Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 10.05.2016 betreffend Querschnittsaufgaben an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: In der Antwort auf die Kleine Anfrage 19/3268 führt die Landesregierung die Ernährungs- und Verbraucherbildung als schulischen Inhalt auf, der in bestehende Strukturen einzubinden sei ohne neue zu schaffen. Ein fächerübergreifendes und vernetztes Lernen im Unterricht und in außerschulischen Lernorten sei erforderlich, um Schülerinnen und Schülern einen komplexen Kompetenzerwerb zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Beantwortung weiterer Anfragen greift aus Sicht der Landesregierung ein ähnlicher Ansatz zudem für die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen wie auch für die Erziehung zum kompetenten und sicheren Umgang mit Medien. Vorbemerkung des Kultusministers: Im Hessischen Schulgesetz (HSchG) wird der verfassungsrechtliche Auftrag der Schule, zu einer umfassenden Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler beizutragen, durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag konkretisiert. Der Stellenwert, den der Gesetzgeber diesem Auftrag beimisst, spiegelt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass dieser als § 2 und § 3 des Hessischen Schulgesetzes an exponierter Stelle und in vielen weiteren Vorschriften auf Gesetzes - und Verordnungsebene ausgestaltet ist. Mit der in § 2 und § 3 vorgenommenen Konkretisierung im HSchG werden besondere Bildungsund Erziehungsaufgaben verbunden, die in § 6 Abs. 4 HSchG festgelegt sind. Zu ihnen zählen insbesondere: ökologische Bildung und Umwelterziehung, informations- und kommunikationstechnische Grundbildung und Medienerziehung, Erziehung zur Gleichberechtigung, Sexualerziehung , kulturelle Praxis, Friedenserziehung, Rechtserziehung, Gesundheitserziehung und Verkehrserziehung. Diese besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben können aufgrund ihres spezifischen Inhalts und ihrer differenzierten Lernziele keinem einzelnen Fach zugeordnet werden. Sie stehen in vielfältigen Zusammenhängen mit den Unterrichtsfächern. Dementsprechend sind die besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben als Aufgabengebiete erfasst. Die Schulen sind verpflichtet , sie in fachübergreifender Unterrichtsform zu vermitteln. Dabei bestehen überwiegend enge Bezüge zu Unterrichtsfächern, und die genannten Aufgabengebiete können in Kerncurricula oder Lehrplänen näher bestimmt werden (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 5 HSchG). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche weiteren Inhaltsfelder und Ziele müssen an hessischen Schulen als Querschnittsaufgaben bzw. fächergreifend vermittelt werden? (Bitte die in der Vorbemerkung angesprochenen Inhalte vollständig auflisten) Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 2. Welche Evaluationsinstrumente wendet die Landesregierung an, um die tatsächliche Umsetzung aufgrund der geringeren Verbindlichkeit im Vergleich zur Verankerung in eigenständigen Fächern an den Schulen sicherzustellen? Es trifft nicht zu, dass den besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben - wie vom Fragesteller formuliert - eine "geringere Verbindlichkeit" im Vergleich zur Verankerung in eigenständi- Eingegangen am 9. Juni 2016 · Bearbeitet am 13. Juni 2016 · Ausgegeben am 17. Juni 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3374 09. 06. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3374 gen Unterrichtsfächern zukommt. Die Aufgabengebiete sind in den Hessischen Kerncurricula in den Inhaltsfeldern enthalten sowie in den Lehrplänen der einzelnen Bildungsgänge verankert. Die Verwirklichung des Bildungs- und Erziehungsauftrags gemäß § 2 und 3 HSchG und damit auch die Vermittlung der damit verbundenen besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben stellt gemäß § 6 Abs. 4 HSchG ein übergeordnetes Ziel schulischen Handelns dar. Für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags ist die Schule verantwortlich. Die Schulleitung ist verpflichtet, für die Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer insbesondere zur Gewährleistung des fächerverbindenden und fächerübergreifenden Lernens zu sorgen (vgl. § 88 Abs.1 HSchG). Alle Schulen entwickeln in Verwirklichung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags ihr eigenes pädagogisches Konzept und planen und gestalten den Unterricht und seine Organisation selbstständig (vgl. § 3 Abs. 5 HSchG). Die Ziele der schulischen Arbeit sind verpflichtend von jeder Schule im Schulprogramm unter Berücksichtigung des Bildungs- und Erziehungsauftrags festzulegen . Die Staatlichen Schulämter haben die Dienst- und Fachaufsicht über die Schulen und einzugreifen , sofern das schulische Handeln nicht im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag stehen sollte. Viele Aufgabengebiete werden landesweit in Programmen und Projekten umgesetzt, die regelmäßig evaluiert werden, so z.B. im Bereich der Kulturellen Bildung, der Medienbildung, der Gesundheitsbildung und Umweltbildung. Zu den eingesetzten Evaluationsinstrumenten zählen u.a. Zertifizierungsprogramme, Projekt begleitende wissenschaftliche Untersuchungen sowie auf Feedbackbögen basierende Abfragen. Frage 3. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass alle Lehrkräfte für diese Querschnittsaufgaben qualifiziert werden? Für die Umsetzung der besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben stehen vielfältige Ausund Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung: Seit 2007 werden zur nachhaltigen Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen (BEP) Fortbildungen durch BEP-Multiplikatorinnen und BEP-Multiplikatoren aus dem Elementar- und Primarbereich angeboten. 2015 wurden die BEP- Modulfortbildungen auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse mit den BEP- Multiplikatorinnen und BEP-Multiplikatoren, der Unterstützung des Instituts für Frühpädagogik (IFP) und der Begleitung durch das Hessische Kultusministerium und das Hessische Ministerium für Soziales und Integration konstruktiv weiterentwickelt und neu konzipiert. Das BEP Fortbildungsmodul 9 "Starke Kinder - Bewegung, Entspannung und Gesundheit in Kita, Kindertagespflege und Grundschule" beinhaltet den Schwerpunkt Bewegung und Entspannung und gesunde Ernährung als Elemente im pädagogischen Alltag von Schulen, Kindertageseinrichtungen und auch in der Kindertagespflege. Inhalte der Fortbildung sind das eigene Erkennen von Bewegungspräferenzen sowie das Kennenlernen praktischer Aktivitäten und konkreter Umsetzungsmöglichkeiten im pädagogischen Alltag sowohl der eigenen Einrichtung als auch des Tandems. Darauf aufbauend können feste Rituale entwickelt werden, die in den Tandems etabliert werden. Bezüglich des Aufgabengebiets "Gesundheitsbildung" werden die unterschiedlichen Aspekte einer gesunden Entwicklung des Kindes miteinbezogen. Alle Ziele und Inhalte des Moduls basieren auf den Grundlagen des Bildungs- und Erziehungsplanes . Diese Fortbildung wird an zwei Tagen und einem halben "Follow-up"-Tag im Tandem angeboten und wird prozessbegleitend durchgeführt. Alle Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und weitere Tandempartner können dieses kostenfreie Fortbildungsangebot buchen. Im Rahmen des Programms Schule & Gesundheit werden Querschnittsaufgaben u.a. über langjährige Projekte sichergestellt. Diese implizieren in der Regel auch die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen für die Lehrkräfte (z.B. Projektangebot "Erwachsen Werden", "Erwachsen Handeln", "Klasse 2000"). Im Bereich der Ernährungs- und Verbraucherbildung werden regelmäßig Fortbildungen für Lehrkräfte von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung angeboten. Die Aktualisierung der "Richtlinien zur Durchführung medizinischer Hilfsmaßnahmen an Schulen" ist verbunden mit einem Fortbildungsangebot. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3374 3 Bezüglich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BnE), die viele Bereiche der genannten Bildungs- und Erziehungsaufgaben umfasst (ökologische Bildung und Umwelterziehung, Erziehung zur Gleichberechtigung, Friedenserziehung u.a.) laufen verstärkt Bemühungen, diese in Phase 1 und 2 der Lehrerausbildung zu integrieren. Bezüglich Phase 2 (Referendariat) wird zur Zeit ein Modul zu BnE am Studienseminar Wiesbaden unter wissenschaftlicher Begleitung etabliert, am Studienseminar Darmstadt existiert eine Arbeitsgruppe zur Implementierung. Das Programm "hessische Umweltschulen" bietet den Lehrkräften der teilnehmenden Schulen Fortbildungen und - auf Wunsch - Beratungen zu den Themen und der Umsetzung der Umweltbildung an. Die Kultusministerkonferenz hat im März 2016 den "Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung" aktualisiert und erweitert herausgegeben, der von allen Lehrkräften kostenlos bezogen werden kann. Dieser enthält umfangreiche Hinweise zur Umsetzung des Globalen Lernens in der Grundschule, in sämtlichen Fächern der Sekundarstufe I und II, in der beruflichen Bildung und in der Lehrerausbildung. Qualifizierungsangebote für die Kulturelle Bildung werden mit einem umfassenden Fortbildungsangebot "Kreative Unterrichtspraxis" seitens des Projektbüros Kulturelle Bildung für Lehrkräfte aller Fächer und Bildungsgänge kostenfrei zur Verfügung gestellt. In der zweiten Phase der Lehrerbildung ist für das Grundschullehramt ein Modul Ästhetische Bildung inbegriffen . Im Bereich Medienbildung wird auf Basis einer Kooperation mit allen hessischen Universitäten durch die Hessische Lehrkräfteakademie die phasenübergreifende Verankerung der Medienbildung in der Lehrerbildung befördert. In der zweiten Ausbildungsphase ist die Vermittlung von Medienbildungskompetenz als Bestandteil der fachdidaktischen Module verankert. Darüber hinaus werden Fortbildungen im Bereich der Studienseminare im Rahmen des Projekts "Medien und Module" angeboten, die eine Unterstützung für Ausbilderinnen und Ausbilder bei der Umsetzung der fachdidaktischen Module umfassen. Im Rahmen der Lehrerfortbildung bietet die Lehrkräfteakademie eine Vielzahl von Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte im Bereich der Medienbildung an, die sowohl Fragen des sicheren Umgangs mit Medien als auch den didaktisch sinnvollen Einsatz von neuen Medien im Unterricht betreffen. Weitere Fortbildungsangebote im Bereich Medienbildung werden durch die Medienzentren sowie durch externe Kooperationspartner wie die Medienanstalten, zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus erhalten die Staatlichen Schulämter Mittel für bedarfsgerechte Fortbildungsangebote in der Region. Im Bereich des außerschulischen Lernens unterstützt das Hessische Kultusministerium u.a. Museen , Archive und Gedenkstätten mit Lehrerabordnungen, um entsprechende außerschulische Lernorte noch besser für Schülerinnen und Schüler sowie in Form von Lehrerfortbildungen auch für Lehrkräfte erschließen zu können. Frage 4. Von welchem wöchentlichen Stundenumfang geht die Landesregierung für die notwendigen überfachlichen Vernetzungen und Absprachen aus? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Die Aufgabengebiete sind in ausreichendem Maß bei der curricularen Planung des Unterrichts und bei der Schulprogrammarbeit zu berücksichtigen . Ein wöchentlicher Stundenumfang dafür ist nicht quantifizierbar. Frage 5. Wie sind Leistungen und Kompetenzerwerbe solcher Querschnittsaufgaben in Zeugnissen ersichtlich ? Die Aufgabengebiete sind in ausreichendem Maß bei der curricularen Planung des Unterrichts zu berücksichtigen. Über die inhaltliche und unterrichtsorganisatorische Umsetzung entscheidet die Gesamtkonferenz auf der Grundlage einer Konzeption der jeweils zuständigen Konferenz der Lehrkräfte. Die fachübergreifenden Aufgabengebiete werden in Form von Unterrichtseinheiten und Projekten umgesetzt. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3374 Entsprechend sind die Leistungen und Kompetenzerwerbe in den Aufgabengebieten in Zeugnissen im Pflichtunterricht, Wahlpflichtunterricht, Wahlunterricht oder bei den freiwilligen Unterrichtsveranstaltungen berücksichtigt. Frage 6. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse aus anderen Bundesländern darüber vor, ob dort andere Fächer als die in Hessen verankerten Unterrichtsfächer im Pflichtunterricht angeboten werden und wenn ja, um welche handelt es sich? Diese Daten werden von der Landesregierung nicht systematisch erhoben. Wiesbaden, 3. Juni 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz