackerbaulich nutzbarer Fläche wird in diesem Zusammenhang Ackerland und Wechselgrünland außerhalb von Auen, Moorstandorten oder Überschwemmungsgebieten verstanden. Ausdrückliches Ziel der KV ist es, gute Ackerflächen zu schonen und Maßnahmen nach Möglichkeit auf NATURA-2000-Gebiete zu konzentrieren. Hierdurch soll im Ergebnis eine Verknüpfung mit der Managementplanung für die NATURA-2000-Gebiete erzielt werden, damit diese Gebiete schwerpunktmäßig geschützt und entwickelt werden. Jedenfalls zwingt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht automatisch dazu, bei der Realisierung von Eingriffen auf Ackerflächen auch die Kompensation auf Ackerflächen zu realisieren. Das Anpflanzen von Wald ist regelmäßig kein Ausgleich für die Überbauung landwirtschaftlicher Flächen. Allerdings kann in bestimmten Fällen die Aufwertung vorhandener Wald- oder Wasserflächen durchaus eine Kompensationswirkung auch bei solchen Eingriffen entfalten. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 der KV sind Kompensationspflichten nach anderen Vorschriften, insbesondere Ersatzaufforstungen oder die Zahlung einer Walderhaltungsabgabe, auf die naturschutzrechtlich geschuldete Kompensation anzurechnen. Das Hessische Waldgesetz (HWaldG) vom 8. Juli 2013 sieht bei Maßnahmen der Waldumwandlung bzw. der -neuanlage ebenfalls eine Berücksichtigung agrarstruktureller Belange vor. Eine Besonderheit ergibt sich bei der Bauleitplanung. Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen eines Bebauungsplanes unterfallen der kommunalen Planungshoheit; sie werden abschließend nach dem Baugesetzbuch (BauGB) geregelt und sind landesrechtlichen Regelungen nicht zugänglich. Es ist der fachplanerischen wie der bauplanungsrechtlichen Eingriffsregelung eigen, dass sie den Fokus auf die Belange des Naturschutzes legt und nicht auf die Förderung der landwirtschaftlichen Belange, auch wenn diese nach den vorgenannten Zielsetzungen und den jeweiligen fachlichen Prüfprogrammen zu berücksichtigen sind. Frage 6. Sieht die Landesregierung die Gefahr, dass beispielsweise der "Eiweiß-Initiative" in Hessen durch den Wegfall von Grünflächen eine der Grundlagen für eine im Wesentlichen dezentrale, weniger futtermittelabhängige Milchwirtschaft entzogen, mindestens diese geschmälert wird? Im Fokus der "Eiweiß-Initiative" stehen sowohl mit Leguminosen bestellte Ackerflächen als auch in Form von Wiesen und Weiden genutzte Grünlandflächen als wertvolle Eiweißträger bzw. -lieferanten. Wie der agrarstatistischen Darstellung der Aufteilung der als Acker- und Dauergrünland tatsächlich genutzten Landwirtschaftsfläche in der Antwort zu Frage 2 zu entnehmen ist, hat sich in den letzten beiden Jahren eine Verschiebung der tatsächlichen landwirtschaftlichen Flächennutzung zugunsten der Grünlandnutzung ergeben. Angesichts dieser auch förderungsbedingten Tendenz einer zunehmenden Grünlandnutzung sowie der seit 2010 in etwa gleichbleibenden, tatsächlich landwirtschaftlich genutzten Fläche in Höhe von rund 770.000 ha wird die von den Fragestellern durch einen angenommenen Wegfall von Grünflächen gesehene Gefahr für die Milchwirtschaft von der Landesregierung unter weiterer Bezugnahme auf die Beantwortung der Frage 2 derzeit nicht gesehen. Frage 7. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Kompensation sogenannten Flächenverbrauchs in der Regel vor Ort durchzusetzen? Die Durchführung von naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen richtet sich nach § 15 Abs. 2 BNatSchG. Danach ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet, unvermeidbare Be- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3346 5 einträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entweder auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Eine Kompensation "des Flächenverbrauchs" ist gesetzlich nicht vorgesehen. Lediglich die Beeinträchtigungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild, die durch die Eingriffe verursacht werden, sind zu kompensieren . Dabei sieht der Bundesgesetzgeber vor, dass dies im naturräumlichen Zusammenhang zu erfolgen hat. Hierzu hat der hessische Gesetzgeber mit der Anlage 1 zur KV eine entsprechende Konkretisierung vorgenommen. Eine "Kompensation des Flächenverbrauchs vor Ort" ist gesetzlich nicht vorgesehen. Regelungen zur forstrechtlichen Kompensation des Verbrauchs von Waldflächen finden sich im HWaldG. Das HWaldG sieht nach § 12 Abs. 1 S. 1 vor, dass die Genehmigung zur Rodung von Wald zum Zwecke einer dauerhaften Nutzungsänderung davon abhängig gemacht werden kann, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller flächengleiche Ersatzaufforstungen in dem betroffenen Naturraum oder in waldarmen Gebieten unter Berücksichtigung agrarstruktureller Belange nachweist. Weiter sieht § 12 Abs. 5 HWaldG vor, dass, soweit nachteilige Wirkungen einer Waldumwandlung nicht durch Ersatzaufforstungen ausgeglichen werden können, eine Walderhaltungsabgabe zu entrichten ist, deren Höhe nach der Schwere der Beeinträchtigung, dem Wert oder dem Vorteil für den Verursacher entsprechend sowie nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu bemessen ist. Die Abgabe ist zur Erhaltung des Waldes zu verwenden. Frage 8. Wird die bisherige, eher als nachrangig zu bezeichnende Einstufung landwirtschaftlicher Nutzflächen fürderhin geändert werden? Die Berücksichtigung der Landwirtschaftsfläche und agrarstruktureller Belange gehört zum Prüfprogramm des überwiegend bundesrechtlich bestimmten Planungs- und Fachrechts (z.B. ROG, BauGB, BNatschG). Die Bundesregierung hat sich in der Beantwortung einer Bundestagsanfrage (BT-Drs. 18/7864) im März 2016 gegen ein gesondertes Flächenschutzgesetz des Bundes ausgesprochen und unter anderem auf die BauGB-Novelle zur Stärkung der Innenentwicklung und die im § 15 Abs. 3 BNatSchG 2010 zum Flächenschutz eingeführte Abwägungsklausel hingewiesen. Für Hessen wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 bezüglich der Erreichung des 2,5-ha- Ziels der hessischen Nachhaltigkeitsstrategie Bezug genommen. Aufgrund der umfänglichen Regelungen sowohl im BNatSchG als auch im Hessischen Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG), die der besonderen Bedeutung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen Rechnung tragen, und der ausdrücklichen Schonung von Ackerflächen im Zusammenhang mit der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft , wie sie in der KV festgelegt ist, wird von einer "nachrangigen Einstufung" im Bereich des Naturschutzes nicht ausgegangen. Allerdings trifft es zu, dass Schutzgüter des Naturschutzes auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen häufig in geringerer Qualität vertreten sind als auf anderen Flächen. Dort, wo landwirtschaftliche Nutzflächen eine hohe Qualität für den Naturhaushalt haben, schlägt sich dies auch positiv in der Bewertung nieder. Die Möglichkeit einer teilweisen Fortentwicklung der boden- und flächenschützenden Aspekte der KV wird derzeit geprüft. Die Landesregierung wird auch künftig etwaige weitere Möglichkeiten zur nachhaltigen Reduzierung des Flächenverbrauchs im Außenbereich prüfen und bei der rechtlichen Fortentwicklung berücksichtigen. Frage 9. Sieht die Landesregierung die Gefahr, dass insbesondere der Wegfall der begrenzten Ackerflächen in Hessen zu zusätzlichen Importen von Futtermitteln und Feldfrüchten führen wird? Soweit die seit 2010 tatsächlich landwirtschaftlich genutzte Fläche in Höhe von rund 770.000 ha auch künftig aufrechterhalten werden kann, ist die von den Fragestellern angesprochene Gefahr eines zusätzlichen Importbedarfs nicht gegeben. Auf die Beantwortung der Fragen 2 und 6 wird insofern Bezug genommen. Frage 10. Wie groß sind die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Hessen, die jährlich als Ackerflächen zurückgewonnen werden können? Eine systematische Gesamtberechnung aller jährlichen Ver- und Entsiegelungsflächen liegt nicht vor. Wiesbaden, 14. Juli 2016 Priska Hinz Anlagen Anlage 1 Anlage 2