Kleine Anfrage der Abg. Merz und Roth (SPD) vom 11.07.2016 betreffend und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: In seiner Antwort auf die mündliche Frage zur Einhaltung von Standards nach SGB VIII in der Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern hat Staatsminister Grüttner davon gesprochen, dass das Land nach Möglichkeiten weniger kostenintensiver Leistungen suche, weil andere Bundesländer sich nicht an die Verpflichtung zur Kostenerstattung halten. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hoch sind die Kosten, die das Land Hessen für die Unterbringung minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer in Hessen seit dem 1. November 2015 aufgewendet hat? Die Kosten für unbegleitete minderjährige Ausländer/-innen (umA) fallen je nach jugendhilferechtlichem Bedarf in unterschiedlicher Höhe und in unterschiedlichem Umfang an (z.B. Wohnund Betreuungskosten, Krankenhilfekosten, altersabhängiges Taschengeld). Aufgrund enger Übergangsfristen bei der Abrechnung der Altfälle gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII werden diese derzeit vorrangig bearbeitet. Zahlen zu Kostenerstattungsanträgen auf der Grundlage des neuen Verteilungsverfahrens (seit 1. November 2015) liegen noch nicht vor. Frage 2. Wie hoch ist daran der Anteil der Kosten, die im Erstattungsverfahren von anderen Bundesländern zu übernehmen waren bzw. zu übernehmen wären? Frage 3. Welche Bundesländer sind davon in welcher Höhe betroffen? Die Fragen 2 und 3 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher wurde eine landes- und bundesweite Aufnahmepflicht im SGB VIII für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche nach dem sog. “Königsteiner Schlüssel “ geregelt. Das Bundesgesetz trat am 1. November 2015 in Kraft. Durch die Neuregelung kam es auch zu einer Systemumstellung im Bereich der Kostenerstattung. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher machte das Jugendamt einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt bestimmten (oder noch zu bestimmenden) erstattungspflichtigen Land geltend. Das Verfahren zur Geltendmachung und Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII bleibt maßgeblich für die Kosten, die bis zum 31. Oktober 2015 entstanden sind. Seit dem 1. November 2015 macht das Jugendamt Kostenerstattungsansprüche gegenüber dem Land auf der Grundlage des § 89d Absatz 1 SGB VIII geltend. Maßgeblich ist der tatsächliche Aufenthalt der betreffenden Person oder die Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde . Eine Erstattung zwischen den Bundesländern findet nicht mehr statt. Eingegangen am 11. August 2016 · Bearbeitet am 12. August 2016 · Ausgegeben am 16. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3591 11. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3591 Frage 4. Welcher rechtliche oder logische Zusammenhang besteht aus Sicht der Landesregierung zwischen der Nichterfüllung von Erstattungsverpflichtungen durch andere Bundesländer einerseits und der Herausnahme der umA aus dem Geltungsbereich des SGB VIII andererseits? Ein Zusammenhang zwischen der Nichterfüllung von Erstattungsverpflichtungen durch andere Bundesländer einerseits und der Herausnahme unbegleiteter minderjähriger Ausländer/-innen aus dem Geltungsbereich des SGB VIII andererseits besteht aus Sicht der Landesregierung nicht. Ziel der Landesregierung ist es, entsprechend der gesetzlichen Vorgaben unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche bedarfsgerecht im Rahmen der Jugendhilfe zu betreuen und dabei alle Möglichkeiten des SGB VIII zu nutzen. Dies schließt - wie bei allen Jugendhilfemaßnahmen - auch die (gesetzlich gebotene) Beachtung der Grundsätze von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ein. Wie die Leistung im Einzelnen ausgestaltet ist, hängt vom Einzelfall und dem jeweiligen Bedarf ab. Frage 5. Strebt die Landesregierung für den Fall, dass eine Einigung zur Übernahme ausgleichpflichtiger Kosten nicht erzielt werden kann, eine andere bundesgesetzliche Regelung der Standards für die Unterbringung und Betreuung minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer außerhalb des SGB VIII an, will sie die Standards im Rahmen einer landesgesetzlichen Regelung ändern oder sind andere Dinge geplant? Wie begründet die Landesregierung ihr Vorhaben? Frage 6. Wird die Landesregierung an den Standards nach SGB VIII zur Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer festhalten, wenn eine Einigung zur Erstattung mit den anderen Bundesländern erzielt werden kann? Die Fragen 5 und 6 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Hier ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Übernahme ausgleichpflichtiger Kosten die Problematik der Abwicklung der Kostenerstattung für Altfälle nach § 89d SGB VIII - vor dem Inkrafttreten der Neureglung durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher am 1. November 2015 - betrifft. Unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer sind grundsätzlich entsprechend der geltenden Rechtslage des SGB VIII im Rahmen der Jugendhilfe zu betreuen. Es wurde in der Antwort auf die Mündliche Frage auch darauf hingewiesen, dass es derzeit eine bundesweite Diskussion darüber gibt, wie Angebote bedarfsgerechter ausgestaltet und wie die Steuerungsmöglichkeiten der Länder als Kostenträger gestärkt werden können. Dies beruht auf der Erfahrung , dass bei vielen unbegleiteten Minderjährigen weniger ein Bedarf an Erziehungshilfe als ein Integrationsbedarf besteht und Betreuungsangebote daher in anderer Weise ausgestaltet sein können. Welcher Betreuungsbedarf besteht, ist allerdings im Einzelfall im Rahmen des Hilfeplanverfahrens zu klären. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben vor diesem Hintergrund in einem gemeinsamen Beschluss vom 7. Juli 2016 die Bundesregierung gebeten, zu den genannten Aspekten einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wiesbaden, 4. August 2016 In Vertretung: Dr. Wolfgang Dippel