Kleine Anfrage der Abg. Cárdenas (DIE LINKE) vom 03.08.2016 betreffend Kooperationen mit Hochschulen in der Türkei und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Die Beziehungen der hessischen Hochschulen zur Türkei zeichnen sich durch zahlreiche enge Kooperationen in der Forschung und einen intensiven Austausch von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus. Mit großer Sorge wird beobachtet, dass die türkische Regierung in erheblichem Maße in die Strukturen der Hochschulen eingreift, zahlreiche Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer einer Gegnerschaft zum türkischen Staat verdächtigt und sie daher persönlich verfolgt. Am 29. Juli 2016 wurde gemeinsam mit den Präsidien 14 hessischer Hochschulen eine Stellungnahme zum Umgang der Türkei mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht (Anlage 1). Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Wie viele türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten derzeit an hessischen Hochschulen (jeweils separat für die hessische Partnerregion Bursa auflisten)? Gegenwärtig arbeiten 70 türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an hessischen Hochschulen . Es liegen an den Hochschulen keine Informationen zur regionalen Herkunft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor; in den Datenbanken wird nur das Herkunftsland, nicht die Region erfasst. Frage 2. Wie viele davon wurden angewiesen, vorzeitig in die Türkei zurückzukehren und wie viele sind zurückgekehrt (jeweils separat für die hessische Partnerregion Bursa auflisten)? Es ist bekannt, dass insgesamt drei Personen angewiesen wurden, vorzeitig in die Türkei zurückzukehren . Zwei Personen sind nicht in die Türkei zurückgekehrt. Der Gastaufenthalt eines Promovierenden von einer Hochschule in Bursa wurde frühzeitig beendet. Frage 3. Wie viele Kooperationen gibt es zwischen hessischen und türkischen Hochschulen? Bei wie vielen wurde mittlerweile der Austausch eingeschränkt (jeweils separat für die hessische Partnerregion Bursa auflisten)? Die hessischen Hochschulen unterhalten gegenwärtig 167 Kooperationen mit Hochschulen in der Türkei, 6 davon mit einer Hochschule in der Region Bursa. Die Kooperationen der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Technischen Hochschule Mittelhessen mit der Fatih Universität sind zurzeit eingeschränkt. Frage 4. Wie viele Studierende sind im Rahmen des Erasmus-Austausches mit der Türkei betroffen (jeweils separat für die hessische Partnerregion Bursa auflisten)? Zur Beantwortung der Frage wird auf Anlage 2 verwiesen. Frage 5. Gedenkt die hessische Landesregierung ein ähnliches Hilfsangebot für türkische Forscher auszusprechen wie die niedersächsische Wissenschaftsministerin? Für in Hessen betroffene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist - ebenso wie in Niedersachsen - im Einzelfall zu prüfen, ob durch eine Verlängerung von Arbeitsverträgen und Sti- Eingegangen am 19. September 2016 · Ausgegeben am 22. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3680 19. 09. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3680 pendien der Unterhalt gesichert werden kann. Wie in der gemeinsamen Stellungnahme zum Umgang der Türkei mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom 29. Juli 2016 erklärt, stehen die zuständigen Stellen der Hochschulen mit ihren Fachleuten für internationale Angelegenheiten gerne für Beratungen bereit. Frage 6. Hat die Landesregierung die Kriterien des HessenFonds für Flüchtlinge dahin gehend ergänzt, dass aus diesen Fonds auch türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aufgrund der jetzigen Situation die Türkei verlassen haben, aber nicht unter die Kategorie "Flüchtlinge" fallen, gefördert werden können, oder plant sie dies? Frage 7. Falls eine Förderung aus dem HessenFonds nicht möglich sein sollte, gedenkt die Landesregierung ein adäquates Förderprogramm aufzulegen? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Sofern die Kriterien des HessenFonds auf türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zutreffen, ist eine Nominierung im Rahmen des Stipendienprogramms möglich. Frage 8. Welche Vorkehrungen hat die Landesregierung unternommen, um betroffenen Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die entsprechenden Aufenthaltstitel zur Einreise bzw. zum längerfristigen Aufenthalt in Deutschland bzw. Hessen zu ermöglichen? Die Ausbildung qualifizierter ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen ist ein vordringliches Anliegen der Bundesrepublik Deutschland. Das öffentliche Interesse an der Förderung des Studien- und Wissenschaftsstandortes Deutschland schlägt sich insbesondere in Verfahrensvereinfachungen bei der Visumerteilung, Befreiung vom Erfordernis der Zustimmung der Ausländerbehörde für Stipendiaten und Absolventen deutscher Auslandsschulen sowie dem Schweigefristverfahren für Studierende nieder. Den an einem Hochschulstudium interessierten Bewerberinnen und Bewerbern, die geeignete Vorbildungsnachweise besitzen, soll ein Visum erteilt werden, um zunächst ohne formelle Bewerbung und ohne Zulassung einer Hochschule in das Bundesgebiet einreisen und ggfs. fehlende Voraussetzungen für die Bewerbung oder zur Aufnahme eines Studiums zu schaffen. Die Aufnahme jeglicher Erwerbstätigkeit ist in diesem Falle untersagt (§ 16 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Das Aufenthaltsrecht für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurde im Rahmen der "Fachkräfte -Initiative" der Bundesregierung liberalisiert, um verstärkt Leistungsträgerinnen und Leistungsträger aus der Wissenschaft zu gewinnen. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG kann Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit besonderen fachlichen Kenntnissen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, also Personen, die bereits über akademische Reputation verfügen. Wird dieser hohe Maßstab nicht erfüllt, erhalten sie ggfs. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG. Visa für diese Aufenthaltszwecke werden derzeit an sämtliche unter die §§ 16 bis 21 und § 7 Abs. 1 S. 3 des Aufenthaltsgesetzes fallende Personen mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten ausgestellt. Diese Regelung ist vorerst bis zum 31. Dezember 2016 befristet. Die Landesregierung erachtet die nach geltendem Aufenthaltsrecht bestehenden Zugangsvoraussetzungen für türkische Staatsangehörige, die als Studierende bzw. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Deutschland einreisen möchten, für ausreichend. Frage 9. Wann und wie hat die Landesregierung ihren Protest zur Verfolgung türkischer Studierender und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und sonstiger Hochschulangehöriger türkischer Hochschulen gegenüber der türkischen Regierung kundgetan? Am 29. Juli 2016 wurde eine gemeinsame Stellungnahme zum Umgang der Türkei mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht (Anlage 1). Auf diese wird verwiesen. Wiesbaden, 8. September 2016 Boris Rhein Anlagen