Kleine Anfrage des Abg. Dr. h.c. Hahn (FDP) vom 23.06.2016 betreffend Investitionsmittel des Bundes und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: Die "Welt am Sonntag" vom 19. Juni 2016 berichtet unter der Überschrift "Schäuble wird sein Geld nicht los" darüber, dass offensichtlich die Investitionsmittel des Bundes, die für Kommunen und Länder bereitgestellt werden, nicht abfließen. Unter anderem bedauerte Schäuble bei einer Rede vor der deutschen Bauindustrie , dass viele Mittel für den Autobahnbau liegen geblieben seien, da die Verwaltungen der Länder sie nicht abrufen konnten. Auch von den 3,5 Mrd. € für finanzschwache Kommunen seien im ersten Jahr bislang erst 10 Mio. € abgerufen worden. Gleiches gelte für die KITA-Förderprogramme, die bis April (zwei Monate vor Ende der Frist) erst gut zur Hälfte abgerufen seien. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Die Landesregierung hat bereits im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abg. Warnecke, Schmitt, Decker, Geis, Hofmeyer, Kummer, Löber und Weiß (SPD) betreffend Investitionsausgaben im vorläufigen Haushaltsabschluss 2015 (Drucks. 19/3117) darauf hingewiesen , dass die Ursachen für regelmäßig auftretende Soll-Ist-Abweichungen bei den Investitionsausgaben - und damit korrespondierend geringen Zuflüssen von investiven Drittmitteln - vielfältig sind. Von besonderer Bedeutung sind hierbei insbesondere zeitliche Verzögerungen, die unter Berücksichtigung und Abwägung der konkreten Bedarfslage vor Ort bei der Planung und Umsetzung von Investitionsvorhaben auf der Ebene der Investitionsmittelempfänger auftreten können. Dabei spielt u.a. eine Rolle, dass die konkreten Investitionsplanungen oftmals erst dann beginnen, wenn die in Aussicht gestellten Mittel im Haushalt der Zuweisungsgeber verbindlich veranschlagt wurden. Im Übrigen ist ganz generell darauf hinzuweisen, dass mit einem von den Planungen des Bundes abweichenden Zeitpunkt des Mittelabrufs kein Verzicht auf bestimmte Investitionsvorhaben verbunden ist. Vielmehr kann es selbst bei bereits begonnenen Projekten zu zeitlichen Verzögerungen kommen, die temporär zu einem geringeren Mittelabfluss führen. In der Regel werden die Investitionen aber - wenn auch zeitversetzt - umgesetzt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung und dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Welche Investitionsmittel des Bundes für Hessen sind bislang nicht abgerufen worden? Im Landeshaushalt 2016 sind investive Zuweisungen des Bundes in Höhe von 399,2 Mio. € veranschlagt worden. Ende Juli 2016 wurden investive Zuweisungen vom Bund in Höhe von 160,9 Mio. € vereinnahmt. Dies entspricht 40,3 % des Sollansatzes. Frage 2. Welche Mittel für den Autobahnbau hat Hessen im vergangenen Jahr nicht abgerufen? Im Bereich des Bundesfernstraßenbaus wurden durch das Land Hessen im Jahr 2015 rund 700 Mio. € verausgabt. Die vom Bund geplanten und dem Land Hessen zur Verfügung gestellten investiven Mittel für Bundesfernstraßen wurden damit vollständig abgerufen. Nach einem Bauvolumen von 516 Mio. € in 2010, 456 Mio. € in 2011, 626 Mio. € in 2012, 623 Mio. € in 2013 und 631 Mio. € in 2014 stellte dies das bisher höchste in Hessen umgesetzte Jahresinvestitionsvolumen für den Bundesfernstraßenbau dar. Eingegangen am 6. September 2016 · Bearbeitet am 6. September 2016 · Ausgegeben am 9. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3530 06. 09. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3530 Frage 3. Was waren die Gründe dafür? Der vollständige Abfluss der Investitionsmittel für den Bundesfernstraßenbau konnte nicht zuletzt deshalb sichergestellt werden, da das Land die Haushaltsmittel für Ingenieurfremdleistungen deutlich ausgeweitet hat. Frage 4. Wie ist der aktuelle Zwischenstand der Mittelabrufung beim Kommunalen Investitionspaket durch die hessischen Kommunen? Frage 5. Wie hoch ist der bislang abgerufene Anteil der hessischen Mittel auf Bundesebene? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4. und 5. gemeinsam beantwortet. Das Land Hessen hat zusätzlich zu dem Bundesprogramm, in dem nur finanzschwache Kommunen antragsberechtigt sind, ein Landesprogramm, an dem alle hessischen Kommunen partizipieren , aufgelegt. Dabei zeichnet sich das Landesprogramm durch eine weit flexiblere Gestaltung der Fördertatbestände als im Bundesprogramm aus. Damit geht zwangsläufig eine verstärkte Inanspruchnahme zunächst des niedrigschwelligeren Landesprogramms einher: So konnten im Landesprogramm "Kommunale Infrastruktur" bereits von den Kommunen angemeldete Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen in Höhe von rd. 175 Mio. € für förderfähig anerkannt werden. Im Bundesprogramm gilt dies für Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen von rd. 102 Mio. € (Stand: Anfang August 2016). Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das Landesgesetz zur Bestimmung der im Bundesprogramm antragsberechtigten Kommunen, zur Schaffung eines eigenen Landesprogramms und zur Festlegung der jeder Kommune zustehenden Kontingente ("Gesetz zur Stärkung der Investitionstätigkeit von Kommunen und Krankenhausträgern durch ein Kommunalinvestitionsprogramm und zur Änderung von Rechtsvorschriften") erst im November vergangenen Jahres verabschiedet wurde. Zahlungsflüsse haben im Landesprogramm mit rd. 2,7 Mio. € und im Bundesprogramm daher erst mit rd. 0,3 Mio. € stattgefunden. Der Bewilligungsumfang in beiden Programmen wird in den nächsten Monaten jedoch zu einem stetig wachsenden Mittelabruf führen. Frage 6. Welchen Anteil der Mittel hat Hessen bei den KITA-Förderprogrammen bislang abgerufen? Von den insgesamt rd. 251,6 Mio. € sind derzeit rd. 211,9 Mio. € (Stand: 30.06.2016) beim Bund abgerufen worden. Frage 7. Was sind die Gründe für das zögerliche Investitionsverhalten von Kommunen? Für die angesprochenen Förderbereiche (Kommunalinvestitionsprogramm, Kinderbetreuungsfinanzierung ) wird auf Folgendes hingewiesen: Kommunalinvestitionsprogramm: Der noch geringe Belegungsstand und Abruf von Fördermitteln im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes (KInvFG) des Bundes ist darauf zurückzuführen, dass: schon im Vorfeld eine intensive Planung erforderlich ist, um herauszufinden, in welchen Förderbereichen und zugunsten welcher Maßnahmen die Förderkontingente am effektivsten und wirtschaftlichsten eingesetzt werden können, durch die "engen" Förderbereiche des Bundesprogramms ein sehr großer Abstimmungsaufwand notwendig ist, um geeignete Fördermaßnahmen zu finden, die Verwaltungsressourcen der Kommunen durch die hohe Zahl an Flüchtlingen im Jahr 2015 stark gebunden sind und nicht gleichzeitig die Auswahl passender Maßnahmen nach dem KInvFG angegangen werden konnte. Die Entwicklung im Landesprogramm ist sehr erfreulich: In den wenigen Monaten seit Verabschiedung des Kommunalinvestitionsprogrammgesetzes konnte nahezu die Hälfte der Mittel im Programmteil "Kommunale Infrastruktur" mit Maßnahmen belegt und für förderfähig anerkannt werden. Allerdings muss sowohl für das Bundes- als auch das Landesprogramm darauf hingewiesen werden, dass durch die Kommunalwahl im März d.J. zum Teil neue Mehrheiten in den Kommunen entstanden sind, die auch zu neuen Prioritäten bei den Investitionsmaßnahmen geführt haben. Dadurch ist in einigen Kommunen ein gewisser Zeitverzug eingetreten. Kinderbetreuungsfinanzierung: Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3530 3 Entsprechend den Vorgaben des Bundes erfolgt der Mittelabruf in den Investitionsprogrammen "Kinderbetreuungsfinanzierung" nach dem Baufortschritt der geförderten Maßnahmen. Entsprechend folgt der Mittelabruf der Mittelbewilligung mit zeitlicher Verzögerung. Der Abruf der Bundesmittel aus dem 3. Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung" ist nach aktueller Rechtslage bis zum 31.12.2018 möglich. Frage 8. Wie schätzt die Landesregierung in diesem Zusammenhang das Verbot der Doppelförderung als ursächlich ein? Das Doppelförderungsverbot ist dem Zuwendungsrecht immanent. Es bedeutet, dass eine Zuwendung nicht bewilligt werden darf, soweit eine Maßnahme bereits anderweitig finanziert wird. Nach VV Nr. 3.6 zu § 23 BHO und zu § 23 LHO (Hessen) und VV Nr. 1.4 zu § 44 BHO und zu § 44 LHO (Hessen) sind Förderungen für denselben Zweck von mehreren Zuwendungsgebern allerdings dann zulässig, wenn sich diese im Vorfeld über die Förderungsmodalitäten geeinigt haben. Darüber hinaus ist eine Förderung aus mehreren Förderprogrammen zulässig, wenn dieselbe Maßnahme unterschiedlichen förderungspolitischen Zielen dient. In diesem Zusammenhang sieht die Landesregierung das Verbot der Doppelförderung nicht als problematisch an. Frage 9. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Abrufen von Investitionsmitteln des Bundes zu erleichtern? Verkehrsinfrastruktur: Der Bund hat in den letzten Jahren die für den Bundesfernstraßenbau zur Verfügung stehenden Mittel deutlich erhöht. Dies trifft insbesondere für den Bereich der Erhaltung von Straßenverkehrsinfrastruktur zu. So erhöhten sich die für die Erhaltung von Bundesfernstraßen in Hessen zur Verfügung stehenden Mittel von rund 250 Mio. € in 2011 auf über 430 Mio. € in 2015. Ein großer Teil der Erhaltungsinvestitionen fließt dabei in Brückenbauwerke. Der Ersatzneubau von Brückenbauwerken erfordert, im Gegensatz zu Fahrbahnsanierungen an Streckenabschnitten , umfangreiche planerische Leistungen und in der Regel ein Baurechtsverfahren. Gleichzeitig wurden im Rahmen des sogenannten Investitionshochlaufes in 2015 zahlreiche Bedarfsplanmaßnahmen von Bundesfernstraßen zur Umsetzung freigegeben. Diese Steigerung von Investitionsmitteln vergrößert Zahl und Umfang der umsetzbaren Projekte. Dies bedeutet wiederum , dass beim Land Hessen in der Funktion als Auftragsverwaltung des Bundes zusätzliche Ressourcen für die Planung und die bauliche Umsetzung der Projekte bereitgestellt werden müssen . Die Landesregierung hat hierauf bereits mit einem umfassenden Maßnahmenbündel reagiert : Die Haushaltsmittel für Ingenieurfremdleistungen wurden im Jahr 2016 um 7 Mio. € auf 47 Mio. € erhöht. In den Jahren 2014 und 2015 wurden 36,8 bzw. 41 Mio. € für die Vergabe von Ingenieurleistungen verausgabt. Im Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 ist nochmals eine Steigerung um 7 Mio. € auf dann 54 Mio. € vorgesehen. In 2016 wurden 25 zusätzliche Stellen geschaffen, um insbesondere im Bereich der Erhaltung von Bauwerken zusätzliche Planungsleistungen zu erbringen. Organisatorisch wurde bei Hessen Mobil ein zusätzliches Dezernat "Task Force Brückenerhaltung " eingerichtet. In Zusammenarbeit mit Hessen Mobil erfolgt eine strategische Neuausrichtung des Planungsprogramms . Kommunalinvestitionsprogramm: Sowohl im Bundes- als auch im Landesprogramm entscheiden die Kommunen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung darüber, welche Maßnahmen am dringlichsten sind, um die kommunale Infrastruktur in einem langfristig adäquaten Zustand zu erhalten. Beide Programme haben ein hohes Interesse in der Bevölkerung ausgelöst, so dass viele hessische Kommunen eine breite Beteiligung der Bevölkerung vor Ort bei der Auswahl der Maßnahmen beabsichtigen. Insofern ist früh der Wunsch an das Land herangetragen worden, die bis zum 30. Juni 2016 laufende Sollanmeldefrist zu verlängern. Diesem Wunsch hat das Land Rechnung getragen und allen Kommunen, die dies für erforderlich erachtet haben, die Anmeldefrist bis längstens zum 31. Dezember 2016 verlängert, um den demokratischen Abstimmungsprozess innerhalb der Kommunen zu fördern. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3530 Die Landesregierung hat in Zusammenwirken mit der WI-Bank umfassend für das Kommunalinvestitionsprogramm geworben. So haben im Frühjahr Regionalkonferenzen in den drei RP- Bezirken stattgefunden, in denen das Förderprogramm und die Fördertatbestände allen interessierten Kommunen ausführlich erläutert wurden. Im Rahmen der Kommunalaufsicht weisen die Kommunalaufsichtsbehörden stets auf die Fördermöglichkeiten des Kommunalinvestitionsprogramms hin. Auch in den Beratungsgesprächen, die die Beratungsstelle der Landesregierung für Nichtschutzschirmkommunen anbietet, ist das Förderprogramm regelmäßiger Bestandteil. Die Kreditaufnahmen der Kommunen gelten nach § 11 Abs. 2 des Kommunalinvestitionsprogrammgesetzes bereits als genehmigt i.S.v. § 103 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung und bedürfen keiner Nachtragssatzung. Damit unterliegen die Kredite einschließlich der Bundesfördermittel einer erheblichen Verfahrenserleichterung. Kinderbetreuungsfinanzierung: Nach der Fassung eines einstimmigen JFMK-Beschlusses auf Initiative Hessens verlängert der Bundesgesetzgeber nunmehr die Fristen zur Umsetzung des Investitionsprogramms "Kinderbetreuungsfinanzierung " 2015 bis 2018 um ein Jahr. Die Verlängerung der Fristen für die Bewilligung von Bundesmitteln erleichtert es, auf die auch vor dem Hintergrund der Zuwanderung von Flüchtlingen veränderten örtlichen Bedingungen flexibel zu reagieren und die Investitionen vollständig für die Schaffung und Sicherung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren einzusetzen. Wiesbaden, 29. August 2016 Dr. Thomas Schäfer