Kleine Anfrage der Abg. Hofmann und Faeser (SPD) vom 23.06.2016 betreffend Leichenschau in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Gemäß § 12 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes ist eine Leichenschau durch einen Arzt oder eine Ärztin durchzuführen. Nach der Reform des Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung stehen Bereitschaftsmedizinerinnen und -mediziner nur noch außerhalb der regelmäßigen Praxisöffnungszeiten für die Durchführung der Leichenschauen zur Verfügung. In Frankfurt beispielsweise montags, dienstags und donnerstags von 19 bis 7 Uhr, mittwochs und freitags von 14 bis 7 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen . Polizistinnen und Polizisten sind auf die Durchführung der Leichenschau durch eine Ärztin bzw. einen Arzt angewiesen. Dafür müssen sie Wartezeiten von teilweise mehreren Stunden bis zum Eintreffen der Ärztinnen und Ärzte in Kauf nehmen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen stellt die vertragsärztliche Versorgung von den Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherungen sicher. Dies umfasst auch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) nimmt diese Aufgabe durch Einrichtung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) wahr. Ein(e) zum ÄBD eingeteilter/eingeteilte Arzt/Ärztin (ÄBD-Zentrale, Hausbesuchsdienst oder gebietsärztlicher Bereitschaftsdienst sowie Hintergrunddienst) muss ständig erreichbar sein und hat der ÄBD-Zentrale und der ÄBD-Dispositionszentrale eine entsprechende Mobiltelefon- Rufnummer anzugeben. Sie/Er hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Anforderungen zu Behandlungswünschen von Patienten entgegengenommen und unmittelbar sowie unverzüglich an sie/ihn weitergeleitet werden. Während der Dienstzeiten der ÄBD-Zentrale ist die ÄBD-Ärztin/der ÄBD-Arzt dort präsent. Sie/Er darf in dieser Zeit nur aus einem wichtigen Grund, oder wenn das Organisationsprinzip der KVH oder eine abweichende Regelung der KVH dies vorsieht, die ÄBD-Zentrale verlassen. Außerhalb der Dienstzeiten der ÄBD-Zentralen bzw. im Rahmen von Hausbesuchsdiensten- und Hintergrunddiensten muss sie/er seinen Aufenthaltsort so wählen, dass sie/er in angemessener Zeit den Patienten aufsuchen kann. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister des Innern und für Sport und der Hessischen Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Wie viele Leichenschauen wurden in den Jahren 2011 bis heute in den Zuständigkeitsbereichen der einzelnen Gesundheitsämter in Hessen jeweils durchgeführt? Durchgeführte Leichenschauen an sich werden statistisch nicht erfasst. Da kraft Gesetzes bei jedem Verstorbenen eine Leichenschau durchzuführen ist, wird die Anzahl der Verstorbenen in der Darstellung der Anzahl durchgeführter Leichenschauen gleich gesetzt . Dargestellt werden die Jahre 2011 bis 2014, für die Jahre 2015 und 2016 liegt noch keine Datenauswertung vor. Eingegangen am 31. August 2016 · Ausgegeben am 6. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3534 31. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3534 Gestorbene in Hessen nach Sitz/Region des zust. Gesundheitsamtes (Sterbeort) Gesundheitsamt/Jahr 2014 2013 2012 2011 Gestorbene1 Darmstadt St./ Darmstadt-Dieburg 3 965 4 259 3 970 3 979 Frankfurt am Main 6 765 7 030 7 041 6 788 Offenbach am Main 1 706 1 611 1 631 1 495 Wiesbaden 3 083 3 151 3 039 3 016 Bergstraße 2 320 2 428 2 242 2 229 Groß-Gerau 1 999 2 136 2 043 2 024 Hochtaunuskreis 2 101 2 066 1 911 1 855 Main-Kinzig-Kreis 3 735 3 829 3 770 3 749 Main-Taunus-Kreis 1 824 1 979 1 865 1 683 Odenwaldkreis 916 1 001 955 961 Offenbach 1 986 2 130 2 089 2 101 Rheingau-Taunus-Kreis 1 445 1 470 1 470 1 478 Wetteraukreis 2 486 2 677 2 607 2 522 Gießen 2 675 2 779 2 773 2 668 Lahn-Dill-Kreis 2 650 2 809 2 693 2 735 Limburg-Weilburg 1 753 1 701 1 712 1 608 Marburg-Biedenkopf 2 597 2 640 2 524 2 397 Vogelsbergkreis 1 276 1 282 1 270 1 224 Region Kassel 4 911 5 126 4 929 4 667 Fulda 2 316 2 451 2 375 2 328 Hersfeld-Rotenburg 1 511 1 638 1 514 1 436 Schwalm-Eder-Kreis 1 759 1 926 1 820 1 970 Waldeck-Frankenberg 1 740 1 966 1 930 1 930 Werra-Meißner-Kreis 1 127 1 225 1 204 1 202 Hessen 58 646 61 310 59 377 58 045 1 Ohne Berücksichtigung von in Hessen Verstorbenen ohne hessischen Wohnsitz. Quelle HSL Frage 2. Wie hoch war hinsichtlich der zu Frage 1 genannten Fälle jeweils die Dauer vom Zeitpunkt des Auffindens der Leiche durch die polizeilichen Einsatzkräfte bis zum Eintreffen der Ärztin bzw. des Arztes für die Durchführung der Leichenschau? Wir bitten um Angabe der durchschnittlichen Zeitdauer, des Medians sowie des geringsten und höchsten Wertes in den einzelnen Jahren. Soweit genaue Zahlen nicht vorliegen, bitten wir um näherungsweise Angaben. Eine statistische Erhebung dieser Angaben erfolgt bei der hessischen Polizei nicht. Erfahrungsgemäß variieren diese Zeiträume sehr stark. In zahlreichen Fällen wird im Rahmen eines ärztlichen Notfalleinsatzes durch den Notarzt die Leichenschau durchgeführt, ohne dass für die Polizei nennenswerte Wartezeiten entstehen. In anderen Fällen erfolgt dies durch den von den Angehörigen hinzugezogenen Hausarzt, in Abhängigkeit der Umstände sogar bereits vor der Alarmierung der Polizei. Jedoch sind auch Wartezeiten von mehreren Stunden möglich, wenn der für die Leichenschau angeforderte Arzt z.B. aufgrund eines zu priorisierenden Notfalles zur Rettung von Leben zunächst verhindert ist. Frage 3. Wie hoch sind die während des zu Frage 2 genannten Zeitraums jeweils angefallenen Einsatzstunden der polizeilichen Einsatzkräfte in den einzelnen Jahren von 2011 bis heute? Eine statistische Erhebung dieser Angaben erfolgt bei der hessischen Polizei nicht. Frage 4. Wie ist die Vermittlung der Ärztinnen und Ärzte an die Einsatzorte ausgestaltet und sieht die Landesregierung hier Defizite? Wenn ja, wie und zu welchem Zeitpunkt wird die Landesregierung diesen begegnen? Wie unter Frage 2 bereits ausgeführt, wird in zahlreichen Fällen im Rahmen eines ärztlichen Notfalleinsatzes durch die Notärztin/den Notarzt die Leichenschau durchgeführt. In anderen Fällen erfolgt dies durch die/den von den Angehörigen hinzugezogenen Hausärztin/Hausarzt. Die Antwort zum zweiten Teil dieser Frage findet sich zusammengefasst unter der Antwort zu Frage 6. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3534 3 Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit der Schaffung von Ärzteteams zur Durchführung von Leichenschauen bei den Gesundheitsämtern und inwiefern wird sie dies unterstützen? Die Übernahme der Aufgabe durch die Gesundheitsämter würde einen sehr großen Personalbedarf verursachen. Es ist schon allein fraglich, ob man dafür genügend Ärztinnen/Ärzte bekäme. Frage 6. Welche weiteren Möglichkeiten zur Optimierung des Systems der Leichenschau sieht die Landesregierung ? Wie, zu welchem Zeitpunkt und unter Aufwendung welcher Mittel beabsichtigt die Landesregierung die genannten Maßnahmen umzusetzen? Das derzeit geltende Friedhofs- und Bestattungsgesetz (FBG) ist bis zum 31. Dezember 2020 befristet. Die Landesregierung wird sorgfältig prüfen, ob und wenn ja in welcher Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt gegebenenfalls welche Möglichkeiten der Optimierung sich ergeben und wie diese umgesetzt werden können. Wiesbaden, 24. August 2016 Stefan Grüttner