Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 24.08.2016 betreffend schwarze Liste der Pestizide von Greenpeace - Welche Pestizide werden in Hessen eingesetzt? und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ein unabhängiger Pestizidexperte alle in der EU zugelassenen 520 Pflanzenschutzmittel überprüft. Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass mehr als ein Drittel der in Europa verwendeten Pestizide verboten werden sollten. "Der Einsatz dieser Pestizide in der Produktion von Obst, Gemüse und Getreide gefährdet unsere Gesundheit und die Umwelt", sagte Martina H. Campaignerin bei Greenpeace Luxemburg, auf einer Pressekonferenz Mitte Juli. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in einer "schwarzen Liste der Pestizide" zusammengestellt. (The EU Pesticide Blacklist, Greenpeace 2016, http://gp.url/eu-blacklist) Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Die in der "schwarzen Liste der Pestizide" von Greenpeace aufgeführten Substanzen sind nach dem EU-Recht (Richtlinie 2009/128/EG) definitionsgemäß den Pflanzenschutzmitteln bzw. Biozid -Produkten zuzuordnen. Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der EU handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren. Die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden zunächst in einem Gemeinschaftsverfahren (nach Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) bewertet. Dazu gehört eine umfangreiche Beurteilung möglicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt. Die EU-weite Genehmigung eines Wirkstoffes gilt als Voraussetzung für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit dem betroffenen Wirkstoff in den Mitgliedstaaten. Jedes einzelne Handelsprodukt, so wie es verkauft werden soll, benötigt dann noch einmal eine nationale Zulassung, die in Deutschland vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erteilt wird. Das BVL hat als Zulassungsbehörde sehr weitreichende Möglichkeiten, vor der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mögliche Risiken abzuklären. Wenn die Prüfung ergibt, dass die Anwendung des Mittels keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt zur Folge hat und auch sonst alle gesetzlichen Kriterien Punkt für Punkt erfüllt sind, hat der Antragsteller ein Recht auf die Zulassung. Greenpeace klassifiziert zahlreiche Wirkstoffe als nicht akzeptabel, welche die EU nach dem gemeinschaftlichen Bewertungsverfahren in die Liste der zulässigen Wirkstoffe aufgenommen hat. So werden in der Greenpeace-Studie stoffinhärente Eigenschaften stärker betrachtet ("Hazard Approach"), während in der EU-Wirkstoffprüfung bzw. im zonalen Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel auch die zu erwartende Exposition in Betracht gezogen wird ("Risk Approach "). Die von Greenpeace verwendete Methode der einfachen Addition von Gefährdungspunkten stellt aus Sicht des BVL keine wissenschaftliche fundierte Risikobewertung dar und ist daher wenig geeignet, um Entscheidungen zu treffen, ob Wirkstoffe verboten werden sollten oder nicht. Eingegangen am 2. November 2016 · Bearbeitet am 2. November 2016 · Ausgegeben am 4. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3707 02. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3707 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele und welche der von Greenpeace auf der "schwarzen Liste der Pestizide" aufgeführten Mittel werden auch in Hessen eingesetzt? Wir bitten um eine gesonderte Kennzeichnung der auch in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide. Frage 2. Welche Mengen der unter 1. genannten Pestizide werden in Hessen verwendet? Angaben bitte als Jahresmenge für jedes Pestizid über einen Zeitraum der letzten fünf Jahre. Frage 6. Das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN e.V.) hat zuletzt 2015 auf Grundlage der Kriterienliste für "sehr gefährliche Pestizide"/FAO/WHO 2016) eine Liste hochgefährlicher Pestizide erstellt (PAN International 2015). Welche der hochgefährlichen Pestizide auf der PAN-Liste kommen auch in Hessen zum Einsatz? Wir bitten um eine gesonderte Kennzeichnung der auch in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide. Die Fragen 1, 2 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Wie viele und welche Pflanzenschutzmittel in einem bestimmten Zeitraum in den Bundesländern zur Anwendung kommen, ist nicht Gegenstand von gesetzlichen Vorgaben und wird daher statistisch nicht erfasst. Einsatzzweck und Verwendung der Mittel sind stark witterungs- und schädlingsabhängig und schwanken daher von Jahr zu Jahr erheblich. Statistisch belegbare Angaben / Zahlen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und der darin enthaltenen Wirkstoffe liegen somit für die einzelnen Bundesländer und damit auch für Hessen nicht vor. Derzeit sind in Deutschland 273 Wirkstoffe in 753 zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (1456 Handelsnamen) enthalten (Stand: September 2016). Von den 209 Wirkstoffen der Blacklist sind aktuell 129 in zugelassenen PSM in Deutschland enthalten. Zwei der Wirkstoffe in der Greenpeace-Liste sind inzwischen nicht mehr genehmigt: Isoproturon und Amitrol. Die Basis der Empfehlungen des Pflanzenschutzdienstes beim Regierungspräsidium Gießen und der Beratungskräfte des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen sowie des hessischen Weinbauamtes beim Regierungspräsidium Darmstadt sind die jeweiligen in Deutschland für den bestimmten Einsatzzweck (Indikation) zugelassenen Pflanzenschutzmittel. Dies betrifft sowohl den Bereich Landwirtschaft als auch den Garten- und Weinbau. Der Einsatz erfolgt nach strengen gesetzlichen Vorgaben und liegt in der Entscheidung der jeweiligen (professionellen) Anwender, die mit der erforderlichen Sachkunde und einem geprüften Pflanzenschutzgerät die Anwendung nach guter fachlicher Praxis durchführen. Informationen über zugelassene PSM sind zu erhalten unter: www.bvl.bund.de/infopsm. Für das Bundesgebiet insgesamt legt das BVL, jeweils zur Mitte des Folgejahres, einen Bericht mit Zahlen für die Inlandsabgabe an Pflanzenschutzmitteln sowie die Inlandsabgabe und Ausfuhr an Wirkstoffen vor. Diese Zahlen basieren auf der verpflichtenden Meldung gemäß § 64 des Pflanzenschutzgesetzes sowie der jeweils aktuellen Fassung von Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1185/2009, laut der der Hersteller und Vertreiber jährlich die Mengen von Pflanzenschutzmitteln und der darin enthaltenen Wirkstoffe zu melden haben (siehe auch: www.bvl.de/psmstatistiken). Auch für die von PAN e.V. genannten "hochgefährlichen Pestizide" gilt das wie voranstehend für die Wirkstoffprüfung in der EU und Mittelzulassung in den Mitgliedstaaten Gesagte: Empfehlungen von Beratungsorganen und letztlich der Einsatz der Mittel, z.B. in der Landwirtschaft , haben sich allein an den strengen gesetzlichen, bundesweit geltende und somit nicht auf Ländergrenzen beschränkte Vorgaben und dem Zulassungsstand der Mittel zu richten. Frage 3. Für welche der auf der "schwarzen Liste" aufgeführten Pestizide hält die Hessische Landesregierung ebenfalls ein Verbot für sinnvoll? Angabe bitte mit Verbotsgründen. Die Zulassung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen erfolgt auf EU-Ebene (siehe Vorbemerkung ). Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass sie die geltenden Sonderbestimmungen , mit denen die Wirkstoffgenehmigung verbunden ist, verschärfen will. Ein immer wieder von Kritikern des Pflanzenschutzes vorgebrachter Punkt ist die Berücksichtigung fehlender unabhängiger, öffentlicher Studien zu besonders gesundheitsrelevanten Eigenschaften von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen. Auch solche Studien sollten als verbindlicher Inhalt der Zulassungsverfahren vorgeschrieben werden. Dieses Anliegen wurde auch von Hessen in einem Beschluss der Agrarministerkonferenz Fulda (September 2015) unterstützt. Die nationale, zonale Zulassung der Mittel erfolgt durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) und im Be- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3707 3 nehmen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Julius Kühn-Institut (JKI). Die einheitlichen Bewertungskriterien nach Verordnung (EG) 1107/2009 finden hierbei Anwendung . Somit erfolgt die Prüfung und Bewertung nach Vorgaben der EG-Verordnung. Zuständigkeiten der Bundesländer existieren hierbei nicht. Die Hessische Landesregierung unterstützt beispielhaft die Bemühungen zu einem verbesserten Bienen- und Bestäuberschutz durch nationale Einschränkungen oder Anwendungsverbote für Mittel aus der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide. Frage 4. Was unternimmt die Hessische Landesregierung um für die unter 3 genannten Pestizide ein Verbot zu erwirken? Frage 5. Für welche der auf der "schwarzen Liste der Pestizide" aufgeführten Mittel hält die Hessische Landesregierung ein Verbot innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre für realistisch? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Auf die obigen Ausführungen zur Zweistufigkeit des Zulassungsverfahrens in der EU wird verwiesen . Auch bezüglich von Verboten einzelner Wirkstoffe gilt EU-Recht, d.h. es bestehen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Bundesländer, die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittelwirkstoffe zu untersagen. Exemplarisch sei der durch die Hessische Landesregierung im Jahr 2015 initiierte grundsätzliche Verzicht auf glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf Flächen, die dem Genehmigungsvorbehalt nach § 12 PflSchG (Nichtkulturland) unterliegen, genannt. Die Landesregierung hat hier im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die Verminderung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Wirkstoffen, z.B. Glyphosat, durch Genehmigungsversagungen auf Nichtkulturlandflächen vorgenommen. Auch durch die Förderung des ökologischen Landbaus, der weitgehend auf den Einsatz von bestimmten Pflanzenschutzmitteln verzichtet, wird ein wesentliches Ziel gesehen, um die Anwendung chemisch-synthetischer Stoffe weiter zurückzudrängen oder vollständig darauf zu verzichten. Frage 7. Welche unter 1 oder 6 genannten Pestizide werden auch auf landeseigenen Flächen eingesetzt? Antwort bitte unter Angabe der Flächen und der zuletzt verwendeten Jahresmengen. Eine statistische oder flächenbezogene Erhebung zum Pestizideinsatz auf landeseigenen Flächen existiert umfassend nicht. Wiesbaden, 19. Oktober 2016 Priska Hinz