Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 13.07.2016 betreffend Erlass Mopsfledermaus und Windkraftanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Am 10. Juni 2016 hat das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) die Oberen Naturschutzbehörden und die Oberen Landesplanungsbehörden angewiesen , entgegen den bisherigen Vorgaben des Leitfadens zur Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen den Schutzpuffer zu nachgewiesenen Wochenstubenquartieren der Mopsfledermaus im Umfeld geplante Windkraftanlagen von 5.000 m auf 1.000 m zu verringern. Der Leitfaden zur Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen wurde vom HMUKLV und vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) am 29. November 2012 veröffentlicht. Im Nachgang zum Leitfaden aus 2012 wurden von DIETZ (2014) und HERRCHEN & SCHMITT (2015) im Auftrag des HMWEVL zwei weitere Gutachten erstellt, die weitgehend den Leitfaden aus 2012 bestätigen. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Die vorliegende Kleine Anfrage bezieht sich auf den mit dem Ministerium für Wirtschaft, Energie , Verkehr und Landesentwicklung abgestimmten Erlass des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 10. Juni 2016 an die Regierungspräsidien , in dem klargestellt wird, dass eine Unterschreitung des Vorsorgeabstandes von 5.000 m für Mops- und Große Bartfledermaus bei der Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Bereits im November 2013 wurde in einem Erlass festgelegt, dass der 5.000m-Vorsorgeabstand nicht länger als alleinige Maßnahme zum Schutz der Art insbesondere vor betriebsbedingten Kollisionen in Frage kommt, sondern unterschritten werden kann, wenn alternative Vermeidungsmöglichkeiten bestehen (z.B. durch Einbeziehung der Habitatstrukturen, Betriebszeitenregelung im 5.000m-Umfeld der Wochenstubenkolonien). Der aktuelle Erlass vom 10. Juni 2016 stellt dies nochmals klar. Davon unberührt bleibt das auf der Genehmigungsebene geltende artenschutzrechtliche Erfordernis , neben dem Schutz vor Kollisionen auch dem Schutz vor Verlust der Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie vor einer erheblichen Störung der Lokalpopulation (z.B. durch Verlust essenzieller Nahrungshabitate) nachzukommen. Eine "Störung" oder "Zerstörung von Fortpflanzungs - und Ruhestätten" kann aber - wie schon der hessische Leitfaden "Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) in Hessen " (HMUELV / HMWVL 2012) auf Seite 19 darlegt - regelmäßig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden; eines 5.000 m-Mindestabstandes bedarf es dann hierfür nicht. Entsprechend war dieser Abstand im Jahr 2012 auch nicht mit Blick auf diese beiden Verbotstatbestände definiert worden. Welche Maßnahmentypen für die Vermeidung von Individuenverlusten durch betriebsbedingte Kollisionen an Windenergieanlagen als auch des Eintritts der "Störungsund Zerstörungsverbote" grundsätzlich in Frage kommen, ist durch zwei vom hessischen Wirtschaftsministerium beauftragte und mit dem hessischen Umweltministerium abgestimmte landesweite Fachgutachten dargelegt (vgl. Herrchen & Schmitt 2015: Untersuchungsdesign zur Mopsfledermaus auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung sowie Konzeption von Vermeidungs -, CEF- und FCS-Maßnahmentypen für die Art; Fuhrmann 2015: Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmentypen für die Große Bartfledermaus (Myotis brandtii) in Hessen). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Eingegangen am 30. August 2016 · Bearbeitet am 5. September 2016 · Ausgegeben am 8. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3625 30. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3625 Frage 1. Welche rechtliche Bindung hat die Weisung des HMUKLV vom 10. Juni 2016 für die Genehmigung von Windkraftanlagen? Als Erlass werden Regelungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung bezeichnet, die von vorgesetzten obersten Landesbehörden mit Wirkung für den nachgeordneten Bereich vorgegeben werden. Erlasse spielen eine Rolle im Rahmen der sogenannten Selbstbindung der Verwaltung, da eine Behörde nicht ohne sachlichen Grund von einer Verwaltungsübung abweichen darf, die durch Erlass begründet wurde. Erlasse lassen sich einteilen in organisatorische Erlasse, die den Aufbau, die innere Ordnung, Zuständigkeiten und Verfahren einer Behörde regeln und verhaltenslenkende Erlasse, die das Handeln bei der Entscheidungsfindung regeln. Letztere kann man wiederum in norminterpretierende Vorschriften, Ermessensrichtlinien und Vereinfachungsanweisungen unterscheiden. Bei dem hier in Rede stehenden Erlass handelt es sich um eine den § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die sich darauf beziehenden Erlasse konkretisierende Regelung (norminterpretierend). Der Erlass dient der Vereinheitlichung der Rechtsauslegung und bindet die dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nachgeordneten Behörden, die maßgeblichen Vorschriften in der vorgegebenen und damit einheitlichen Art und Weise in der Praxis anzuwenden. Frage 2. Wird die Weisung des HMUKLV bei der Ausweisung von Windvorranggebieten im Regierungsbezirk Darmstadt berücksichtigt? Ja. Gemäß den Ausführungen unter der Ziffer 1 gilt der Erlass für den gesamten nachgeordneten Bereich des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Frage 3. Falls ja (Frage 2): Auf Grund welcher Rechtsgrundlage? Rechtsgrundlage ist die aktuelle Erlasslage. Hierzu wird auch auf die Vorbemerkung und die Antworten zu Frage 1 und 2 verwiesen. Frage 4. Warum wurde die Reduzierung der Abstandsgrenzen nicht bereits im Vorfeld der Entwurfsplanung der Windvorranggebiete mit den Oberen Naturschutzbehörden und den Oberen Planungsbehörden abgesprochen? Der Wortlaut der Änderung wurde bereits Anfang Februar 2016 den Regierungspräsidien angekündigt . Rückfragen wurden dazu seitens der Regierungspräsidien in dem mehrmonatigen Zeitraum bis zur endgültigen Herausgabe des Erlasses - auch im Rahmen von zwischenzeitlich abgehaltenen Dienstbesprechungen - nicht gestellt. Richtigstellend sei zudem nochmals darauf verwiesen, dass eine "pauschale" Reduzierung des Mindestabstandes von 5.000 m auf 1.000 m auf der Ebene der Regionalplanung - wie verschiedentlich dargestellt - im Erlass vom 10. Juni 2016 nicht vorgesehen ist. Vielmehr gilt ein Zusammenwirken des 1.000 m-Mindestabstandes mit einer Betriebszeitenregelung im gesamten 5.000 m-Umfeld um die Wochenstubenkolonien beider Arten. Da es sich zudem allein um die Klarstellung eines norminterpretierenden Erlasses handelt, war ergänzend zu dem oben beschrieben Vorgehen eine weitergehende vorherige inhaltliche Absprache mit den Oberen Naturschutzbehörden und den Oberen Planungsbehörden nicht erforderlich. Frage 5. Warum wurden nur partielle, die Windkraft begünstigenden Argumente aus dem Gutachten von Herrchen & Schmitt 2015 in die Überlegungen des HMUKLV einbezogen und insbesondere die von den Gutachtern verlangten genaueren Untersuchungen zum Vorkommen der Art bzw. wertvoller Habitatstrukturen der Mopsfledermaus nicht aufgegriffen? Die Ausarbeitung von Herrchen und Schmitt (2015) "Untersuchung des Mopsfledermausvorkommens in potenziellen Vorranggebieten zur Nutzung der Windenergie (WEA-VRG) - Untersuchungsdesign zur Erfassung der Mopsfledermaus auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung sowie Konzeption von Vermeidungs-, CEF- und FCS-Maßnahmentypen für die Art" nennt optional geeignete Maßnahmentypen, die gegebenenfalls im Einzelfall zur Berücksichtigung der artenschutzrechtlichen Verbote herangezogen werden können. Das Gutachten benennt keine rechtlich bindenden Mindestanforderungen, mit denen den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen quasi präventiv entsprochen werden könnte. Dass auf der Genehmigungsebene genauere Untersuchungen schon deshalb regelmäßig erforderlich sind, um den in der Vorbemerkung beschriebenen artenschutzrechtlichen Zerstörungs- und Störungsverboten der betreffenden Art nachzukommen, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Wiesbaden, 19. August 2016 Priska Hinz