Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 04.08.2016 betreffend Behandlungsfehler und Fehlermanagement in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Seit Februar 2013 sind alle Krankenkassen in Deutschland verpflichtet, ihre Versicherten bei einem geäußerten Verdacht eines Behandlungsfehlers mit Informationen zu versorgen und sie dann ggf. bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zu unterstützen. Voraussetzung dafür ist, dass der Fehler bei einer Kassenleistung entstanden und noch nicht verjährt ist. Nach § 66 Sozialgesetzbuch V sollen die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen , die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen. Die Vorschrift dient der Verfolgung eines möglichen Rechts auf Schadenersatz der bzw. des Versicherten. Sie kann dem Patienten entweder zu dem begehrten Schadenersatz verhelfen, zumindest aber bei der Klärung der Frage behilflich sein, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Die Zahl der Behandlungsfehler sowie der Vorwürfe ist tendenziell steigend, so der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS). Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Nach den gesetzlichen Vorschriften sollen die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind, und die nicht auf die Krankenkassen übergehen , unterstützen. Eine Verpflichtung der Krankenkassen, Verdachtsfälle zu erfassen oder über geleistete Unterstützungen Auswertungen zu erstellen, sowie eine Meldepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde gibt es nicht. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Verdachtsfälle von Behandlungsfehlern wurden in den Jahren 2015 in Hessen bei den der Aufsicht des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration unterstehenden Krankenkassen sowie der Barmer GEK und der Techniker Krankenkasse gemeldet? Es wurden keine Verdachtsfälle gemeldet. Die Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse unterstehen nicht der Aufsicht des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI), sodass entsprechende Meldungen zudem nicht gegenüber dem HMSI erfolgt wären. Die Rechtsaufsicht über die Ersatzkassen obliegt dem Bundesversicherungsamt. Frage 2. Inwiefern hat oder will sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die anderen Ersatzkassen, die Mitglied des Verbandes der Ersatzkassen in Hessen sind, eine hessenspezifische Auswertung vornehmen, um Verdachtsfälle von Behandlungsfehlern zu eruieren? Die anderen Ersatzkassen unterstehen, ebenso wie die Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse , nicht der Aufsicht des HMSI. Die Hessische Landesregierung hat daher keine Handhabe , die Ersatzkassen erfolgversprechend um die Erstellung einer hessenspezifischen Auswertung zu bitten. Frage 3. Wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, in denen Krankenkassen in Hessen der Verpflichtung zur Unterstützung von Patienten in Verdachtsfällen von Behandlungsfehlern im Zeitraum von Februar 2013 bis heute nicht nachkamen? Entsprechende Fälle sind der Hessischen Landesregierung nicht bekannt und es liegen keine Beschwerden vonseiten der Versicherten vor. Eingegangen am 16. September 2016 · Ausgegeben am 23. September 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3685 16. 09. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3685 Frage 4. Welche Maßnahmen (wie z.B. flächendeckendes Fehlermanagement, bessere Aufklärung und Vorberatung) sieht die Landesregierung vor, um ärztlichen Behandlungsfehlern vorzubeugen? Frage 5. Welche Maßnahmen existieren bereits und werden erfolgreich in Hessen bezüglich der Vermeidung von Behandlungsfehlern umgesetzt? Die Fragen 4 und 5 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Auswahl der Therapie obliegt im ambulanten Bereich dem behandelnden Vertragsarzt. Die Vertragsärzteschaft ist verpflichtet, eine medizinisch adäquate, dem Facharztstandard entsprechende Versorgung zu gewährleisten und sich regelmäßig weiterzubilden. Zudem gibt es im Rahmen der Selbstverwaltung Regularien für den Fall des Verstoßes gegen vertragsärztliche Pflichten, die bis hin zum Verlust der Zulassung führen können. Die Pflichten gelten entsprechend im stationären Bereich für die angestellten Ärzte im Krankenhaus . Im Rahmen seiner Organisationshoheit ist ein Krankenhaus verpflichtet, die adäquate Versorgung sicherzustellen und zu überwachen. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren vielfältige Anstrengungen, um die Patientensicherheit zu fördern. Zunächst wurden, auf Anregung der Haftpflichtversicherungen, aufgrund steigender Ausgaben für Behandlungsfehler bundesweit Anstrengungen unternommen, Sicherheitskonzepte aus der Luftfahrt auf den Krankenhausbereich zu übertragen. Im Krankenhausbereich hat das Land Hessen bereits im Krankenhausplan 2003 Vorgaben zur Struktur der Notfallversorgung gemacht, später gab es medizinische Konzepte wie etwa das Onkologiekonzept, um die Qualität der Versorgung zu fördern und Behandlungsfehler zu vermeiden. Eine Reihe von Maßnahmen zur Patientensicherheit kam in den letzten Jahren auch über bundesrechtliche Regelungen, etwa zur Einführung von Critical-incident-Reporting-Systemen ("CIRS") oder zu der Verpflichtung, OP-Checklisten zu führen. Die Hessische Landesregierung hat mit der erstmaligen Einrichtung eines Fachreferates für Qualitätssicherung und Patientensicherheit im Jahre 2013 die Initiative ergriffen und zusammen mit der Hessischen Krankenhausgesellschaft ein Qualitätskonzept für den stationären Bereich in Hessen erarbeitet. Ziel der Initiative ist die Verbesserung und Weiterentwicklung der Patientensicherheit und Qualität durch einzelne Projekte. Beispielhaft nenne ich - das MRE-Projekt mit dem Titel "Analyse der Prävalenz multiresistenter Erreger (MRE) in hessischen Krankenhäusern sowie Maßnahmen zur Reduktion vermeidbarer Infektionen durch MRE", - die Erarbeitung und Herausgabe eines Patientenratgebers mit dem Titel "Sicher im Krankenhaus - Ein Ratgeber für Patienten" und - die Durchführung eines Simulationstrainings für pädiatrische Notfälle bei allen hessischen Kinderkliniken. Die Initiative ist als langfristiges und dynamisches Projekt angelegt, um eine stetige Verbesserung zu erreichen und kontinuierlich das Thema Patientensicherheit zu bearbeiten. Wiesbaden, 7. September 2016 Stefan Grüttner