Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 07.07.2016 betreffend Bankenplanspiel "Schulbanker" und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Das Hessische Kultusministerium hat sich jüngst kritisch und ablehnend gegenüber dem·Lesewettbewerb des Logistikkonzerns Amazon an hessischen Schulen geäußert. Daraus ergibt sich die folgende Fragestellung, um die Kriterien, welche zur Zulassung und Ablehnung von Wettbewerben von Unternehmen oder Unternehmensverbänden an Schulen führen, transparent zu machen. In einer E-Mail vorn 6. Juni 2016 aus dem Hessischen Kultusministerium an die hessischen Schulämter werden diese auf Bitte des Bundesverbands deutscher Banken aufgefordert, über das Planspiel "Schulbanker" des Bundesverbandes deutscher Banken an den ihnen zugeordneten Schulen zu informieren. Vorbemerkung des Kultusministers: Das Planspiel der Schulbanker kann an Schulen ergänzend genutzt werden, um die Finanzbildung der Schülerinnen und Schüler zu vertiefen. Hessen orientiert sich bezüglich der Finanzbildung an der Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK) "Verbraucherbildung an Schulen" (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.09.2013). Die Empfehlung beinhaltet, dass das Thema "Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht" (z.B. bewusster Umgang mit Geld, Finanzprodukte, Geldanlage, Kreditformen, private Absicherung und Altersvorsorge, Werbung und Konsum) alters- und zielgruppenspezifisch sowie schulform- bzw. schulstufenspezifisch in den schulischen Bildungs- und Erziehungsprozess integriert werden sollte. In diesem Zusammenhang wird empfohlen, dass die Bildungsverwaltung den Schulen Gestaltungsspielräume eröffnet, um Aspekte der Verbraucherbildung z.B. in Form von Projekten, Wettbewerben oder regelmäßigen Aktionen auf vielfältige Art und Weise fächerübergreifend oder im Rahmen des Schulprogramms in den schulischen Lernprozess zu integrieren. Die Verbraucherbildung kann in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern (z.B. öffentlichen Einrichtungen , Verbänden oder Unternehmen) erfolgen. Wichtig für die Nutzung dieser außerschulischen Angebote durch die Schulen bzw. Lehrkräfte ist, dass sich diese inhaltlich am schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag orientieren, den Gegebenheiten der einzelnen Schule gerecht werden und damit die Schulqualität fördern. Das Gebot der Neutralität ist zu beachten. Grundlagen des Unterrichts in Fragen der Verbraucherbildung sind im Sinne des Beutelsbacher Konsenses die Prinzipien des Überwältigungsverbotes, des Kontroversitätsgebotes und der Schülerorientierung. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Kriterien wendet die Landesregierung an, um über die Zulassung oder Ablehnung von Wettbewerben von Unternehmen oder Unternehmensverbänden zu urteilen? Oberstes Kriterium ist die Neutralitätspflicht des Staates und damit der Schule. Die Neutralitätspflicht ist eng verbunden mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nach den §§ 2 und 3 des Hessischen Schulgesetzes in der Fassung vom 14. Juni 2005 (GVBl. I S. 442), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2015 (GVBl. S. 118). Mit der Neutralitätspflicht ist ein Schülerwettbewerb dann nicht zu vereinbaren, wenn der werbende Charakter im Sinne einer Werbung für den Veranstalter und ggf. auch seiner Produkte bei dem Wettbewerb im Vordergrund steht. Dem Gebot der Neutralität folgend darf mit einem Eingegangen am 10. August 2016 · Bearbeitet am 11. August 2016 · Ausgegeben am 16. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3578 10. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3578 Schüler- oder Schulwettbewerb keine Werbung oder Einflussnahme verbunden sein. Die Teilnahme muss frei von Verpflichtungen für die beteiligten Schulen, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schülern sein. Es muss ein pädagogischer und didaktischer Nutzen zu erwarten sein. Darüber hinaus orientieren sich die Empfehlungen des Hessischen Kultusministeriums zur Teilnahme an Wettbewerben an den "Qualitätskriterien für Schülerwettbewerbe", einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 17.09.2009, und dem Erlass "Schülerwettbewerbe" vom 28. Juli 2015. Frage 2. Wie viele Schülerinnen und Schüler haben in den Schuljahren 2013/2014, 2014/2015 sowie 2015/2016 (Stand heute) am Planspiel "Schulbanker" des Bundesverbandes deutscher Banken an wie vielen Schulen teilgenommen? Das Hessische Kultusministerium hat keine Kenntnis über die Beteiligung der Schulen. Die Statistik wurde beim Veranstalter zur Vorlage bis Ende Juli 2016 angefragt und liegt zum Zeitpunkt der Beantwortung noch nicht vor. Frage 3. Wie schätzt die Landesregierung den didaktischen Wert des Wettbewerbs an sich sowie auch der in dessen Rahmen eingesetzten Materialien ein? Schulen haben die Aufgabe und das Ziel, Schülerinnen und Schüler auf ein Leben als mündige Bürgerin, mündiger Bürger vorzubereiten. Dazu gehört auch eine volkswirtschaftliche Grundbildung , die in den curricularen Grundlagen des Fachs Politik und Wirtschaft der verschiedenen Schulformen verankert ist. Banken spielen in einer funktionierenden Volkswirtschaft für den Privathaushalt, die Unternehmen und auch den Staat eine zentrale Rolle, bleiben aber dem Laien und erst recht dem jungen Menschen in ihrem Wirken in aller Regel fremd. Die Teilnehmer/innen des Planspiels "Schulbanker" simulieren die Führung einer Bank und treffen im Team Entscheidungen u.a. in der Geldanlage, der Kreditvergabe und auch in der Aus- und Weiterbildung. Sie analysieren und planen, erstellen Jahresabschlüsse und überprüfen den betriebswirtschaftlichen Sinn der Geschäfte. Planspiele motivieren sehr stark zu aktiver und intensiver Auseinandersetzung mit den Inhalten. So erlangen die Schülerinnen und Schüler Wirtschafts- und Finanzwissen, das ihnen das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge erleichtert. Sie trainieren Kommunikations- und Teamfähigkeit und das analytische Denken. Frage 4. Sind aus Sicht der Landesregierung der Wettbewerb an sich, die eingesetzten Materialien sowie die mit dem Wettbewerb in Verbindung stehenden Veranstaltungen (schulisch und außerschulisch) frei von Lobbyismus und direkter oder indirekter Werbung für Einzelunternehmen und/oder den Verband? Das Planspiel wirbt nicht für einzelne Unternehmen. Über das Planspiel erfolgt auch kein Lobbyismus im Sinne einer politischen Einflussnahme. Eine Werbewirkung, die auf das Konsumverhalten oder politische Einstellungen der Teilnehmer Einfluss nimmt, ist nach hier vorliegenden Erkenntnissen nicht gegeben. Die Gefahr einseitiger Einflussnahme auf die Berufsentscheidung der Schülerinnen und Schülerin ist aus schulfachlicher Sicht nicht gegeben, wie auch in den Schülerpraktika, die in der Regel in einem Unternehmen und einem Beruf absolviert werden, keine Gefahr der Einseitigkeit gesehen wird. Das Planspiel ist wie das Praktikum ein Baustein der Berufsorientierung und Berufsberatung , die über die vielfältigen Berufsmöglichkeiten informiert. Es findet deshalb durch die Teilnahme am Planspiel keine einseitige Fokussierung auf ein Berufsbild statt. Vielleicht erwägen junge Menschen eine Bewerbung bei einem Geldinstitut, die dies vorher nicht erwogen haben. Aber vielleicht ist es auf Grund der Erfahrungen aus dem Planspiel auch genau umgekehrt . Es liegt im Interesse unserer Schulen, dass ihre Schülerinnen und Schüler mit klaren Vorstellungen über berufliche Alternativen die Schule verlassen. Frage 5. Wie wird sichergestellt, dass nicht nur Projekte oder Teilnahmen honoriert werden, die im Sinne einer Gewinnmaximierung auf Kosten anderer gewinnen bzw. gewinnen können? Es handelt sich um ein Fernplanspiel. Die Ergebnisse eines Teams werden zur Auswertung an die Spielleitung geschickt und dort ausgewertet. Ein direkter Wettbewerb, in dem Vorteile nur oder auch zu Lasten eines anderen Teams erworben werden können, ist ausgeschlossen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3578 3 Frage 6. Wird unter ethischen Aspekten für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld anderer Menschen geworben, um im Sinne des Beutelsbacher Konsenses ein ausgewogenes und kritisches Meinungsbild zum Thema zu transportieren? Die Kriterien des Beutelsbacher Konsenses werden erfüllt. Eine Indoktrination ist auszuschließen und die Beachtung kontroverser Positionen ist gerade über die analytischen Aspekte des Spiels gegeben. Im Vorfeld des Spiels sind die tatsächlich zu fällenden Entscheidungen, die möglichen Handlungsalternativen noch nicht bekannt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass das Spiel zu einem ausgewogenen und kritischem Meinungsbild beiträgt. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Entscheidungen aus betriebswirtschaftlicher und nicht aus politischer Sicht fällen, sind diese zu hinterfragen und kritisch zu bewerten. Die Schülerinnen und Schüler werden erfahren, dass nur der verantwortungsvolle Umgang mit Geld auch langfristig erfolgreich ist. Frage 7. Falls eine entsprechende ausgewogene Bewertung des Handelns von Banken im Rahmen des Wettbewerbs nicht möglich ist, muss dazu seitens der Lehrkraft über den Wettbewerb hinaus weitere Unterrichtszeit eingesetzt werden? Das Planspiel richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 10 außerhalb der Berufsausbildung. Die Teams bestehen aus drei bis sechs Schülerinnen und Schülern und werden von einer Lehrkraft betreut. Das Planspiel hat damit von seiner Grundanlage her eher den Charakter einer AG, die außerhalb des regulären Unterrichts stattfindet. Bis zur Jahrgangsstufe 10 haben die Schülerinnen und Schüler je nach Schulform über das Fach Politik- und Wirtschaft einen ersten Einblick in ökonomische Sachverhalte erhalten. Fragen des Konsums und Verbraucherschutzes werden in der Sekundarstufe I im ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext behandelt. Inhalte der Verbraucherbildung bzw. der Finanzbildung werden darüber hinaus fachübergreifend in nahezu allen andern Fächern, insbesondere in Deutsch, Mathematik, den Naturwissenschaften, Sport, Erdkunde und Geschichte aufgegriffen. An Haupt- und Realschulen werden diese Inhalte zudem im Fach Arbeitslehre thematisiert. Die Angebote der Wirtschaft werden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, etwa aus der Sicht kritische Verbraucherin/kritischer Verbraucher und zukünftige Teilnehmerin/zukünftiger Teilnehmer am Erwerbsleben mit den Möglichkeiten der Selbstständigkeit oder der abhängigen Beschäftigung. Die Einhaltung der Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses (Überwältigungsverbot , Kontroversitätsgebot, Schülerorientierung) wird im Kerncurriculum für Politik und Wirtschaft für die Sekundarstufe I ausdrücklich eingefordert. Im Kerncurriculum Politik und Wirtschaft für die Sekundarstufe I sind für alle Schulformen lernzeitbezogene bzw. abschlussbezogene Kompetenzen formuliert, die auf die Ausbildung einer Finanzkompetenz (u.a. Analyse und Beurteilung der eigenen ökonomischen Situation, von Angeboten auf dem Konsumgütermarkt und zu Finanz- und Versicherungsdienstleistungen) und entsprechenden Handlungskompetenz zielen (u.a. Konsumentenentscheidungen als kritische Verbraucherinnen und Verbraucher begründet treffen). Zum Vergleich von Konditionen bei Krediten, zur Entscheidung für oder gegen eine Geldanlage ist es von erheblicher Bedeutung zu wissen, wie Banken entscheiden oder nach welchen betriebswirtschaftlichen Kriterien sie arbeiten . In diesem Zusammenhang kann das Planspiel, sinnvoll eingesetzt, als Ergänzung zum Unterricht genutzt werden und damit auch einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz leisten . Im gymnasialen Bildungsgang wird in Q2 im Fach Politik und Wirtschaft das Thema "Geldpolitik " unterrichtet. In der Fachoberschule hängt die Tiefe der weiteren ökonomischen Bildung vom gewählten Schwerpunkt ab und ist im Schwerpunkt "Wirtschaft- und Verwaltung" unter anderem mit dem Tätigkeits- und Aufgabenfeld 12.6 "Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen und deren Auswirkung auf die Beschäftigung", am höchsten. In beiden Fällen trägt eine Teilnahme am Planspiel mit Sicherheit zum besseren Verständnis der hochkomplexen Geldpolitik bei. Frage 8. Wieso wurde auf entsprechende Hinweise gegenüber den Schulämtern zur unterstützenden Einordnung seitens des Kultusministeriums bei der Werbung für den Wettbewerb verzichtet? Die Schulen entscheiden über außerschulische Angebote in eigener Verantwortung unter Einbeziehung der Gremien der Schulgemeinde. Die Angebote werden von den Schulen wahrgenommen , ohne dass eine staatliche Lenkungsfunktion besteht. Die Teilnahme am Planspiel ist daher allen Schulen freigestellt. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3578 Die Entscheidung, ob das Angebot für die pädagogische oder die didaktische Arbeit der Schulen genutzt werden kann, wird vor Ort getroffen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die unterrichtenden Lehrkräfte sowie die Schulleiterin bzw. der Schulleiter dafür Sorge tragen müssen, dass bei der Nutzung eines solchen Angebots im Unterricht die entsprechende Neutralität gewahrt wird und insbesondere im Fach Politik und Wirtschaft die Prinzipien des Überwältigungsverbotes, des Kontroversitätsgebotes und der Schülerorientierung eingehalten werden. Frage 9. Wodurch unterscheidet sich der Wettbewerb "Schulbanker" von der des Unternehmens Amazons hinsichtlich der in den Medien postulierten Absicht offenbar das schlechte Image des Unternehmens aufzupolieren? Werbung ist nach § 10 Abs. 2 der Dienstordnung für Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräfte und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur in Form eines Sponsorings möglich, wenn diese Zuwendungen sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Im Falle des Lesewettbewerbs des einzelnen Unternehmens Amazon ist die Vereinbarkeit mit den schulrechtlichen Vorschriften nicht gegeben, da der Zweck der Leseförderung deutlich hinter den Zwecken des Unternehmens zurücktritt. Dies gilt umso mehr, da Amazon den Wettbewerb ausschließlich in Regionen durchführt, in denen es einen Standort betreibt. Beim Wettbewerb "Schulbanker" bestehen diese Bedenken nicht, da es sich nicht um Werbung für ein einzelnes Unternehmen oder Lobbyismus handelt und das Spiel eindeutig die Schule in ihren Aufgaben unterstützt. Frage 10. Liegen zur Freigabe des Wettbewerbs "Schulbanker" durch das Hessische Kultusministerium schriftliche Bewertungsergebnisse vor? Nein, da die Teilnahme der Schulen freiwillig ist. Eine hessenweite Auswertung wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden, der in diesem Zusammenhang nicht gerechtfertigt erscheint. Wiesbaden, 1. August 2016 In Vertretung: Dr. Manuel Lösel