Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 13.07.2016 betreffend Blackout und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Ein Blackout - der Ausfall der Stromversorgung - stellt eine massive Gefährdung für unser hoch technisiertes Land dar. Neben Produktionsausfällen, dem Zusammenbruch des Kommunikationsnetzes und dem Stopp des Zahlungsverkehrs drohen erhebliche Gefahren, insbesondere im Bereich der Krankenhausversorgung, der Lebensmittelversorgung, der Trinkwasserversorgung und im öffentlichen Verkehr. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Die Bundesrepublik Deutschland verfügt im weltweiten Vergleich über eine der sichersten und kontinuierlichsten Stromversorgungen. Das Energiewirtschaftsgesetz beauftragt die Übertragungsnetzbetreiber , die Zuverlässigkeit des Stromnetzes und damit der Stromversorgung dauerhaft sicherzustellen (§ 12 Energiewirtschaftsgesetz - EnWG). Das EnWG legt hierzu sowohl den systemverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibern als auch den Verteilnetzbetreibern ein hohes Maß an Eigenverantwortung auf. Dies äußert sich an dem Erfordernis, die durch Fach- und Branchenverbände festgelegten Standards als "allgemein anerkannte Regeln der Technik" einzuhalten sowie Notfallpläne zur Beherrschung von Störungsfällen zu erstellen. Die Rolle der staatlichen Energieaufsicht hat dabei die Funktion der sog. "Überwachung der Eigenüberwachung". Bei der Planung und Betriebsführung von Stromnetzen wird mit dem n-1-Kriterium ein Sicherheitsstandard herangezogen, mit dem im Falle des Ausfalls eines Betriebsmittels eine Versorgungsunterbrechung bis zu einem gewissen Grad vermieden werden kann. Dieses Prinzip besagt , dass die Netzsicherheit auch dann gewährleistet bleibt, wenn eine Komponente, etwa ein Stromkreis, ausfällt oder abgeschaltet wird. Das n-1-Kriterium hat sich in der Praxis als wirksames Mittel zur Vermeidung von Ausfällen in der Stromversorgung bewährt. Gleichwohl kann etwa beim Zusammentreffen mehrerer Schadensereignisse nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einem großflächigen Stromausfall kommt. Hessen ist als Stromimportland in hohem Maße auf Energielieferungen aus anderen Ländern angewiesen. Zudem ist Hessen Transitland für die Übertragung von Strom insbesondere in Nord-Süd-Richtung. Verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Stromversorgung bundesweit , so auch in Hessen, sind die Übertragungsnetzbetreiber. Hessen umfasst sowohl Teile der Regelzone des Übertragungsnetzbetreibers Amprion als auch der TenneT TSO. Durch die starke Einbindung in den europäischen Übertragungsnetzverbund kann die Gefahr großflächiger Ausfälle durch internationale Kompensations- und Ausgleichsmöglichkeiten verringert werden. Allerdings kann diese grenzüberschreitende Verknüpfung auch dazu führen, dass sich Störungen im Ausland als "Dominoeffekt" auch in Deutschland bzw. Hessen auswirken . Bei allen Vorkehrungen der genannten Akteure ist jedoch ein flächendeckender, langandauernder Stromausfall auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht gänzlich auszuschließen. Im Regelfall handelt es sich jedoch um kurzfristige und regional begrenzte Stromausfälle. Mit einem flächendeckenden, langandauernden Stromausfall ist vor allem dann zu rechnen, wenn es zu einer physischen Beeinträchtigung des Leitungsnetzes oder sonstiger Netzinfrastrukturelemente kommt. Gerade die Erfahrungen im Münsterland 2005 oder in Slowenien 2014 haben gezeigt, welche verheerenden Auswirkungen widrige Witterungsverhältnisse auf die Strom- Eingegangen am 2. November 2016 · Bearbeitet am 2. November 2016 · Ausgegeben am 4. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3611 02. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 versorgung haben können. Aber auch ein erfolgreicher Cyberangriff könnte schwerwiegende Folgen auf die Versorgungssicherheit in unserem Land haben. Zwar kann eine funktionierende Stromversorgung bspw. nicht durch Maßnahmen des Katastrophenschutzes ersetzt werden. Was wir jedoch tun können ist, uns so weit als möglich auf eine solche Lage vorzubereiten. Nur dann kann es den Einsatzkräften gelingen, schnell und effektiv das Richtige zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu tun. Die Hessische Landesregierung hat daher den Katastrophenschutz in unserem Land gezielt ertüchtigt , um für den Fall eines Stromausfalls gewappnet zu sein. So hat das Land bereits im Jahr 2012 in einer bundesweit einmaligen Beschaffungsaktion 27 Notstrom-Großaggregate für die unteren Katastrophenschutzbehörden und die Landesfeuerwehrschule bereitgestellt. Die Aggregate mit einem Gesamtwert von rund 3,2 Mio. € dienen der Aufrechterhaltung kritischer Infrastrukturen bei einem Stromausfall in den Kreisen und kreisfreien Städten. Mit ihrer Hilfe können Einrichtungen, die für die Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig sind, im Bedarfsfall mit Strom versorgt werden. So halten sie etwa ein Krankenhaus, Dialysezentrum oder eine Großtankstelle funktionsfähig. Um die Vorbereitungen der unteren Katastrophenschutzbehörden zu unterstützen, wurden darüber hinaus im Jahr 2013 Rahmenempfehlungen zur Einsatzplanung des Brand- und Katastrophenschutzes bei flächendeckendem, langandauerndem Stromausfall, ein Mustereinsatzplan für die Feuerwehren sowie die Einsatzkonzeption für die Notstrom-Großaggregate entwickelt (die in der Infothek auf der Homepage des Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) heruntergeladen werden können). Mit diesen Rahmenempfehlungen sollen die Katastrophenschutzbehörden , die Kommunen und die für die Gefahrenabwehr vor Ort Verantwortlichen in die Lage versetzt werden, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um die Folgen eines Stromausfalls für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sowie für unser Gemeinwesen so gering wie möglich zu halten. Die Rahmenempfehlungen, Mustereinsatzplanungen und die bereitgestellten Aggregate sollen für die unteren Katastrophenschutzbehörden auch eine initiierende Wirkung haben, damit vor Ort eigene passgenaue Lösungen entwickelt und bei Bedarf auch weitergehende Ausstattung beschafft wird. Das Land fördert daher auch den Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet. So wurde im Jahr 2015 ein landesweites Symposium zum Thema Stromausfall im HMdIS durchgeführt . Hierzu waren die Vertreter der Katastrophenschutzbehörden und die Kreisbrandinspektorinnen und Kreisbrandinspektoren eingeladen, um gemeinsam mit Vertretern der Stromwirtschaft und den Betreibern kritischer Infrastrukturen dieses wichtige Thema weiter zu vertiefen. Die Vorstellung von best-practice-Beispielen durch Praktiker rundete diese Veranstaltung ab. Ziel muss es sein, die Akteure vor Ort in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Vorkehrungen für einen solchen Stromausfall treffen zu können. Nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Maßnahmen des Landes können wir erkennen, dass das Thema bei den Verantwortlichen angekommen ist. Gleichwohl gilt es, diese Aktivitäten auch künftig weiter zu unterstützen und voranzutreiben . So hat das Land Hessen im Jahr 2016 zusätzlich 52 Stromaggregate-Anhänger (60 kVA) an die Betreuungszüge des Hessischen Katastrophenschutzes übergeben. Diese Aggregate versorgen Betreuungsstellen und -plätze mit ausreichend Licht und Strom, um die Infrastruktur funktional betreiben zu können. Zusammen mit den 27 Notstrom-Großaggregaten, die bei Feuerwehren und dem THW stationiert sind, dienen die Aggregate der dezentralen Energieeinspeisung in Gebäuden kritischer Infrastrukturen (wie z.B. KatS-Unterkünfte, medizinische Einrichtungen, Pflegeheime usw.). Bei einer Krise von landesweiter Bedeutung könnte zudem der Krisenstab der Hessischen Landesregierung aktiviert werden, bei dem die politischen Entscheidungsträger und Experten aus Brand- und Katastrophenschutz, Polizei, der Staatskanzlei und den anderen sieben Fachministerien sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unter dem Vorsitz des Hessischen Innenministers an einem Tisch sitzen. Der Krisenstab sorgt für ein abgestimmtes und koordiniertes Handeln zwischen der Staatskanzlei und den acht Ministerien, die Krisenkommunikation "aus einer Hand" und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und dem Bund. Bei allen wichtigen und sinnvollen Aktivitäten in diesem Zusammenhang darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass trotz aller Vorkehrungen ein flächendeckender, langandauernder Stromausfall immer auch mit erheblichen Beeinträchtigungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sein wird. Von einem solchen Stromausfall sind sämtliche Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens betroffen. Die Bürgerinnen und Bürger sind daher angehalten, durch geeignete Selbstschutzmaßnahmen Vorsorge zu treffen. Dies können oftmals ganz einfache Maßnahmen , wie die Bereithaltung von alternativen Licht- und Energiequellen oder haltbaren Lebensmitteln sein, auch hierzu enthalten die Rahmenempfehlungen wichtige Hinweise. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hält hierzu den "Ratgeber für Notfallvorsor- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 3 ge und richtiges Handeln in Notsituationen" bereit, der u.a. auch geeignete Selbstschutzmaßnahmen für den Fall eines Stromausfalls beschreibt. Wie allerdings die öffentliche Diskussion im Anschluss an die Vorstellung des Konzepts Zivile Verteidigung durch das Bundesministerium des Innern (BMI) am 24. August 2016, in dem den Bürgerinnen und Bürgern die Bevorratung von Lebensmitteln empfohlen wird, gezeigt hat, ist hier noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Zeitschrift "stern". Darin hielten 62 % der Befragten die Aufforderung des (BMI), Lebensmittelvorräte und Trinkwasser einzulagern, um für einen Katastrophenfall gerüstet zu sein, für Panikmache. Immerhin noch 33 % sehen darin eine sinnvolle Empfehlung. Eine Mehrheit der Befragten, nämlich 54 %, will jedoch auch in Zukunft keine Lebensmittel lagern und nur 12 % wollen dem Rat des BMI folgen. 32 % der Bürger haben allerdings schon Vorräte für den Notfall angelegt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung einen plötzlichen flächendeckenden Stromausfall bzgl. der Auswirkungen auf Hessen? Flächendeckende, langandauernde Stromausfälle sind mit erheblichen Beeinträchtigungen in sämtlichen Lebensbereichen verbunden und verursachen sehr hohe volkswirtschaftliche Kosten. Aus diesem Grund wird die Netzsicherheit in Deutschland aufmerksam von der Bundesnetzagentur überwacht, die hierfür die regelmäßig von den Übertragungsnetzbetreibern durchgeführten Simulationsrechnungen und Systemanalysen prüft sowie die geplanten Maßnahmen zur Erhaltung der Netzstabilität bewertet. Deutschland hat nachweislich eines der sichersten Stromnetze der Welt. In Hessen hat es noch keinen großflächigen Stromausfall gegeben, ein solches Szenario wird als unwahrscheinlich eingeschätzt, auszuschließen ist es jedoch nicht. In der Praxis würde ein flächendeckender, langandauernder Stromausfall bspw. dazu führen, dass die Telekommunikation (Festnetz, Mobilfunk, Internet) in kürzester Zeit nicht mehr verfügbar wäre. Im Öffentlichen Personennahverkehr und im Individualverkehr wären direkt spürbare Auswirkungen zu erwarten (auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen). Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die Warenlogistik und somit auch auf die Versorgung der Bevölkerung. Bargeldlose Zahlungen sowie Auszahlungen an Bankautomaten wären nicht mehr möglich. Diese Auswirkungen können durch Vorsorgemaßnahmen, wie bspw. Unterbrechungsfreie Stromversorgungsanlagen (USV-Anlagen), Notstromanlagen etc., allenfalls abgemildert, nicht jedoch verhindert werden, da ein funktionierendes Stromnetz nicht ersetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund sind die in der Vorbemerkung genannten Sicherstellungsmaßnahmen der Netzbetreiber und Energieversorger von besonderer Bedeutung. Frage 2. Welche Bereiche der Wirtschaft, des Verkehrs, der Gesundheit und der Inneren Sicherheit wären davon unmittelbar und in welcher Weise betroffen? Wirtschaft Bei einem flächendeckenden, langandauernden Stromausfall kämen weite Teile des Handels und der Wirtschaft zum Erliegen. Industriebetriebe könnten nicht mehr produzieren. Dies gilt ebenso für die Bereiche der Telekommunikation und der Informationstechnik. Die spezifische Betroffenheit wird im Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags, TA-Projekt: "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften - am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung" dargestellt. So stellt das Büro für Technologiefolgenabschätzung des Deutschen Bundestages u.a. fest: "Die hundertprozentige Elektrizitätsabhängigkeit aller Komponenten und die starke Vernetzung führen insbesondere im Bereich der von der Bevölkerung genutzten öffentlichen Sprach- und Datendienste zu einem schnellen, d.h. sofortigen oder höchstens Minuten bis Stunden verzögerten Ausfall." Verkehr Im Bereich des Individualverkehrs wären bei einem flächendeckenden Stromausfall für Verkehrsteilnehmer direkt spürbare Auswirkungen insbesondere durch den Ausfall von Lichtsignalanlagen und Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu erwarten. Mittelfristig würde eine mangelnde Treibstoffversorgung zu einem weitgehenden Erliegen des motorisierten Individualverkehrs führen . Im Bereich des Verkehrs verfügen die Eisenbahnen (Deutsche Bahn und nichtbundeseigene Eisenbahnen) über eine vom übrigen Landesnetz weitgehend unabhängige Stromversorgung. Bei einem Ausfall des Landesnetzes stünde damit weiterhin Fahrstrom für die elektrisch betriebenen 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 Fahrzeuge zur Verfügung. Allerdings wäre mittelfristig auch hier mit erheblichen Beeinträchtigungen zu rechnen, da bspw. sonstige Infrastruktureinrichtungen bzw. Anlagenteile nicht mehr mit Strom versorgt würden und daher der Betrieb eingestellt werden müsste. Gesundheit Im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls wären im Bereich "Gesundheit" vor allem Krankenhäuser unmittelbar betroffen. Zu den möglichen Folgen zählen bspw. Beeinträchtigungen des Krankenhausbetriebs, wie eingeschränkter Betrieb von Medizingeräten, kein Laborbetrieb oder Beeinträchtigungen bei der Speisenversorgung. Innere Sicherheit Die polizeilichen Liegenschaften können je nach Bedarf durch Notstromaggregate versorgt werden . Grundsätzlich sind in Hessen bereits jetzt alle Basisstationen des Digitalfunknetzes mit einer Notstromversorgung ausgestattet. Derzeit werden weitere Basisstationen ausgewählt, die mit einer Notstromversorgung ausgestattet werden sollen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 3. Welche Notversorgungssysteme können welche Ausfallzeiten in welchen Bereichen in welchem Umfang überbrücken? Neben den in der Vorbemerkung genannten Vorkehrungen der Netzbetreiber und Energieversorger zur Vermeidung eines Stromausfalls existieren bei Unternehmen und Behörden Notversorgungssysteme . Diese reichen von einer zumeist batteriegepufferten USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung )-Einrichtung, mit der kurzzeitige Stromausfälle überbrückt bzw. im Normalbetrieb Spannungsschwankungen reduziert werden, bis hin zur Vorhaltung stationärer Notstromversorgungseinrichtungen oder mobiler Notstromaggregate. Die USV-Einrichtungen dienen dabei auch der Überbrückung bis zum Anfahren einer Notstromversorgungseinrichtung bei einem längeren Stromausfall. Auf diese Weise können bspw. Kraftwerke, besonders kritische Produktionsbereiche in der Industrie, Leitstellen oder Leitwarten oder Krankenhäuser versorgt werden. Nach § 9 Abs. 2 des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 sind die Krankenhäuser verpflichtet , Alarm- und Einsatzpläne aufzustellen, sie mit den für den Brand- und Katastrophenschutz sowie den für Infektionsschutz zuständigen Stellen abzustimmen sowie gemeinsame Übungen durchzuführen. Im Krankenhaus-Einsatzplan des HMSI vom 1. Mai 2007 ist festgehalten, dass Risikoanalysen und Konzepte auch zu Betriebsstörungen, inkl. Stromausfall, zu erstellen sind. Alle Krankenhäuser verfügen über Notstromaggregate, die Stromausfälle vorübergehend kompensieren können. Die Notstromaggregate laufen, solange Dieselkraftstoff in den entsprechenden Kraftstoffbehältern der Klinken vorrätig ist. Der Stromausfall lässt sich damit für einige Zeit - je nach Fassungsvermögen des Tanks - überbrücken. Bei lebenserhaltenden Geräten ist zusätzlich eine eigene Batteriepufferung eingebaut. Behörden oder Einrichtungen mit besonderer Bedeutung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Funktionsfähigkeit der Gefahrenabwehr sind ebenfalls mit einer Notstromversorgung ausgestattet. Dies gilt bspw. für das HMdIS mit dem dort betriebenen Krisenzentrum und dem Lagezentrum der Hessischen Landesregierung sowie für sämtliche Flächenpräsidien in Hessen oder die Räumlichkeiten der Katastrophenschutzstäbe der oberen und unteren Katastrophenschutzbehörden, die ebenfalls weitgehend mit Notstromversorgungseinrichtungen ausgestattet sind bzw. über die erforderlichen Anschlussmöglichkeiten für eine entsprechende Aggregate-Einspeisung verfügen. Die Polizeibehörden bzw. Führungs- und Lagedienste, Polizeiwachen, Polizeigewahrsam und sicherheitstechnische Anlagen sind in Abhängigkeit von ihrer räumlichen, strategischen und taktischen Bedeutung ebenfalls mit Notstromanlagen ausgestattet . Nicht zuletzt aufgrund der in der Vorbemerkung genannten Aktivitäten des Landes werden von den Kommunen zunehmend auch Feuerwehrgerätehäuser mit einer Notstromversorgung ausgestattet. Dies wird vom Land Hessen beim Neubau oder der Erweiterung eines Feuerwehrhauses gefördert. Aber auch hier gilt, dass eine funktionierende Stromversorgung nicht ersetzt werden kann. Eine flächendeckende Netzeinspeisung mit Notstromaggregaten ist nicht möglich. Die Aktivitäten der Notstromversorgung können daher immer nur punktuell und an besonders kritischen Stellen zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Teil der Vorsorgeplanungen ist zudem auch, die Treibstoffversorgung für die Notstromaggregate sicherzustellen. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass Netzbetreiber und Energieversorger ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen, um eine möglichst schnelle Wiederaufnahme des Netzbetriebs realisieren zu können. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 5 Frage 4. Welche konkreten Maßnahmen und Notfallplanungen sieht die Landesregierung in welchen Fristen vor? Die unteren Katastrophenschutzbehörden planen für ihren jeweiligen Bereich die erforderlichen konkreten Maßnahmen und Priorisierungen auf der Basis der vom HMdIS bereitgestellten Rahmenempfehlungen zur Einsatzplanung des Brand- und Katastrophenschutzes bei flächendeckendem , langandauerndem Stromausfall, dem Mustereinsatzplan für die Feuerwehren sowie der Einsatzkonzeption für die Notstrom-Großaggregate. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 5. Wie sollen insbesondere die Bereiche des öffentlichen Verkehrs, der Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung und der Krankenhausversorgung auch im Falle eines mehrtägigen Blackouts sichergestellt werden? Öffentlicher Verkehr Der öffentliche Verkehr ist sehr stark von einer funktionierenden Stromversorgung abhängig. Grund hierfür ist neben der Abhängigkeit von elektrischer Antriebsenergie im Schienenverkehr vor allem der stark gestiegene Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien , der von der Fahrzeugsteuerung bis hin zur Verkehrsleitung oder dem Betrieb von Verkehrsanlagen (Tunnel, Brücken etc.) reicht. Zwar verfügt das Fahrnetz der Bahn wie ausgeführt über eine eigene Energieversorgung und Teile der genannten Verkehrsanlagen sind mit einer Notstromversorgung versehen, doch ist davon auszugehen, dass ein flächendeckender, langandauernder Stromausfall zu massiven Beeinträchtigungen bis hin zum teilweisen Ausfall des öffentlichen Verkehrs führen kann. Lebensmittelversorgung: Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist elementar und stellt in Krisenzeiten, wie hier im Fall eines unterstellten mehrtägigen Stromausfalls, auf Grund der Komplexität der Problemstellung eine große Herausforderung für Staat, Wirtschaft und Bevölkerung dar. Wie die gesamte moderne Infrastruktur, sind die für die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung erforderlichen Bereiche unserer Wirtschaft wie: die Primärerzeugung (Landwirtschaft), die verarbeitende Lebensmittelindustrie sowie der Lebensmitteleinzelhandel in hohem Maße von der Verfügbarkeit mit Strom abhängig. Ein länger anhaltender Stromausfall stellt daher für die Produktions- und Distributionsformen sowie die Logistik der Lebensmittelwirtschaft , aber auch die Fähigkeit des einzelnen Bürgers zur Sicherstellung seiner Ernährung eine erhebliche Herausforderung dar. Bund und Länder arbeiten aktuell (u.a. durch Vergabe von Forschungsprojekten durch den Bund) an einer Modernisierung der Ernährungsnotfallvorsorge und einer Anpassung der gesetzlichen Grundlagen an die komplexen Fragestellungen einer modernen Daseinsvorsorge. Ein wesentlicher Faktor ist die bereits in den Vorbemerkungen erwähnte Fähigkeit der Bevölkerung einige Tage aus den im Haushalt vorhandenen Lebensmittelvorräten die Grundversorgung mit Nahrung sicherzustellen (Selbstschutzverantwortung der Bevölkerung). Wesentliche Hinweise zur Vorsorge für den Fall einer Versorgungskrise und ein Vorratskalkulator finden sich auf der ENV-Seite des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: www.ernaehrungsvorsorge.de. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Trinkwasserversorgung Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) regelt in § 50 Abs. 4, dass Wassergewinnungsanlagen nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, unterhalten und betrieben werden dürfen. Ergänzend regelt § 31 Abs. 1 des Hessischen Wassergesetzes (HWG), dass Anlagen zum Verteilen, Behandeln und Speichern von Wasser nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und der Wasserwirtschaft oder, soweit dies vorgeschrieben ist, nach dem Stand der Technik so herzustellen, zu betreiben und zu unterhalten sind, dass die öffentliche Sicherheit und die Ordnung des Wasserhaushalts gewährleistet ist. Insbesondere die technischen Regelwerke des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) geben Hinweise für ein Risikomanagement im Normalbetrieb sowie einen Handlungsrahmen für das Risiko- und Krisenmanagement. Entsprechend der technischen Regelwerke basiert die öffentliche Wasserversorgung auf einem Prinzip der Vorhaltung in Wasserhochbehältern. Trinkwasser wird dementsprechend nicht unmittelbar von der Entnahmestelle zum Verbraucher geleitet. Innerhalb des Leitungsnetzes be- 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 stehen vielmehr Speicherkapazitäten für den Ausgleich von Verbrauchsspitzen oder auch Fördereinschränkungen (technische Defekte, Trockenperioden). Das Hochbehältervolumen innerhalb eines Leitungssystems kann in der Regel den Verbrauch der Bevölkerung über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden überbrücken. Hochbehälter werden in der Regel so positioniert , dass die natürliche Höhendifferenz ausreichenden Wasserdruck im Verteilernetz generiert, um die Versorgung der Verbraucher auch ohne Pumpenergie sicherzustellen. Dies ist jedoch nicht in allen Fällen möglich, so dass dann über Pumpen betriebene Druckerhöhungsanlagen benötigt werden. Um die Auswirkungen eines Stromausfalls zu mildern, können je nach Risikoabschätzung des Wasserversorgungsunternehmens wichtige Anlagenteile mit stationären oder mobilen Notstromaggregaten ausgestattet werden. Diese benötigen allerdings Treibstoff, dessen Vorrat begrenzt ist, da bei der Größe der in Rede stehenden Anlagen schnell mehrere 10.000 Liter Treibstoff für die Überbrückung von ein bis zwei Tagen erforderlich werden. Insofern könnte selbst bei ausreichenden Notstromkapazitäten der Betrieb nur dann aufrechterhalten werden, wenn bereits innerhalb weniger Tage eine Nachlieferung von Treibstoffen erfolgt. Dabei gilt, dass alle kritischen Systemkomponenten gleichmäßig mit Strom versorgt werden müssen und auch entsprechendes Personal und sonstige Ressourcen für die Steuerung zur Verfügung stehen. Sofern ein z.B. deutschlandweiter Stromausfall verhindert, dass Hilfeleistungen in Form von Notstromversorgung oder Betriebsmitteln aus normal versorgten Gebieten erfolgen können, muss bereits nach wenigen Tagen mit erheblichen Beeinträchtigungen der gewohnten Trinkwasserversorgung gerechnet werden. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass für den Fall einer derartigen Katastrophe der Trinkwasserverbrauch pro Kopf deutlich von ca. 120 bis 130 Liter auf unter 15 Liter pro Person sinkt. Insofern unterliegt die Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall anderen Anforderungen als die reguläre Aufrechterhaltung der Trinkwasserversorgung. Eine Versorgung der Bevölkerung würde dann im Rahmen des Katastrophenfalls durch Hilfskräfte erfolgen. Hierbei würde die Wasserverteilung mittels Tankwagen sowie die Notwasserabgabe aus Notbrunnen gemäß Wassersicherstellungsgesetz über Gruppenzapfstellen erfolgen. Frage 6. Welche Personen und Personengruppen übernehmen besondere Führungs- und Verantwortungsbereiche ? Im Falle eines flächendeckenden, langandauernden Stromausfalls greifen die allgemeinen und lagespezifischen Planungen der Sicherheits- und Gefahrenabwehrbehörden. So können bspw. von den unteren Katastrophenschutzbehörden (der Landrat in den Landkreisen und der Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten) nach § 34 S. 1 HBKG der Katastrophenfall festgestellt und auf der Basis der in der Vorbemerkung genannten Planungen die notwendigen Maßnahmen getroffen werden. Hierzu würde u.a. der Katastrophenschutzstab einberufen, der den Einsatz der Einheiten des Katastrophenschutzes, der Feuerwehren und des Rettungsdienstes steuert und koordiniert. Für die beschriebenen Lagefelder werden die polizeilich notwendigen Maßnahmen im Rahmen von "Besonderen Aufbauorganisationen" bewältigt, deren Strukturen und Führungspersonal ständig aktualisiert und vorgeplant werden. In Betrieben der kritischen Infrastruktur werden Notfallplanungen vorgehalten um entweder einen Weiterbetrieb zu ermöglichen bzw. ein kontrolliertes Herunterfahren von Anlagen sicherzustellen . Hierzu sind Krisenmanager bzw. verantwortliche Personen bestellt, die kurzfristig alarmiert werden können. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine enge Zusammenarbeit mit den unteren Katastrophenschutzbehörden, die auf der Basis der genannten Rahmenempfehlungen diese Unternehmen in ihre Gefahrenabwehrplanungen einbeziehen. Für den Bereich der Ernährungsnotfallvorsorge existieren Ansprechpartner auf der Ebene der Landesverwaltung bei dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und den Regierungspräsidien, sowie bei dem Landrat in den Landkreisen und dem Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten. Diese ENV-Ansprechpartner sind in der Regel mit den jeweiligen Katastrophenstäben vernetzt bzw. auf Ebene des Landes durch die Ressortvertreter im Krisenstab der Landesregierung vertreten. Frage 7. In welcher Weise sind die nachgeordneten Landesbehörden und insbesondere die kommunalen Behörden in die Notfallplanungen einbezogen? Auf die Antwort zu Frage 6 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3611 7 Frage 8. Wie hoch schätzt die Landesregierung den gesamtvolkswirtschaftlichen Schaden eines 24stündigen, flächendeckenden Stromausfalls in Hessen? Die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Stromausfalls in Hessen lässt sich nur schwer abschätzen. Laut einer Forschungsarbeit des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), basierend auf Daten aus dem Jahr 2010, würde ein einstündiger Stromausfall um 6.00 Uhr in ganz Hessen volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von rd. 23,4 Mio. €, um 12.00 Uhr von rd. 52,7 Mio. € und um 18.00 Uhr von 43,5 Mio. € verursachen. Legt man den Mittelwert dieser Kosten zugrunde, würden sich für einen 24stündigen flächendeckenden Stromausfall in Hessen gesamtwirtschaftliche Kosten in der Größenordnung von rd. 960,8 Mio. € ergeben. Wiesbaden, 21. Oktober 2016 Peter Beuth