Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 07.06.2016 betreffend Beteiligung am Ergänzenden Hilfesystem (EHS) zugunsten der Opfer von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Wer als Minderjähriger zwischen 1949 und 2013 sexuell missbraucht wurde und keine Hilfen aus dem Opferentschädigungsgesetz erhält oder Ansprüche auf Kostenübernahme der Therapien durch die Krankenkassen besitzt, kann zusätzliche Hilfeleistungen aus dem Ergänzenden Hilfesystem (EHS) beantragen. Dazu gehören der Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich (FSM) und das Ergänzende Hilfesystem Institutioneller Bereich. Dem Hilfsfonds für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs im familiären Bereich fehlen laut Frankfurter Rundschau vom 17. Mai 2016 immer noch mehr als 40 Mio. der zugesagten 100 Mio. €. Das Land Hessen hat sich bisher nicht an der Finanzierung des Fonds beteiligt. Ebenfalls beteiligt sich Hessen noch nicht am Ergänzenden Hilfesystem Institutioneller Bereich. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Die Hessische Landesregierung hat mit Kabinettsbeschluss vom 11.07.2016 sowohl den Beitritt zum Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich (FSM) als auch den Abschluss einer Vereinbarung zum Ergänzenden Hilfesystem Institutioneller Bereich (EHS) vereinbart. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium der Justiz wie folgt: Frage 1. Wie viele Betroffene aus Hessen, die in ihrer Kindheit und Jugend im familiären Bereich sexuell missbraucht wurden, haben seit Einrichtung des Hilfsfonds Anträge auf zusätzliche Hilfeleistungen gestellt? Nach einer aktuellen Auskunft der Fondsverwaltung liegen 276 Anträge aus Hessen vor. Frage 2. Aus welchen Gründen beteiligt sich das Land Hessen nicht an der Finanzierung des Hilfsfonds für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien"? Frage 3. Plant die Landesregierung, sich in Zukunft an der Finanzierung des Fonds zu beteiligen? Die Fragen 2 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Hierzu wird auf die Vorbemerkung des HMSI (Hessischen Ministers für Soziales und Integration ) verwiesen. Frage 4. Welche weiteren Unterstützungsmöglichkeiten gibt es in Hessen speziell für die Opfer sexuellen Missbrauchs in Familien? Es gibt eine Reihe von spezialisierten Beratungsstellen. In der Regel ist der Träger der Verein Wildwasser. Des Weiteren beraten und unterstützen auch Beratungsstellen z.B. von pro familia e.V. und dem Kinderschutzbund e.V. Frage 5. Welche und wie viele Beratungsstellen gibt es insgesamt dafür in Hessen (Auflistung bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten)? Wie bereits 2015 in der Antwort auf den Berichtsantrag 19/908 vorgetragen wurde, ist die professionelle Unterstützung von Betroffenen ein zentraler Bestandteil bei der individuellen Bewältigung sexueller Gewalt. In Hessen gibt es vielfältige Beratungs- und Hilfsangebote für Missbrauchsopfer . Derzeit können Betroffene sexualisierter Gewalt die Angebote zur Erstabklärung, Diagnostik und Intervention in Krankenhäusern und die Angebote von spezialisierten Beratungsstellen, Opferhilfevereinen sowie Erziehungs-, Familien-, Ehe- und Lebensberatungsstellen nutzen. Eingegangen am 3. August 2016 · Ausgegeben am 8. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3441 03. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3441 Das HMSI unterstützt seit den 80er-Jahren spezialisierte Beratungsstellen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Spezialisierte Beratungsstellen zum Thema sexueller Missbrauch bilden ein niedrigschwelliges, unbürokratisches Hilfsangebot für von sexuellem Missbrauch Betroffene . Aufgabe der spezialisierten Beratungsstellen ist dabei, Kindern und Jugendlichen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, sowie deren Angehörigen und Vertrauenspersonen Beratung anzubieten. Ziel in den Beratungsgesprächen ist es, Schutz vor (weiterer) Gewalt herzustellen und die Folgen bereits erlebter Gewalt zu bearbeiten. Das Hilfsangebot der Beratungsstellen ist vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym. Die finanziellen Mittel wurden im Jahr 2003 kommunalisiert und werden seitdem aus dem Zielbereich "Schutz vor Gewalt" der Kommunalisierung sozialer Hilfen gefördert. 2014 wurden die Landesmittel für das Ziel der Beratung zum Thema sexualisierte Gewalt um 750.000 € aufgestockt . Bedingung hierfür ist, dass die bisher eingesetzten Komplementärmittel der Kommunen bzw. der Träger ebenfalls weiter zur Verfügung stehen. Auf sexuelle Gewalt spezialisierte Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche werden in Hessen z.B. von den Wildwasser Vereinen sowie einzelnen Beratungsstellen des Kinderschutzbundes und pro familia angeboten. Das HMdJ (Hessische Ministerium der Justiz) fördert die sieben hessischen Opferhilfevereine, welche insbesondere auch Opfer sexuellen Missbrauchs beraten: - Hanauer Hilfe, Opfer- und Zeugenhilfe Hanau e.V. - Gießener Hilfe, Opfer- und Zeugenhilfe Gießen e.V. - Kasseler Hilfe, Opfer- und Zeugenhilfe Kassel e.V. - Wiesbadener Hilfe, Opfer- und Zeugenhilfe Wiesbaden e.V. - Trauma- und Opferzentrum Frankfurt am Main e.V. - Opferhilfe Limburg-Weilburg e.V. Die Gründung eines Vereins "Opfer-und Zeugenhilfe Darmstadt" befindet sich derzeit in Vorbereitung . Auch für diesen Opferhilfeverein ist eine Förderung durch das Hessische Ministerium der Justiz beabsichtigt. Aufgabe der Opferhilfevereine sind dabei die sozialarbeiterische Beratung und Betreuung der Opfer und Zeugen von Straftaten sowie deren Angehörigen und Vertrauenspersonen. Diese Beratung orientiert sich an den realen Bedürfnissen der Betroffenen. Ziel ist, bei der Bewältigung der Folgen einer erlittenen Straftat Unterstützung zu geben. Dabei ist es unerheblich, um welches Verbrechen oder Vergehen es sich handelt und ob bereits Strafanzeige erstattet wurde oder nicht. Das Hilfsangebot der Opferhilfevereine ist absolut vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym. Die inhaltliche Gestaltung der Betreuungsarbeit orientiert sich an den Opferhilfestandards (Qualitätsstandards für eine professionelle Unterstützung von Kriminalitätsopfern) des Arbeitskreises der Opferhilfe in der Bundesrepublik Deutschland (ado). Darüber hinaus haben die hessischen Opferhilfen für ihre Arbeit in den Opferhilfevereinen und den Beratungsstellen 1998 mit dem Konzept "Opferhilfe als Pflichtaufgabe der Justiz - Profil der hessischen Opferhilfen" Qualitätsstandards entwickelt. Das Konzept enthält u.a. fachliche Leitlinien zu folgenden Punkten: - Ausbildung, Fort- und Weiterbildung sowie Supervision, - Arbeitsweisen und Prinzipien der Beratung sowie - Methoden der Opferhilfe. Eine abschließende Auflistung der Beratungsmöglichkeiten hätte eine umfangreiche Umfrage bei den kommunalen Spitzenverbänden und der Liga der freien Wohlfahrtsverbände erfordert, die in der erforderlichen Zeit nicht zu leisten war. Frage 6. Wie weit fortgeschritten ist der Aufbau eines flächendeckenden Beratungssystems? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 5 verwiesen. Ziel der Aufstockung der Landesmittel im Rahmen der Kommunalisierung ist der weitere Aufund Ausbau von Beratungsangeboten. Aufgrund der Vereinbarungen zur Kommunalisierung, die eine Übertragung der Mittel des Jahres 2015 auf das Jahr 2016 erlauben, ist eine aussagekräftige Antwort erst zu Beginn des Jahres 2017 möglich. Der bisherige Überblick zeigt, dass mit Ausnahme weniger Landkreise bzw. Kommunen die zusätzlichen Mittel bereits zum Aufoder Ausbau von Beratungsangeboten genutzt werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3441 3 Frage 7. Inwiefern werden Fachkräfteschulungen für Beschäftigte, die mit den Opfern zu tun haben (Beschäftigte beispielsweise in Jugendämtern, Schulen, Kitas), gefördert? Das HMSI fördert seit 2013 Qualifizierungsangebote für den Bereich "Beratung und Hilfe zum Schutz vor sexualisierter Gewalt". Hierfür werden Mittel in Höhe von 125.000 € (2016) zur Verfügung gestellt. Es werden zum einen Leitungs- und Fachkräfte in Kinderheimen und Jugendwohngruppen und Einrichtungen der Behindertenhilfe geschult sowie Fachkräfte der freien Träger und Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Die Anzahl der geschulten Fachkräfte belief sich im Jahr 2015 auf ca. 1.400 Personen. Frage 8. Wird Hessen den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Freistaat Sachsen, Freie und Hansestadt Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg, Freistaat Bayern, Saarland, Thüringen sowie Brandenburg folgen und sich auch am Ergänzenden Hilfesystem für Betroffene sexuellen Missbrauchs in institutionellen Bereich beteiligen? Hierzu wird auf die Vorbemerkung des HMSI verwiesen. Frage 9. Falls ja, ab wann wird sich das Land Hessen daran beteiligen? Frage 10. Falls nein, warum wird sich das Land Hessen nicht beteiligen? Die Fragen 9 und 10 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Der Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen soll im Juli 2016 erfolgen. Wiesbaden, 20. Juli 2016 In Vertretung: Dr. Wolfgang Dippel