Kleine Anfrage der Abg. Schwarz, Bauer, Bächle-Scholz, Boddenberg, Caspar, Dietz, Honka, Kartmann, Klaff-Isselmann, Klein, Tipi, Utter (CDU) vom 21.06.2016 betreffend Reformationsjahr 2017 und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Die Reformation und die in ihrem Gefolge entwickelten gesellschaftlichen Modelle haben Hessen sowohl kirchlich als auch gesellschaftlich bis heute geprägt. Mit dem Reformationsjubiläum 2017 und der vorbereitenden Luther-Dekade ist das Ziel verbunden, die Reformation und ihre weitreichenden Auswirkungen bis in die heutige Zeit in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage - im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Energie und Landesentwicklung und dem Minister für Wissenschaft und Kunst - wie folgt: Frage 1. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung dem 500 jährigen Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 aus landes und kulturhistorischer Sicht bei? Hessen ist ein Kernland der Reformation. Dies ist über die letzten 500 Jahre an vielen historischen Wegmarken belegbar und wird im Rahmen des Jubiläums durch die hessische Landesregierung auf vielfältige Weise gewürdigt. Von Hessen sind diverse Impulse ausgegangen, die im Ergebnis entscheidend zum europäischen Prozess der Reformation beigetragen haben. Hier kommt vor allem dem Landgrafen Philipp (reg. 1509/18-1567) von Hessen eine besondere Rolle zu. Landgraf Philipp interessierte sich früh für die lutherische Lehre und stellte sich als einer der ersten Fürsten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation früh auf die Seite der Reformatoren . Er förderte seit 1526/27 offiziell und energisch die Entwicklung des Protestantismus in Hessen, bspw. indem er die erste evangelische Universität der Welt in Marburg gründete und diese durch die Säkularisierung von Kirchengut förderte. Auch versuchte er frühzeitig, die innerprotestantischen Unterschiede zu überwinden. So fand 1529 das Religionsgespräch zwischen den Reformatoren Luther und Zwingli, das mit der Intention, die Reformation zu stärken, initiiert wurde, auf dem Marburger Schloss statt. Marburg war demnach in dieser Zeit für die Landgrafschaft Hessen und den mitteleuropäischen Protestantismus ein Zentrum des Reformationsgeschehens . Die von Landgraf Philipp angestoßene Reformentwicklung wurde durch nachhaltige innen- und gesellschaftspolitische Maßnahmen unterstützt. Der Fürst sorgte in seinem Territorium für einen beinahe konfliktfreien Übergang zur Reformation, indem er auf zwei Veranstaltungen - der Homberger Synode 1526 und dem Kasseler Landtag von 1527 - die kirchlichen und politischen Eliten miteinander diskutieren und entscheiden ließ. Der Reformation in der Landgrafschaft Hessen lag insofern ein politischer Integrationsprozess zugrunde, der im weiteren Verlauf der Entwicklung auch in anderen Territorien des Reiches Schule machte. Die Reformation wurde zeitgleich bereits von einigen nassauischen Grafen und kurze Zeit später von der Reichsstadt Frankfurt eingeführt. Die Landgrafschaft unter Philipp war demnach keine Ausnahme, wohl aber eine reformatorische Führungsmacht in Hessen wie auch - bis zur Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1547/48 - im Reich; die Maßnahmen in der Landgrafschaft hatten teilweise Vorbildcharakter für andere Territorien. Eingegangen am 14. September 2016 · Bearbeitet am 14. September 2016 · Ausgegeben am 19. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3545 14. 09. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3545 Hessen war und ist bis heute eine multikonfessionelle Region mit unterschiedlichen religiösspirituellen Traditionen; ein Land, in dem es von Anfang an zu harten Diskussionen zwischen den Glaubensrichtungen gekommen ist, in dem am Ende der - gewollte und/oder erzwungene - Wille zur Toleranz gegenüber dem religiös Anderen stand, allein schon weil zu jeder Zeit Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen durch dieses Land reisten - und nicht selten blieben. Die keineswegs leichte Integration der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg ist hierfür ein Beispiel. Am Anfang von religiöser Toleranz und Integration in Hessen stand also nicht die Reformation , wohl aber war sie ein historisches Ereignis, an dem sich der Toleranzgedanke - wenn auch mühsam - entfalten konnte. Frage 2. Welche Schritte hat die Landesregierung bislang zur Vorbereitung des Reformationsjahres 2017 in Hessen unternommen? Aufgrund der großen Bedeutung, die dem Reformationsjubiläum zugesprochen wird, begann im Jahr 2008 die sogenannte "Luther-Dekade" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In jedem Jahr werden unter einem bestimmten Themenschwerpunkt in der Bundesrepublik diverse Aktivitäten durchgeführt, die das Thema der Reformation in die Öffentlichkeit tragen sollen. Auf staatlicher Seite koordiniert eine länderübergreifende Geschäftsstelle "Luther 2017" mit Sitz in Wittenberg mit ihren Gremien die Aktivitäten des Bundes und verschiedener Bundesländer, die sich bereit erklärt haben, der Geschäftsstelle beizutreten. Das Land Hessen ist seit seinem Beitritt im Jahr 2012 organisatorisch durch Vertreter der zuständigen Landesministerien beteiligt . Höhepunkt ist das Reformationsjubiläum im Jahr 2017, in dem bundesweit in den Ländern Festakte zu der Thematik "Reformation und Luther" stattfinden sollen. Das Reformationsjubiläum vollzieht sich dabei auf verschiedenen Ebenen im Bereich Wissenschaft , Kultur, Kulturelle Bildung und Tourismus. Zu diesen Bereichen stellen die verschiedenen Akteure der Öffentlichkeit umfassende Programme zur Verfügung. Frage 3. Welche konkreten Maßnahmen, Projekte und Aktivitäten plant die Landesregierung zum Reformationsjubiläum ? Frage 4. An welchen Ausstellungsvorhaben und Initiativen zum Reformationsjahr 2017 ist die Landesregierung beteiligt? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die hessische Landesregierung ist an einer Vielzahl von Projekten, Veranstaltungen und Ausstellungen beteiligt, die nachfolgend dargestellt werden: Die Ausstellung "Bild und Botschaft. Cranach im Dienste von Hof und Reformation" - präsentiert vom 21.08. bis 29.11.2015 im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel - war ein Gemeinschaftsprojekt mit der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha. Gefördert wurde die Ausstellung u.a. von dem Beauftragten für Kultur und Medien, der Hessischen Kulturstiftung und der Museumslandschaft Hessen Kassel. Das Ausstellungsprojekt "Luther und Europa - Die Reformation und der Aufbruch in die Neuzeit " wurde vom Hessischen Staatsarchiv Marburg in Verbindung mit der Historischen Kommission für Hessen sowie der Arbeitsstelle Archivpädagogik am Hessischen Staatsarchiv Marburg erarbeitet. Die Ausstellungskonzeption wurde durch das Hessische Kultusministerium unterstützt. Die Ausstellung war von Herbst 2015 bis zum 25.05.2016 im Hessischen Staatsarchiv Marburg zu sehen. Der Schwerpunkt lag auf der europäischen Dimension der Reformation und auf der besonderen Rolle des "fürstlichen Reformators" und bestens vernetzten Philipp von Hessen. Zu der Ausstellung liegt didaktisches Begleitmaterial für Schulen vor. Seit Februar 2016 steht die Ausstellung als Wanderausstellung zur Verfügung. "Luthers Meisterwerke" hieß das Ausstellungsprojekt, welches vom 16.09. bis zum 31.12.2015 im Bibelhaus - Erlebnismuseum in Frankfurt am Main zu sehen war und durch Bundespräsident Gauck eröffnet wurde. In einer interaktiven Schau wurden herausragende Bibeldrucke von Gutenberg bis Zwingli gezeigt. Das Hessische Kultusministerium unterstützte das Ausstellungsprojekt mit € 25.000. Das Digitale Archiv der Reformation ist ein länderübergreifendes Projekt (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hessisches Staatsarchiv Marburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena), bei dem es um die Digitalisierung von Dokumenten der Reformation geht. Finanziell fördern die beteiligten Bundesländer, der Bund Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3545 3 und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen das Projekt. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und das Hessische Kultusministerium unterstützen es. Am 16. September 2016 soll ein interkultureller Thementag für Jugendliche in Homberg/Efze zum Thema "Reformation und die Eine Welt" stattfinden. Der Thementag wird von der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck organisiert und vom Hessischen Kultusministerium finanziell unterstützt. Im Oktober 2016 findet eine bundesländerübergreifende Projektwoche in Eisenach statt, organisiert durch "Denkwege zu Luther". Aus Hessen wird die Melanchthon-Schule in Steinathal teilnehmen . Das Thema der Projektwoche lautet "Reformation und die Eine Welt". In diese Woche sollen u.a. aktuelle Entwicklungen einfließen (Flüchtlingsproblematik, Probleme der Globalisierung und interreligiöse Fragestellungen). Der von der Kinder-Akademie Fulda im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst organisierte Wettbewerb "Jugend malt" wird unter dem Thema "Luther/Reformation " stehen. Die Philipps-Universität Marburg plant zum Reformationsjubiläum eine Ausstellung "Reformation und Bildung" im Landgrafenschloss in Marburg, die mit Landesmitteln unterstützt wird, sowie ein Symposium und Veranstaltungen im Rahmen des Studium generale. Ferner wird der Hessische Kultusminister auf Einladung des hochrangigen Kuratoriums der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017" am 10. Oktober 2016 an einer Jubiläumsveranstaltung teilnehmen. Zur Weltausstellung in Wittenberg im Reformationssommer 2017 ist von hessischer Seite die finanzielle Unterstützung des Ausstellungsprojektes und des kirchlichen Begleitprogramms für die documenta XIV in der Karlskirche in Kassel in Höhe von 30.000 € zugesagt. Ein Reformationsjubiläum-Programmheft bzw. ein Veranstaltungskalender mit einem Überblick über die unterschiedlichen Veranstaltungen u.a. in Hessen werden von der Staatlichen Geschäftsstelle bis 2017 vorbereitet. Frage 5. Welche Veranstaltungen plant das Land Hessen zum Reformationstag am 31. Oktober 2017? Der Reformationstag ist ein kirchlicher Feiertag. Die hessische Landesregierung wird, soweit eingeladen, an den hierfür geplanten kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen. Frage 6. Auf welche Weise sollen die historischen Erinnerungsorte und Wirkungsstätten der Reformation in die Veranstaltungen und Aktivitäten einbezogen und touristisch vermarktet werden? Die Veranstaltungsorte sind bewusst an historischen Erinnerungsorten und Wirkungsstätten orientiert , damit die historischen Aspekte einbezogen sind. Beispielhaft werden hier der Lutherweg und die Veranstaltungen in Marburg herausgestellt. Der durch das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) geförderte Lutherweg ist ein Wanderweg, der die Pilger und Wanderer auf den Spuren des Reformators wandern lässt sowie historische Orte miteinander verbindet und anhand von bestimmten Erlebnispunkten entlang der Strecke hervorhebt: Predigtorte Luthers, Museen, Kirchenkunst, Pilgerherbergen. Durch das HMWEVL wurden dabei geförderte Einzelmaßnahmen vorgenommen: Wegekataster, Ausschilderung, Stationäre Infosysteme und sonstige Infrastrukturen . Lutherweg in Hessen e.V. plant verschiedene (Kultur-) Veranstaltungen, Ausstellungen und Tagungen zum Jubiläum entlang des Lutherwegs, beispielsweise "Ab in die Mitte" in Romrod sowie mehrtägige Pilgerfahrten. Für die Bekanntmachung des Pilgerwegs und aktuelle Informationen hierzu sind verschiedene Marketingmaßnahmen geplant. Diese sind u.a. der kontinuierliche Aufbau der Webseite: www.Lutherweg-in-Hessen.de, ein achtseitiger Flyer sowie ein Pilgerführer zur Präsentation des Wegs. Ein Messestand soll das Projekt Lutherweg auf Messen und Veranstaltungen repräsentieren. Das touristische Marketing ist darüber hinaus über die Darstellung der Hessen Agentur, der Dienstleistungsgesellschaft der Landesregierung, in Online-Medien sowie auf der Webseite: www.hessen-tourismus.de vorgesehen. Die Eröffnung des Pilgerwegs 1521 ist für den 14. Mai 2017 in Romrod voraussichtlich mit einem Gottesdienst sowie der Begehung einer gemeinsamen Pilgerstrecke geplant. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3545 Frage 7. Welche einschlägigen Unterrichtsmaterialien oder Handreichungen stehen den Schulen in Hessen aus Anlass des Reformationsjubiläums zur Verfügung? Anlässlich der Luther-Dekade 2017 wird vom Hessischen Kultusministerium Unterrichtsmaterial in Kooperation mit der evangelischen und katholischen Kirche zusammengestellt, welches von den Lehrkräften kostenfrei genutzt werden kann. Des Weiteren wird auf die in der Antwort zu Frage 4 genannte Ausstellung "Luther und Europa - Die Reformation und der Aufbruch in die Neuzeit" verwiesen. Der Lutherkoffer "Auf gut teutsch" wurde von der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017" in Kooperation mit dem Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) sowie der "Neuen fruchtbringenden Gesellschaft" zu Köthen/Anhalt e.V. entwickelt. Für den Koffer wurden Unterrichtsmaterialien mit dem Fokus auf Wortentwicklung und Sprachtraining zusammengestellt. Enthalten sind im Lutherkoffer Unterrichtsmaterialien als PDF-Dateien, ein Einführungsfilm (unterstützt durch das Land Hessen), Lehrerhinweise und -handreichungen. Die Bereitstellung der Online-Materialien erfolgt auf der Internetseite der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017". Die beiden Lutherkoffer in Hessen können an den Studienseminaren Marburg und Frankfurt am Main ausgeliehen werden. Wiesbaden, 31. August 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz