Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 14.07.2016 betreffend Ausführungen aus den Justizvollzugsanstalten und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragesteller: Im Hessischen Strafvollzugsgesetz wurde Ende des Jahres 2015 eine eigenständige Rechtsgrundlage für Ausführungen geschaffen. Dadurch wurde insbesondere klargestellt, dass bei einer Ausführung, die immer eine ständige und unmittelbare Bewachung vorzusehen hat, die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen (Bewachung, Fesselung etc.) in die Gesamtwürdigung, ob eine Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr vorliegt, mit einzubeziehen sind. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Die Rechtsgrundlage für die Ausführung im Hessischen Strafvollzugsgesetz wurde durch das Gesetz zur Änderung hessischer Vollzugsgesetze vom 30. November 2015 (GVBl. 2015, S. 498) neu gefasst. Dabei wurde die Ausführung aus ihrem bisherigen Regelungsstandort in § 13 Abs. 3 Nr. 3 HStVollzG alte Fassung herausgelöst und eigenständig in den neu angefügten Sätzen in § 13 Abs. 3 Satz 2 bis 4 HStVollzG geregelt. Eine inhaltliche Veränderung war damit jedoch nicht beabsichtigt, vielmehr erfolgte eine klarstellende Anpassung an die Vorgaben der Rechtsprechung und die Systematik von § 13 Abs. 4 HSVVollzG. Die bisherige Fassung der Norm, die der des alten Strafvollzugsgesetzes des Bundes entsprach, brachte nicht deutlich genug zum Ausdruck, dass bei der Ausführung eine Bewertung der Entweichungs- und Missbrauchsgefahr die angeordneten Sicherheits- und Bewachungsmaßnahmen mit einbeziehen muss. Es kommt demnach nicht darauf an, dass der Gefangene generell entweichungs- und missbrauchsgefährdet ist, sondern dass er trotz Sicherungsmaßnahmen entweichungs- und missbrauchsgefährdet sein muss, um eine grundsätzliche Versagung zu rechtfertigen. Die entsprechende Modernisierung des Gesetzestextes, die bereits bei der Schaffung von § 13 Abs. 4 HSVVollzG berücksichtigt worden war, wurde nunmehr auch in das HStVollzG übernommen , um die Rechtsanwendung zu erleichtern und die Rechtssicherheit zu erhöhen. Die vollzugliche Praxis in Hessen hatte die Vorgaben der Rechtsprechung aber bereits zuvor berücksichtigt . Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Auswirkungen hatte die Neuregelung bisher auf die Praxis in den Vollzugsanstalten? Im Hinblick auf das Inkrafttreten der gesetzlichen Änderung vor nur etwas mehr als einem halben Jahr können die Auswirkungen der Änderung noch nicht zuverlässig beurteilt werden. Hierzu wäre zumindest ein Gesamtvergleich der statistisch erfassten Zahl der für Ausführungen aufgewendeten Arbeitsstunden von 2015 und 2016 abzuwarten. Auf die Antwort zur Frage 4. wird insoweit Bezug genommen. Entsprechende statistische Daten liegen dazu abschließend noch nicht vor. Signifikante Veränderungen sind jedoch angesichts des in erster Linie klarstellenden Inhalts der Änderung eher unwahrscheinlich. Insoweit wird ergänzend auf die Vorbemerkung der Ministerin der Justiz Bezug genommen. Frage 2. Ist die Zahl der Ausführungen seit der Neuregelung signifikant gestiegen? Zur Beantwortung wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. Eingegangen am 23. August 2016 · Bearbeitet am 23. August 2016 · Ausgegeben am 26. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3632 23. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3632 Frage 3. Wenn nein, aus welchem Grund nicht? Auf die Beantwortung von Frage 1 wird Bezug genommen. Frage 4. Wie viele Anträge auf Ausführung gab es in den hessischen Vollzugsanstalten seit 01.01.2013 jeweils halbjährlich und wie viele davon wurden bewilligt und durchgeführt, wie viele wurden aus welchem Grund abgelehnt? Zur Anzahl der Anträge auf Ausführung und den Gründen für die Gewährung bzw. Ablehnung von Ausführungen werden im hessischen Justizvollzug keine Statistiken geführt. Eine Beantwortung würde insoweit eine Einzelauswertung sämtlicher Gefangenenpersonalakten voraussetzen. Statisch erhoben wird jedoch die Anzahl der Arbeitsstunden, die für alle Arten von Ausführungen aufgewendet werden. Seit 2015 erfasst diese Erhebung auch die Ausführungen aus behandlerischen Gründen bzw. die Ausführungen zur Vermeidung von Haftschäden. Danach fielen im Jahr 2015 insgesamt 59.169,74 Arbeitsstunden für Ausführungen an, was in etwa 32,5 Vollzeitäquivalenten entspricht. Die ganz große Mehrzahl dieser Stunden entfiel jedoch auf Krankenhaus- oder Facharztausführungen, die sich nicht nach § 13 HStVollzG beurteilen , sondern nach § 15 i.V.m. § 24 Abs. 4 HStVollzG. Insgesamt wurden für Ausführungen zur Vermeidung von Haftschäden oder aus sonstigen behandlerischen Gründen 7.538,68 Stunden aufgewandt, was einem Personalansatz von 4,13 Vollzeitäquivalenten entspricht. Frage 5. Sind die Justizvollzugsanstalten mit ausreichend Personal ausgestattet, um die Ausführungen entsprechend der neuen Rechtsgrundlage auch praktisch durchzuführen? Wie bereits dargelegt, haben die Änderungen zu § 13 Abs. 3 HStVollzG zu keinen nennenswerten Änderungen in der Praxis geführt, da nach diesen Grundsätzen bereits zuvor verfahren wurde . Zur personellen Belastung, die durch die Ausführungen entsteht, ist auf die Antwort zur Frage 4 zu verweisen. Im Rahmen der Personalbemessung wird sichergestellt, dass alle Justizvollzugsbehörden über die erforderliche Stellenzahl zur Erledigung sämtlicher Aufgaben in der erforderlichen Qualität verfügen. Die Personalbemessung orientiert sich hierbei grundsätzlich an der Belegungsfähigkeit der jeweiligen Justizvollzugsanstalt. Grundlage für die Personalbemessung und den Personaleinsatz im allgemeinen Vollzugsdienst ist der Stellenbesetzungsplan, der sämtliche Funktionen abbildet, die für einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt erforderlich ist. Anstalten mit besonders vielen Ausführungen werden entsprechende Stellen zur Abwicklung dieser Aufgaben zugewiesen. Zur Kompensation von Personalausfallzeiten im allgemeinen Vollzugsdienst, wie beispielsweise Urlaub und Krankheit, stehen jeder Justizvollzugsanstalt 25 % mehr Planstellen zur Verfügung als im Stellenbesetzungsplan zur Besetzung aller Funktionen erforderlich sind. So wird sichergestellt , dass ausreichend Stellen und Bedienstete zur Durchführung der notwendigen Ausführungen vorhanden sind. Aufgrund der saisonal stark schwankenden Krankenquote im AVD oder beim Zusammentreffen mehrerer Überwachungen und/oder Ausführungen bzw. bei besonderen Lagen, kann es im Einzelfall - soweit vertretbar - zu Verschiebungen oder Absagen kommen. Dies muss vor Ort durch die jeweilige Behördenleitung entschieden werden. Frage 6. Wie viele Ausführungen konnten seit Anfang des Jahres nicht durchgeführt werden, weil die Personalausstattung nicht ausreichend war? Die Rechtsprechung hat detaillierte Grundsätze aufgestellt, die sich mit der Gewährung von Ausführungen und der Berücksichtigung personeller Ressourcen beschäftigen. Das BVerfG (BeckRS 2011, 56243; 2015, 49763) hat dazu entschieden, dass sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen auch aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Anstalt ergeben können. Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden. Die personellen und organisatorischen Möglichkeiten der Anstalt können insoweit bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang vollzugsöffnende Maßnahmen (speziell Ausführungen) in Frage kommen und welche Rangfolge sich daraus im Rahmen des Realisierbaren ergibt, Berücksichtigung finden (OLG München FS 2014, 65 = BeckRS 2013, 01744; OLG Hamm NStZ 1988, 198). Außerdem ist eine Vollzugsanstalt von Verfassung wegen nicht gehalten, dem Strafgefangenen die Erreichung eines von ihm angestrebten Zieles auf einem Wege zu ermögli- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3632 3 chen, der für sie außerordentliche Schwierigkeiten mit sich bringt und die Gewährleistung des Vollzugszweckes oder der Ordnung in der Anstalt ernsthaft in Frage stellt, wenn der Strafgefangene das gleiche Ziel ganz oder doch weitgehend auf einem ihm zumutbaren und für die Vollzugsanstalt mit wesentlich weniger Aufwand verbundenem Wege erreichen kann (BVerfG BeckRS 2015, 49763 Rn. 25; NJW 1973, 1451 (1453)). Hierunter dürfte zum Beispiel zu fassen sein, Gefangene zur Aufrechterhaltung von Sozialkontakten statt auf die Ausführung auf den Besuch, den Schriftverkehr oder Telefonate zu verweisen (vgl. zum Ganzen BeckOK Strafvollzug Hessen/Kunze HStVollzG § 13 Rn. 20). Andererseits gilt aber auch, dass langstrafigen Gefangenen, bei denen Haftschäden drohen, Ausführungen unter Hinweis auf personelle Gesichtspunkte nicht generell versagt werden dürfen. Hier steht der Anstalt nur hinsichtlich der Häufigkeit und des Zeitpunkts der Maßnahmen ein Auswahlermessen zu. Für Sicherungsverwahrte sieht das Gesetz nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mindestens vier Ausführungen im Jahr vor. Für Strafgefangene, die eine vergleichbar lange Zeit in Haft verbracht haben, liegt die angemessene Häufigkeit aufgrund des Abstandsgebots jedoch niedriger. Nach diesen Grundsätzen wird in den hessischen Vollzugsanstalten verfahren. Statistische Zahlen zur Absage geplanter Ausführungen aus behandlerischen Gründen liegen unter Bezugnahme und die Beantwortung der Fragen 4 und 5 nicht vor. Sollte eine Ausführung aus den in der Beantwortung zu Frage 5 genannten Gründen nicht stattfinden können, führt dies jedoch regelmäßig nicht zu deren Ausfall, sondern lediglich zu einer Verschiebung. Wiesbaden, 15. August 2016 In Vertretung: Thomas Metz