Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 19.05.2016 betreffend Redispatch-Maßnahmen und Vergütung von Blindleistung von Windkraftanlagen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Der ungesteuerte Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft, stellt die Stromnetzbetreiber vor massive Herausforderungen, um die Stabilität des Stromnetzes sicherzustellen. Um die Versorgungssicherheit des Netzes zu erhalten, sind immer häufiger Redispatch-Maßnahmen notwendig. Dabei werden Erzeugungsleistungen und Einspeisung gedrosselt bzw. erhöht. Zudem muss die Kompensation fehlender Blindleistung sichergestellt werden, die zur Spannungshaltung in den Übertragungsnetzen benötigt wird. Von 2010 bis 2014 ist die Eingriffshäufigkeit (in h) von 1.588 auf 8.453 drastisch gestiegen. Das Gleiche gilt für die Kosten, die auf die Stromkunden abgewälzt werden. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Redispatch-Maßnahmen werden nach § 13 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) durch die Übertragungsnetzbetreiber mit dem Ziel durchgeführt, auftretende Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen und damit die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems aufrechtzuerhalten . Diese Maßnahmen können regelzonenintern und -übergreifend angewendet werden. Für den Zeitraum 2010 bis 2012 sah das EnWG in der damaligen Fassung des § 13 Abs. 5 EnWG zwar grundsätzlich die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber vor, Redispatch-Maßnahmen an die Bundesnetzagentur zu melden. Diese Meldung umfasst jedoch keine landesspezifischen Daten, sondern lediglich Maßnahmen innerhalb der Regelzone der Übertragungsnetzbetreiber. Da Hessen von zwei Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TenneT TSO betroffen ist, deren Regelzone zudem weitere Bundesländer umfasst, können für diesen Zeitraum keine landesspezifischen Daten angegeben werden. Im Jahr 2012 hat der Bundesgesetzgeber zudem eine Verpflichtung zur Veröffentlichung dieser Daten im Internet eingeführt. Die konkrete Ausgestaltung einer entsprechenden Internetplattform wurde durch die im Amtsblatt 21/2012 der Bundesnetzagentur veröffentlichte Festlegung der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur (BK6-11-098) vom 30.10.2012 zur "Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen für Eingriffsmöglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen" geregelt. Die Darstellung der jeweiligen Einzelmaßnahmen auf der Internetplattform erlaubt seit dem Jahr 2012 landesspezifische Angaben, die zur Beantwortung der Kleinen Anfrage von der Bundesnetzagentur zur Verfügung gestellt wurden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie häufig mussten die Stromnetzbetreiber in Hessen in den Jahren 2010 bis 2015 (jeweils jährlich ) durch Redispatch-Maßnahmen die Netzstabilität sicherstellen? In der folgenden Tabelle ist die Anzahl an Redispatch-Maßnahmen aufgrund von Überlastungen von Netzelementen des Übertragungsnetzes in Hessen in den Jahren 2012 bis 2015 dargestellt. Jahr 2012 2013 2014 2015 Häufigkeit der Redispatch-Maßnahmen in Hessen 8 224 200 139 Für den Zeitraum 2010 bis 2012 liegen hierzu keine landespezifischen Daten vor. Frage 2. Wie hoch waren in den Jahren von 2010 bis 2015 die Kosten der Redispatch-Maßnahmen für die hessischen Stromkunden? Die Kosten für Redispatch-Maßnahmen werden in der Erlösobergrenze desjenigen Übertragungsnetzbetreibers angesetzt, in dessen Regelzone die Maßnahme durchgeführt wurde. Bei regelzonenübergreifenden Redispatch-Maßnahmen werden die Kosten zwischen den beteiligten Eingegangen am 20. Juli 2016 · Ausgegeben am 25. Juli 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3418 20. 07. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3418 Übertragungsnetzbetreibern aufgeteilt. Die Regelzonen erstrecken sich über mehrere Länder, beispielsweise im Falle der TenneT TSO über die Länder Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Daher ist keine genaue Aufschlüsselung über Kosten der Redispatch-Maßnahmen für die hessischen Stromverbraucher möglich. Frage 3. Wie häufig kam es in den Jahren 2010 bis 2015 zu Lieferunterbrechungen im hessischen Stromnetz ? Zu den Lieferunterbrechungen liegen Daten aus dem Zeitraum 2010 bis 2014 vor. Darin wurden die Anzahl und der Umfang von Versorgungsunterbrechungen in den hessischen Mittel- und Niederspannungsnetzen erfasst. Der Bundesnetzagentur liegen zurzeit noch keine vollständigen Daten der Netzbetreiber für das Jahr 2015 vor; die SAIDI-Werte (System Average Interruption Duration Index) werden, wie im Vorjahr, voraussichtlich erst im dritten Quartal 2016 veröffentlicht. Jahr Anzahl Unterbrechungen Umfang ungeplanter Unterbrechungen der Stromversorgung (inkl. höherer Gewalt) in Minuten Umfang geplanter Unterbrechungen der Stromversorgung (inkl. Höherer Gewalt) in Minuten Niederspannung Mittelspannung Niederspannung Mittelspannung Niederspannung Mittelspannung 2010 12.271 881 11.368.130 194.143 17.568.767 9.704 2011 12.785 884 8.334.073 252.873 16.139.657 12.382 2012 11.902 575 9.051.230 132.557 14.894.240 7.906 2013 11.364 615 11.349.790 209.508 12.889.382 6.243 2014 11.525 647 11.350.641 130.436 15.605.645 6.645 Frage 4. Welchen Umfang hatten die Unterbrechungen der Stromversorgung im hessischen Netz in den Minuten in den Jahren von 2010 bis 2015? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Frage 5. In welchen Regionen kam es zu welchen Zeitpunkten zu Lieferunterbrechungen im hessischen Stromnetz in den Jahren von 2010 bis 2015? Die in der Antwort zu Frage 3 dargestellten Lieferunterbrechungen erfassen ganz Hessen. Eine gesonderte Darstellung etwa nach Landkreisen bzw. Gemeindegebieten sowie deren Zeitpunkte sind nicht möglich, da die von den Unternehmen gelieferten Daten auch aus Gründen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht veröffentlicht werden. Frage 6. An welchen Stellen im hessischen Stromnetz kam es zu Engpässen in den Jahren von 2010 bis 2015? In der folgenden Übersicht sind die ab 2012 von einer Überlastung betroffenen Netzelemente des Übertragungsnetzes in Hessen aufgeführt. Die darin enthaltenen Angaben beziehen sich auf die Anzahl und Dauer der aufgetretenen Überlastungen sowie die Größenordnung der Einspeisereduzierung . Für die Jahre 2010 bis 2012 liegen, wie vorstehend ausgeführt, keine landespezifischen Daten vor. Betroffenes Netzelement Dauer in Std. Einspeisereduzierung (in MWh) Anzahl Überlastungen Jahr 2012 Gebiet Vieselbach-Mecklar-Eisenach 33 9.010 8 Jahr 2013 Gebiet Mecklar (Mecklar-Borken, Mecklar-Dipperz) 629 366.804 219 Gebiet Vieselbach-Mecklar-Eisenach 29 13.500 5 Jahr 2014 Gebiet Mecklar (Mecklar-Borken, Mecklar-Dipperz) 266 130.470 158 Gebiet Borken-Gießen (Borken-Gießen-Großkrotzenburg) 77 21.734 30 Twistetal-Nehden 2 480 1 Gebiet Vieselbach-Mecklar-Eisenach 39 14.007 11 Jahr 2015 Gebiet Mecklar-Dipperz (Mecklar-Borken, Mecklar-Dipperz, Dipperz-Aschaffenburg, Dipperz-Großkrotzenburg) 499 303.632 52 Gebiet Großkrotzenburg (Großkrotzenburg, Großkrotzenburg- Dipperz, Großkrotzenburg-Karben) 174 80.661 18 Gebiet Borken-Gießen (Borken-Gießen-Berghausen-Karben 271 76.307 68 Frankfurt 3 348 1 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3418 3 Frage 7. Wie hoch waren die Vergütungen bzw. Entschädigungen für hessische Windindustrieanlagen, die aufgrund von Redispatch-Eingriffen nicht regulär in das Stromnetz einspeisen konnten? Die Ausfallarbeit von Onshore-Windenergieanlagen in Hessen betrug in den ersten drei Quartalen 2015 insgesamt 2.487 MWh. Die durch die Netzbetreiber geschätzten Entschädigungsansprüche der Anlagenbetreiber belaufen sich für diesen Zeitraum auf 223.974 €. Für das vierte Quartal 2015 liegen noch keine Daten vor. Frage 8. Wie werden die von den Betreibern von Windindustrieanlagen geltend gemachten Kosten nachgewiesen und kontrolliert? Das Verfahren ist nach dem Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement - Abschaltrangfolge, Berechnung von Entschädigungszahlungen und Auswirkungen auf die Netzentgelte (Version 2.1 - Stand: 07.03.2014) geregelt. Darin sind konkrete Nachweispflichten enthalten, die die Betreiber von Windenergieanlagen sicherzustellen haben. Im Fall der Windenergie, bei der keine Wärmeproduktion stattfindet, werden nur die Kosten der Ausfallarbeit, nicht aber entgangene Einnahmen erstattet. Ebenso werden ersparte Aufwendungen nicht berücksichtigt. Zur Ermittlung der Ausfallarbeit von Windenergieanlagen werden zwei Verfahren als sachgerecht angesehen. Im pauschalen Verfahren wird die Ausfallarbeit anhand weniger Werte einfach ermittelt. Im Spitzabrechnungsverfahren werden diese mit Hilfe von Windgeschwindigkeitsmesswerten zur Ermittlung der Ausfallarbeit berechnet. Entschädigungszahlungen nach § 14 EEG können nur als Kosten anerkannt werden, wenn die zugrunde liegende Maßnahme erforderlich war, der Netzbetreiber sie nicht zu vertreten hat und wenn die Zahlungen den gesetzlich erforderlichen Rahmen nicht übersteigen. Hierzu sind entsprechende Nachweise vorzulegen, die eine sachkundige dritte Person in die Lage versetzen, die Anerkennungsfähigkeit der Ansprüche vollständig nachvollziehen und prüfen zu können. Wiesbaden, 12. Juli 2016 Tarek Al-Wazir