Kleine Anfrage der Abg. Beer (FDP) vom 30.05.2016 betreffend Umsetzung des elektronischen BAföG-Antrags in Hessen und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Mit dem 25. BAföG-Änderungsgesetz wurden die Länder verpflichtet, bis zum 1. August 2016 eine elektronische Antragstellung zu ermöglichen. Dafür sind entsprechende Online-Antragsformulare bzw. hierfür erforderliche Web-Anwendungen bereitzustellen. Wie auch bei anderen Maßnahmen zur Einführung elektronischer Verwaltungsabläufe sind medienbruchfreie Prozesse das Ziel, die zu vollständig auf elektronischem Weg durchgeführten Verwaltungsverfahren führen. Hessen führte im November 2015 als erstes Land ein komplett papierloses Verfahren mit Nutzung der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises (eID) ein. Vertreter des Deutschen Studentenwerkes (DSW) kritisieren allerdings, dass eine ländergemeinsame Lösung derzeit scheinbar nicht angestrebt wird. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Der Vollzug des BAföG und damit auch die Umsetzung in informationstechnischer Hinsicht obliegt den Ländern (Auftragsverwaltung gem. § 39 Abs. 1 BAföG). Bis 2009 hat sich der Bund im BAföG-IT-Bereich engagiert, indem er das seinerzeitige Länderverbund-Großrechnerverfahren mitfinanziert und Programmiervorgaben gemacht hat. Dieses Engagement hat er im Jahr 2009 aufgegeben. Die Länder haben daraufhin in eigener Zuständigkeit unterschiedliche moderne IT-Lösungen geprüft und neu eingeführt. Im Einzelnen stellt sich aus heutiger Sicht die Situation wie folgt dar: Verfahren der Fa. Datagroup in den Ländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein, BAföG 21-Länderverbund in den Ländern Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg- Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, IT Nordrhein-Westfalen. Das DSW als Dachverband der deutschen Studentenwerke beobachtet die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern und hat zuletzt mit Pressemeldungen vom 19.03.2015 und 10.03.2016 die heterogene Situation im IT-Bereich kritisiert. In Hessen wurden im Jahr 2014 (die Zahlen für 2015 liegen erst im Rahmen der Bundesstatistik im Juli 2016 vor) knapp 50.000 Studierende und 15.000 Schüler/Schülerinnen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) mit zusammen etwa 224 Mio. € (Bundes- und Landesmittel ) gefördert. Davon wurden 136 Mio. € in Form von Zuschüssen und 87 Mio. € in Form von Darlehen gewährt. Die Antragsbearbeitung erfolgt für die Studierenden in den fünf hessischen Studentenwerken (für Schüler/Schülerinnen in 26 kommunalen BAföG-Ämtern der hessischen Landkreise und kreisfreien Städte). Im Mai 2012 wurde das aus den 1970er Jahren stammende IT-Länderverbund- Großrechnerverfahren durch das "Hessische BAföG- und AFBG-Verfahren - HeBAV" erfolgreich abgelöst. Mit der Einführung ist die Grundlage für eine durchgängige elektronische Bearbeitung von Anträgen und deren Bescheidung sowie für eine medienbruchfreie Archivierung geschaffen worden. In den Ämtern für Ausbildungsförderung werden damit alle Prozesse zur Antragstellung einschließlich Berechnung, tägliche Bescheiderstellung, Zahlung (mit zwei Zahlläufen pro Monat) und Rückforderung inklusive integrierter Forderungsverwaltung durchgeführt . Eingegangen am 18. Juli 2016 · Bearbeitet am 19. Juli 2016 · Ausgegeben am 22. Juli 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3434 18. 07. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3434 Zeitgleich mit der Einführung wurde unter https://www.bafög-hessen.de die Möglichkeit einer Online-Beantragung geschaffen. Die Daten werden in den Ämtern zur weiteren Bearbeitung direkt aus den Online-Antragsformularen übernommen. Antragstellende können jederzeit und mehrfach den Status der Bearbeitung online abfragen. Im Februar 2014 hat Hessen dieses Online-Angebot um die Möglichkeit erweitert, auch erforderliche Antragsunterlagen (Steuerbescheid der Eltern, Schulbescheinigungen von Geschwistern u. ä.) in einen gesicherten Bereich hochzuladen und dort direkt an das für die Antragsbearbeitung zuständige Amt zu übermitteln. Der Status der Bearbeitung kann dabei, wie schon beim Antrag selbst, von den Antragstellenden ebenfalls online abgefragt werden. Seit dem 01.12.2015 ist es möglich, den Antrag auf Leistungen nach dem BAföG landesweit mittels elektronischem Identitätsnachweis (neuer Personalausweis/elektronischer Aufenthaltstitel - eID) papierlos zu stellen. Durch Nutzung der eID-Funktion kann auf den bisher zwingend erforderlichen Prozess mit zusätzlichem Ausdruck, auf die Unterschrift und die postalische oder persönliche Einreichung beim Amt verzichtet werden. Hessen hat damit als erstes (und bisher einziges) aller 16 Bundesländer und weit vor der gesetzlichen Vorgabe des Bundes (01.08.2016) landesweit neue Möglichkeiten bei der Online-Antragstellung eröffnet. Zugleich ist es auch in der gesamten hessischen Landesverwaltung der erste Einsatz der eID-Funktion. Hessen erfüllt mit der Einführung der neuen Software "HeBAV" die im Übrigen bereits vom Nationalen Normenkontrollrat erhobenen Anforderungen an eine moderne IT (vgl. Studie "Einfacher zum Studierenden-BAföG"1) weit vor dem gesetzlichen Termin und in vollem Umfang. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie schätzt die Landesregierung den bisherigen Erfolg der Anlaufphase für das papierlose Antragsverfahren ein? Die Inanspruchnahme der papierlosen Variante mittels eID war bislang gering. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das neue Verfahren erst zum 01.12.2015 eingeführt wurde und sich die Hauptantragszeit auf den Zeitraum Juli bis Oktober eines jeden Jahres erstreckt (für das jeweilige Wintersemester). Gezielte Werbemaßnahmen der hessischen Studentenwerke sollen helfen, die Nutzung des elektronischen Verfahrens zu steigern. Frage 2. Wie viele Antragsteller nutzten das komplett papierlose Verfahren und das Verfahren mit anschließendem Ausdruck bisher? (Bitte auch angeben, wie hoch sich jeweils der Anteil an der Gesamtheit der Antragsteller darstellt). Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vollständig papierlose Anträge auf Leistungen mittels elektronischem Identitätsnachweis (neuer Personalausweis/elektronischer Aufenthaltstitel - eID) wurden seit der Einführung im Dezember 2015 wie folgt gestellt: Dezember 2015 1 2016 (1. Quartal) 1 2016 (2. Quartal) 5 Erstanträge mit Onlineübermittlung und anschließendem Papierausdruck wurden von Studierenden hessenweit wie folgt gestellt: 2013 2.100 von 19.967 (10,52 %) 2014 2.646 von 19.164 (13,81 %) 2015 3.121 von 17.628 (16,57 %) 2016 (1. Quartal) 548 von 3.474 (15,80 %) Frage 3. Wie schätzt die Landesregierung den Verwaltungsaufwand der elektronischen Antragsverfahren im Vergleich zum nichtelektronischen Verfahren ein? Mit der Einführung des elektronischen Antragsverfahrens sind folgende wesentliche Vorteile verbunden: 1 Bundeskanzleramt, Nationaler Normenkontrollrat: Einfacher zum Studierenden-BAföG. Abschlussbericht März 2010. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3434 3 Die Steigerung der Qualität eingereichter Anträge wird infolge einer elektronischen Plausibilitäts - und Vollständigkeitsprüfung bei der Online-Antragstellung unterstützt, zeitintensive Rückfragen werden dadurch vermindert. Die direkte elektronische Zustellung und Zuordnung der einzureichenden Dokumente löst den Weg über die Poststelle ab und verkürzt somit die Bearbeitungszeiten. Elektronisch übermittelte Antragsformblätter sowie Dokumente werden in das Dokumentenjournal der Akte übernommen. Bei Nutzung der "eID-Funktion" entfallen zudem der Ausdruck, die persönliche Unterschrift und die postalische oder persönliche Zustellung an das Amt. Vor diesem Hintergrund hat sich der Aufwand sowohl bei den BAföG-Ämtern als auch bei den Antragstellenden nach Einschätzung der Landesregierung reduziert. Dies hat eine schnellere Auszahlung von Förderungsleistungen an die Antragstellenden zur Folge. Frage 4. Besteht eine direkte Anbindung der Web-Anwendung für den Online-Antrag an die BAföG- Verwaltungssoftware? Aus Gründen des technischen Datenschutzes besteht physikalisch keine direkte Anbindung. Der Onlineantrag wird auf einem separaten Server abgelegt. Der Zugriff auf die dortigen Daten erfolgt von der sachbearbeitenden Stelle über einen abgesicherten Web-Service, die Antragsformblätter und deren Daten werden dann in die Verwaltungssoftware übernommen. Frage 5. Wenn nein, ist eine solche geplant und welche Maßnahmen wären zur Umsetzung vorher nötig? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Frage 6. Verfügt der hessische Online-Antrag - in der vollelektronischen und in der Variante zum anschließenden Ausdruck - über Ausfüllhilfen und Plausibilitäts- bzw. Vollständigkeitsprüfungen? Ja. In beiden Varianten sind Ausfüllhilfen, Plausibilitäts- und Vollständigkeitsprüfungen enthalten . Ferner wird am Ende ein Schreiben generiert, in dem die wesentlichen von der Antragstellerin /vom Antragsteller beizufügenden bzw. nachzureichenden Unterlagen aufgeführt sind. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen. Frage 7. Strebt die Landesregierung eine ländergemeinsame Lösung für ein einheitliches Antragsportal oder Ähnliches an und welche Bemühungen stellte sie gegebenenfalls dafür an? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, führen die Länder das BAföG im Auftrag des Bundes aus. Sie treffen daher auch die Entscheidung über das zur Anwendung kommende IT-Verfahren in eigener Zuständigkeit. Die in den einzelnen Ländern eingesetzten IT-Verfahren sind sehr heterogen, auch hinsichtlich ihres Reifegrades. Daher erscheint eine ländergemeinsame Lösung bzw. ein einheitliches Antragsportal aus heutiger Sicht derzeit nicht realisierbar. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Antwort auf Frage 8 verwiesen. Frage 8. Wie funktioniert bei einem Studienortwechsel derzeit der Datenaustausch zwischen den IT- Systemen der BAföG-Ämter der Länder? Der Austausch erfolgt im Wege der Übermittlung der Papier-Förderakte. Ein elektronischer Datenaustausch ist aufgrund der unterschiedlichen eingesetzten IT-Verfahren der Länder derzeit nicht möglich. Auf Initiative der Fachebene des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst haben sich die Länder zwischenzeitlich in wesentlichen IT-Fragestellungen ausgetauscht. Dieser Austausch soll verstetigt werden, um z.B. eine einheitliche Datenstruktur für eine elektronische Akte zu entwickeln. Dies wird gelingen, wenn alle Länder bereit sind, an solchen gemeinsamen länderübergreifenden Lösungen mitzuarbeiten. Wiesbaden, 7. Juli 2018 Boris Rhein