Kleine Anfrage der Abg. Barth (SPD) vom 28.01.2014 betreffend geplanter Umbau des ehemaligen Amtsgerichtsgebäudes in Usingen zu einer Polizeistation und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung der Fragesteller: Ursprünglich war geplant das durch die Gerichtszusammenlegung mit dem Amtsgericht Bad Homburg seit zwei Jahren leer stehende Gebäude des Amtsgerichts Usingen (Hochtaunuskreis) zu einer neuen Polizeistation umzubauen. Hierfür wurden im Landeshaushalt 2013 1,77 Mio. € veranschlagt. Der Umbau sollte Ende 2014/Anfang 2015 fertiggestellt werden. Laut Hessischem Justizministerium erhoffte man sich durch die Zusammenlegung der Amtsgerichte Synergieeffekte in Höhe von knapp 380.000 €. Der Umbau des leer stehenden Gebäudes zu einer Polizeistation wurde seitens der Hessischen Landesregierung ebenfalls als die wirtschaftlichere Lösung im Vergleich zu einem Neubau bezeichnet. Das Hessische Immobilienmanagement (HI) beruft sich nun überraschend auf eine "detaillierte Kostenermittlung", wonach aufgrund "erheblicher Mehrkosten" der Beginn konkreter Baumaßnahmen derzeit nicht möglich sei. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Der Hessische Rechnungshof hatte mit Mitteilung an das Hessische Ministerium der Justiz vom 24. Juni 2003 empfohlen, Amtsgerichte, die über nicht mehr als drei Richterplanstellen verfügen und in örtlicher Nähe zu einem größeren Amtsgericht angesiedelt sind, aufzulösen. Im Rahmen des Projektes "Konsolidierung und Kompensation" wurden alle amtsgerichtlichen Standorte der ordentlichen Gerichtsbarkeit einer erneuten Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen . Dabei wurden neben der Größe des Gerichts und der Zahl der Richterplanstellen weitere Kriterien, wie z.B. vorhandener Sanierungsbedarf der Gebäude, Verzicht auf Anmietungen, Übernahmemöglichkeiten der Mitarbeiter bei anderen Gerichten ohne nennenswerte Mehrkosten , künftige Verwertbarkeit von aufgegebenen Gerichtsgebäuden in die Prüfung mit einbezogen . Das Amtsgericht in Usingen wurde im Zuge der folgenden Strukturveränderungen in der Hessischen Justiz mit Beschluss des Landtags für ein Gesetz zur Änderung gerichtsorganisatorischer Regelungen (Drs. 18/4435) vom 15. September 2011 aufgelöst und das Gebäude selbst zum 31. Dezember 2011 geräumt. Die landeseigene Liegenschaft wurde dem Hessischen Immobilienmanagement zur Ausbietung überlassen. Durch die spezielle Architektur (Altbau mit speziell für die Bedürfnisse des Gerichts errichtetem Anbau) sowie denkmalpflegerische Belange erschien die Vermarktung der denkmalgeschützten Liegenschaft schwierig. Da die Polizeistation Usingen seit längerer Zeit Sanierungs- und Ausbaubedarf hat, wurde im Verlauf des Jahres 2012 das Konzept entwickelt, die Polizeistation im ehemaligen Amtsgericht unter zu bringen. So ließen sich die schwierigen Vermarktungsmöglichkeiten und die Deckung des Raumbedarfs der Polizei gleichzeitig lösen. Um eine zügige Ausführung der Herrichtungsmaßnahme zu ermöglichen, wurden unverzüglich die geschätzten Mittel in Höhe von 1,77 Mio. € im Landeshaushalt veranschlagt. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die Mittel für die Herrichtungsmaßnahmen auch zeitnah zur Verfügung stehen. Eine vorhergehende vertiefte Untersuchung hätte die Mittelveranschlagung für den Doppelhaushalt 2013/2014 unmöglich gemacht und zu größeren Verzögerungen bei der Durchführung der Herrichtungsmaßnahmen geführt. Im Zuge der anschließenden Ausführung des Projektes wurden an dem Gebäude vertiefte Untersuchungen vorgenommen. Im Ergebnis sind zusätzliche bauliche Maßnahmen für die Herrichtung als Polizeistation erforderlich, deren Inhalte und Auswirkungen im Rahmen der Beantwortung Ihrer Fragen nachfolgend dargestellt werden. Eingegangen am 5. März 2014 · Ausgegeben am 10. März 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/37 05. 03. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/37 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Worin sind die nun ermittelten Mehrkosten begründet und wie hoch sind sie? Bitte um detaillierte Angaben. Die Herrichtung des ehemaligen Amtsgerichts Usingen als Polizeistation ist im Haushalt mit geschätzten Gesamtkosten in Höhe von 1.770.000 € veranschlagt. Die aktuellen Mehrkosten für diese Maßnahme betragen 251.000 € und gliedern sich wie folgt: M.01 Sicherheitsanforderungen .................................................................. 30.900 € M.02 Barrierefreiheit ................................................................................ 6.100 € M.03 Trinkwasserverordnung ..................................................................... 4.200 € M.04 Brandschutzanforderungen ................................................................. 12.100 € M.05 Denkmalpflegerische Belange .............................................................. 3.600 € M.06 Bildschirmarbeitsplatzbeleuchtung ......................................................... 9.100 € M.07 Umplanung Zellen wg. Kellerfeuchtigkeit ............................................... 27.900 € M.08 Neue Elektroverteilung im Altbau .......................................................119.300 € M.09 Vandalismussichere Sanitärobjekte (Zellen) .............................................. 6.100 € M.10 Erneuerung der Schließanlage (kein Patentschutz) ...................................... 9.100 € M.11 Beschilderung der Räume ................................................................... 4.700 € M.12 Vandalismussichere Beleuchtung (Zellen) ............................................... 12.100 € SUMME der Mehrkosten .......................................................................245.200 € E.01 Reduzierung Sicherheitsanforderungen ................................................. - 6.400 € E.02 Verschiebung Küchenzeilen in ES-Gerät ............................................... - 5.600 € E.03 Umplanung Standort Notstromgenerator ............................................... - 33.200 € E.04 Umplanung Toiletten im Altbau ......................................................... - 9.200 € E.05 Verzicht auf zusätzliche Fahnenmasten ................................................. - 2.800 € E.06 Verzicht auf zusätzliche Türöffnungen ................................................. - 2.800 € E.07 Verlegung der Außenzapfstelle für Hundezwinger ................................... - 2.800 € E.08 Verlegung des Asservatenraumes ........................................................ - 9.200 € SUMME der Einsparungen ................................................................... - 72.000 € Mehrkosten nach Einsparungen ................................................................173.200 € Erhöhung der Baunebenkosten (Gesamtmaßnahme) gem. neuer HOAI 2013 ............................................................................ 77.800 € GESAMT-MEHRKOSTEN .....................................................................251.000 € Die Ursachen für die Mehrkosten liegen somit in: a) Fortschreibung der Sicherheitsanforderungen des PP Westhessen durch das HLKA (M.01, M.09, M.12) ........................... 49.100 € b) Anforderungen aus bauordnungsrechtlichen Abstimmungen (Brandschutz, Denkmalpflege) (M.04, M.05) ............................................ 15.700 € c) Bauliche Technische Anpassungen aufgrund geänderter gesetzlicher Bestimmungen (Trinkwasser-Verordnung, DIN 18040 - Barrierefreies Bauen, Arbeitsschutz - BAP-Beleuchtung) (M.02, M.03, M.06) ......................................................................... 19.400 € d) Diskrepanzen zwischen Annahmen und vorgefundenem Gebäudezustand (M.07, M.08, M.10, M.11) ........................................... 161.300 € e) Erhöhung der Baunebenkosten für die Gesamtmaßnahme auf der Grundlage der aktuellen HOAI 2013 ............................................... 77.800€ Frage 2: Seit wann sind dem HI die Mehrkosten bekannt? Im Zuge des Planungsprozesses der Baumaßnahme war erstmalig das Auftreten von Mehrkosten ersichtlich. Eine erste Besprechung zu dieser Thematik fand Anfang Juli 2013 in der HI Zentrale statt. Im Zuge von weiteren Planungsbesprechungen und Ortsterminen wurden die Zahlen konkretisiert und im Sommer / Herbst 2013 nach Einsparungsmöglichkeiten gesucht. Nach Übermittlung eines Mehrkostenberichtes im Oktober 2013 an das HMdF wurden auf dessen Anregung hin - noch um die Jahreswende herum - weitere Einsparmöglichkeiten untersucht. Der abschließende Bericht des hbm zu den jetzt bekannten Mehrkosten von 251.000 € wurde dem HI mit Datum vom 05.02.2014 übermittelt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/37 3 Frage 3: Waren die Mehrkosten nicht zu Beginn der Planungen absehbar? Falls nein, warum nicht? Nein, die Mehrkosten waren zu Beginn der Planungen nicht absehbar. Zu Beginn der Planungen waren die Planungs- und Genehmigungsanforderungen soweit möglich besichtigt, eingeschätzt und beziffert. Eine detaillierte Abstimmung mit den zu beteiligenden Stellen (LKA, Landesamt für Denkmalpflege, Brandschutzdienststelle des Hochtaunuskreises , zuständige Stelle für Barrierefreiheit, Arbeitsmedizinischer Dienst) im Zuge der Ausarbeitung der Planung ergab weitere Anforderungen. Nähere Untersuchungen der Bausubstanz sowie geänderte technische Bestimmungen führten ebenfalls zu Mehrkosten. Frage 4: Welche Einsparungen sind vorstellbar, um den bisherigen Kostenrahmen von 1,77 Mio. € doch einzuhalten? Das aufgezeigte Einsparpotenzial von insgesamt - 72.000 € reicht nicht aus, um den bisherigen Kostenrahmen von 1,77 Mio. € einzuhalten. Die jetzt dargestellten Mehrkosten in Höhe von 251.000 € sind nicht zu vermeiden. Frage 5: Welche Kosten würde ein Neubau der Polizeistation in den aktuell vorgesehenen Dimensionen verursachen? Die geschätzten Gesamtbaukosten für einen Neubau der Polizeistation in den aktuell vorgesehenen Dimensionen, also einschließlich des Regionalen Verkehrsdienstes (RVD) der zurzeit noch in Bad Homburg untergebracht ist, betragen rd. 5,26 Mio. €, wobei die Kosten für einen eventuellen Grundstücksankauf noch nicht berücksichtigt sind. Die geschätzten Gesamtbaukosten für die Sanierung der Polizeistation in der Weilburger Straße 77 sowie einen Erweiterungsbau, zur Unterbringung des RVD, betragen rd. 4,16 Mio. € Frage 6: Ist die Hessische Landesregierung nach wie vor der Meinung, dass ein Umbau des ehemaligen Usinger Amtsgerichts, auch in Anbetracht von sich abzeichnenden Schwierigkeiten, wie z.B. dem Einbau schusssicherer Fenster in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, die wirtschaftlich sinnvollere Lösung ist als ein Neubau der Polizeistation? Falls ja, wie begründet sie diese Auffassung? Die Landesregierung hält die Nachnutzung des ehemaligen Amtsgerichts in Usingen durch die Polizei für wirtschaftlich sinnvoll und dies auch in Kenntnis der aufgetretenen, jedoch im Zusammenhang mit dem Umbau denkmalgeschützter Bestandsgebäude nicht ungewöhnlichen Problematik der Auseinandersetzung mit der Gebäudesubstanz. Darüber hinaus ist für die Entscheidung maßgeblich, dass mit der Herrichtung des ehemaligen Amtsgerichtes zu einer Polizeistation die öffentliche Nutzung eines zentralen, historischen öffentlichen Gebäudes in Usingen gesichert ist. In die Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit der Umnutzung des in Landeseigentum befindlichen ehemaligen Amtsgerichtes ist eingeflossen, dass Lage und Zuschnitt der bestehenden Polizeistation in der Weilburger Straße 77 bei möglicher Veräußerung höhere Einnahmen erwarten lassen , als der Verkauf des historischen Amtsgerichtes, bei dem denkmalpflegerische Aspekte zu beachten sind. Aus diesen genannten Gründen hält die Landesregierung das geplante Vorgehen nicht nur für wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch im Sinne der Verantwortung für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude für nachhaltig und unabdingbar. Frage 7: Welche neue Zeitschiene ist nach Meinung der Hessischen Landesregierung aufgrund der aktuel- len Erkenntnisse realistisch? Die Zustimmung zu den Mehrkosten, zur Aufnahme in die weitere Ausführung des Projektes, wird in diesen Tagen erfolgen. Danach ist folgender Ablauf realistisch: - Fertigstellung der Planungen für die Bereiche Hochbau, Sanitär- und Elektro-Installationen, sowie die Außenanlagen (System- und Integrationsplanung), einschließlich der Prüfungsdurchläufe , - Ausführungsplanung, mit Erstellung und Bepreisung von mindestens 80 % der Bauleistungen, - Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen, - Baubeginn der Herrichtungsmaßnahme: März 2015, 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/37 - Fertigstellung und Übergabe der neuen Polizeistation an den Nutzer: zum Ende des Jahres 2015, - Die Behebung von baulichen Mängeln an der Außenhülle des historischen Gerichtsgebäudes wird parallel zur Herrichtung des Gebäudes für die Polizei, im Rahmen der Allgemeinen Bauunterhaltung erfolgen. Wiesbaden, 24. Februar 2014 Dr. Thomas Schäfer