Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 18.07.2016 betreffend Gewerbesteuerbemessung im Bereich der Reiseveranstalter und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: Im Zuge der Gewerbesteuerreform 2008 wurden die Grundlagen für die Bemessung der Gewerbesteuer verändert Im Bereich der Reiseunternehmen haben Finanzämter bei der Bemessung der Gewerbesteuer definitorische Schwächen des Gesetzes so ausgelegt, dass Übernachtungsleistungen, die Reiseveranstalter weltweit einkaufen, bei der Bemessung der Gewerbesteuer rückwirkend bis 2008 berücksichtigt werden. Das führt zu teilweise massiven Steuerforderungen gegenüber den Reiseunternehmen. In einem Zwischenurteil vom Februar diesen Jahres hat das Finanzgericht·Münster entschieden, dass nur die· Kaltmiete bei Übernachtungsleistungen bei der Ermittlung der Gewerbesteuer berücksichtigt werden darf. Für die Reiseveranstalter stellt sich in der Folge das Problem, dass die Ausweisung einer reinen Kaltmiete seitens der weltweit angebotenen Übernachtungsleistungen von Hotels usw. weder üblich noch praktikabel dargestellt werden kann, da solche Dienstleistungen immer inklusive der anteiligen Heizungskosten, Personalkosten , Reinigungskosten ausgewiesen werden und die Reiseveranstalter darauf angewiesen sind, dass die weltweiten Dienstleistungserbringer. (z.B. ein Hotel in Rio de Janeiro) ihre Betriebskostenkalkulation offenlegen . Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Auf welcher Grundlage bemisst die hessische Finanzverwaltung die Bemessung der Gewerbesteuer für Reiseunternehmen? Reiseveranstalter unterliegen wie jedes andere in Deutschland ansässige gewerbliche Unternehmen den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. Gewerbeertrag ist der Gewinn des Unternehmens ermittelt nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8 und 9 GewStG. Reiseveranstalter unterlagen damit bereits vor dem Inkrafttreten des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 den Vorschriften der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung in der für den jeweiligen Erhebungszeitraum gültigen Fassung. Frage 2. Wie viele Reiseunternehmen waren in Hessen von Steuerrückforderungen aufgrund einer weitgehenden Bemessung der Gewerbesteuer betroffen? Die Zahl der in Hessen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegenden Reiseveranstalter ist nicht bekannt. Frage 3. Wendet die hessische Finanzverwaltung die Vorgaben des Urteils des Finanzgerichtes Münster, also nur die Kaltmiete bei der Bemessung der Gewerbesteuer zu berücksichtigen, an? Frage 4. Welche Kriterien wendet die hessische Finanzverwaltung für die Ausweisung der Kaltmiete zur Bemessung der Gewerbesteuer an? Eingegangen am 17. August 2016 · Bearbeitet am 19. August 2016 · Ausgegeben am 22. August 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3642 17. 08. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3642 Frage 5. Wie geht die hessische Finanzverwaltung mit dem Problem um, dass bei der Rechnungslegung der weltweit eingekauften Übernachtungsleistungen durch Reiseunternehmen in der Regel eine Einzelauflistung der Kostenanteile nach Kaltmiete, Personal, Warmmiete usw. nicht erfolgt bzw. in der Praxis nicht überprüfbar ist? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3. bis 5. gemeinsam beantwortet. Es geht um die Frage der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Mietentgelten aus der Anmietung von Hotelleistungen durch Reiseveranstalter. Reiseveranstalter, die Kunden eine Pauschalreise anbieten, müssen die entsprechende Hotelkapazität beim Hotelier anmieten. Nach § 8 Nummer 1 Buchstabe e GewStG sind Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines anderen stehen, prozentual dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen. Der gleichlautende Ländererlass zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung nach § 8 Nummer 1 GewStG vom 2. Juli 2012 (GLE) äußert sich u.a. zu Fragen der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen. Nach Rz. 29b des GLE sind Mietaufwendungen des Unternehmers für die Anmietung von Unterkünften, die unmittelbar der originären Tätigkeit zuzuordnen sind (z.B. Baumontage , Reisedienstleistungen) dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen, sofern sie vorab das Einkommen gemindert haben. Die vorliegende Problematik war. nach dem Inkrafttreten des GLE Gegenstand von Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene. Hessen teilt durchaus die Argumente der Reisebranche. Allerdings bedarf es für eine entsprechende Änderung/Ergänzung des GLE einer Mehrheit von Bund und Ländern. Ein entsprechender Vorstoß Hessens ist diesbezüglich gescheitert. Nach umfassender Erörterung vertritt die Mehrheit der Länder die Auffassung, dass die zwischen Reiseveranstalter und Hotelbetreiber geschlossenen Verträge mehrere Leistungskomponenten enthalten (gemischte Verträge), die trennbar sind und infolgedessen jede Komponente für sich nach Maßgabe des § 8 Nummer 1 Buchstabe a bis e GewStG zu beurteilen ist. Im Ergebnis unterliegen somit die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Ausgenommen von der Hinzurechnung sind einzelne Leistungen, wenn sie nicht als Nebenleistungen zur Hotelunterkunft, sondern als gesonderte Leistungen anzusehen sind (z.B. Animation, Wellness- und Sportleistungen). Diese Grundsätze sind aktuell Gegenstand eines Verfahrens vor dem Finanzgericht Münster (Az. 9 K 1472/13 G) Gegen das am 4. Februar 2016 ergangene Zwischenurteil legte die Klägerin Revision ein. Die Finanzverwaltung wird daher zunächst die höchstrichterliche Entscheidung abwarten und bis dahin an den sich aus dem GLE vom 2. Juli 2012 ergebenden Grundsätzen festhalten. Wiesbaden, 9. August 2016 In Vertretung: Dr. Bernadette Weyland