Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 30.08.2016 betreffend Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat ein Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses aufgelegt, das vorsieht, 1.000 zusätzliche Professuren an den Universitäten einzurichten. Geplant ist, über einen Zeitraum von 15 Jahren 1 Mrd. € für sogenannte ,,Tenure-Track-Professuren" zur Verfügung zu stellen, die die Länder anschließend dauerhaft verstetigen sollen. Bereits 2017 soll dieses Programm, das zu 90 % vom Bund und zu 10 % von den Ländern finanziert wird, ausgeschrieben werden. Nach einer sechsjährigen ,,Bewährungsphase" sollen die Professuren in aller Regel in eine Lebenszeitprofessur übergehen, wenn die Leistung stimmt. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses greift die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten vom 11. Juli 2014 auf und setzt den Schwerpunkt darauf, die Tenure-Track-Professur als eigenständigen Karriereweg neben dem herkömmlichen Berufungsverfahren auf eine Professur an deutschen Universitäten stärker zu verankern und dauerhaft in Deutschland zu etablieren. Die Programmmittel werden zu 100 % vom Bund getragen. Das jeweilige Sitzland stellt die Gesamtfinanzierung sicher. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie bewertet sie das geplante Programm und wie ist der genaue Zeitplan des Programms skizziert ? Mit dem Programm soll einer deutlich größeren Zahl hervorragender Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern bessere und verlässliche Karrierechancen geboten werden. Dies zielt darauf, diese Persönlichkeiten in unseren Universitäten und gleichgestellten Hochschulen zu halten und mit ihren Fähigkeiten das deutsche Wissenschaftssystem zu stärken. Die Landesregierung hält das Programm darüber hinaus für geeignet, über die Beschäftigung der durch das Programm geförderten Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren hinaus Wirkung zu erzielen . Voraussetzung einer Förderung ist u.a., dass für die betreffende Universität Personalentwicklung sowie die Entwicklung der Personalstruktur und der Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses strategische Handlungsfelder sind und ein Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung vorgelegt wird. Damit wird in den Universitäten voraussichtlich ein Kulturwandel einsetzen , durch den im Ergebnis die Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Universitäten planbarer und transparenter werden. Dies wird ein wesentlicher Beitrag dazu sein, die internationale Attraktivität des deutschen Wissenschaftssystems noch stärker zu erhöhen. Der Zeitplan sieht zwei Ausschreibungsrunden in 2017 und 2019 vor. Die Förderbekanntmachung für die 1. Ausschreibungsrunde soll im November 2016 veröffentlicht werden. Anträge zur 1. Bewilligungsrunde sollen bis Ende April 2017 eingereicht werden können, so dass die Auswahlentscheidungen bis August/September 2017 gefällt werden können und ein Förderungsbeginn noch in 2017 möglich ist. Die Förderbekanntmachung zur 2. Bewilligungsrunde soll im Sommer 2018 veröffentlicht werden, als Antragsfrist ist nach derzeitiger Planung Januar 2019 vorgesehen, so dass eine Förderung in der 2. Bewilligungsrunde im Herbst 2019 beginnen könnte. Eingegangen am 19. Oktober 2016 · Bearbeitet am 19. Oktober 2016 · Ausgegeben am 24. Oktober 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3718 20. 10. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3718 Frage 2 Wann kann das Land Hessen bzw. wann können die hessischen Hochschulen mit neuen Professuren rechnen? Ausschreibungen zur Besetzung der eingeworbenen Stellen können ab Förderbeginn Ende 2017 erfolgen. Programmgemäß haben die geförderten Universitäten in beiden Förderrunden die Möglichkeit, die ihnen im Rahmen der Förderung gewährten Tenure-Track-Professuren gestaffelt innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren zu besetzen. Frage 3 Wie erfolgt die Finanzierung der geschaffenen Professorenstellen in Hessen nach der sechsjährigen Probe- bzw. "Bewährungsphase"? Frage 4. Ist es korrekt, dass die Verwaltungsvereinbarung vorsieht, dass die weitere Finanzierung durch das Land erfolgen soll? a) Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, wie soll die Finanzierung anderweitig erfolgen? b) Wie wird sich das Programm auf das Gesamtbudget der hessischen Hochschulen auswirken? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 a) und b) gemeinsam beantwortet. Die Förderung für erfolgreiche Universitäten durch den Bund erfolgt in Form einer Pauschale pro Person, in der verschiedene Teilbeträge, z.B. für Besoldung, enthalten sind. Sie wird im Fall der positiven Evaluation der geförderten Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren für bis zu acht Jahre gewährt. Bei negativer Evaluation können die Mittel für bis zu sieben Jahre bereitgestellt werden. Zudem gibt es Verlängerungsmöglichkeiten bei Geburt oder Adoption von Kindern um bis zu zwei Jahre. Die Frage einer Weiterfinanzierung der eingeworbenen Stellen stellt sich damit im Regelfall frühestens nach sieben bzw. acht Jahren. Bei frühestmöglicher Stellenbesetzung ab Ende 2017 (Besetzung der Stellen in der 1. Förderrunde bis Ende 2020 möglich) steht damit die Frage der Weiterfinanzierung der zuerst besetzten Stellen ab dem Jahr 2024 an. Haushaltsrelevante Entscheidungen, die die nächste oder erst die übernächste Legislaturperiode betreffen, können zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostiziert werden. Hiervon abgesehen könnten Lösungsansätze z.B. darin gesehen werden, den Anteil der Landesmittel am HSP 2020 nach 2023 zu verstetigen und der Weiterfinanzierung der zusätzlichen Professuren zuzuführen . Ein weiterer Finanzierungsfaktor könnte der Bundesanteil an den Hochschulpakt-2020- Mitteln sein, dessen Fortführung durch die Landesregierung begrüßt werden würde. Frage 5. Wie viele Beamtenstellen sind derzeit für welche Professuren an welchen Hochschulen unbesetzt? a) Wie viele zusätzliche Beamtenstellen werden durch das geplante Programm fehlen? b) Wie realistisch bewertet die Landesregierung die Besetzung von zusätzlichen Beamtenstellen, die derzeit nicht vorhanden sind? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 a und b gemeinsam beantwortet. Der Umfang der nicht besetzten Professorenstellen an den hessischen Hochschulen beläuft sich durchschnittlich auf ca. 7,5 %. Hierzu ist anzumerken, dass die nicht besetzten Positionen auch diejenigen Stellen umfassen, für die ein Besetzungsverfahren läuft oder geplant ist, oder die in Kürze wegfallen. Die regelmäßige Fluktuation bei Professorinnen und Professoren durch das Erreichen der Altersgrenze beträgt bei einer angenommenen, durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von 25 Jahren bereits 4 %. Zusätzlich ist die Fluktuation durch Wegberufungen in Anrechnung zu bringen. Darüber hinaus waren die Universitäten Darmstadt und Frankfurt bis Ende 2014 gehalten, Professorinnen und Professoren bei Erstberufung nicht im Beamtenverhältnis , sondern ausschließlich als Tarifbeschäftigte zu beschäftigen. Dies führte im Gegenzug zu mehr freien Planstellen, die wiederum Freiraum für strategische Weichenstellungen oder zur Umsetzung neuer fachlicher Schwerpunktsetzungen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Größenordnung der verfügbaren Professorenstellen durchaus angemessen. Auch ist damit zu rechnen, dass in Zukunft wieder überwiegend im Beamtenverhältnis berufen werden wird. Engpässe sind jedoch nicht zu befürchten, da die Landesregierung im Regierungsentwurf des Haushalts 2017 100 zusätzliche W2-Planstellen für Professuren vorgesehen hat, die auch für das Förderprogramm für den wissenschaftlichen Nachwuchs genutzt werden können. Daneben soll ein Stellenpool mit insgesamt 50 aktuell nicht besetzten W2- und W3-Stellen bereitgehalten werden. Aus diesem Stellenpool kann das Ministerium an die im Programm erfolgreichen Hochschulen die jeweils erforderlichen Stellen zuweisen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3718 3 Frage 6. Kennt die Landesregierung das Programm "Karriereweg FH-Professuren", das die Nordrhein- Westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) gemeinsam mit den Fachhochschulen mit einem Volumen von 15 Mio. € aufgelegt hat, und wie bewertet sie es im Hinblick darauf, dass Bundesbildungsministerin Johanna Wanka angekündigt hat, vor der Bundestagswahl ein Förderprogramm aufzulegen, das Nachwuchswissenschaftlern an Fachhochschulen bessere und verlässliche Perspektiven geben soll? Die Landesregierung kennt das angesprochene Programm. Das Land Nordrhein-Westfalen greift hiermit positive Erfahrungen einiger nordrhein-westfälischer Hochschulen auf. Es fördert für vorerst drei Jahre geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für eine Professur an Fachhochschulen insbesondere in Berufungsgebieten, in denen Rekrutierungsprobleme bestehen. Im Fokus steht dabei der Erwerb einer für die Berufung erforderlichen Praxiskompetenz. Inwieweit dieses gezielte, auf einzelne Personen bezogene und kurzzeitige Programm mit einem möglichen, künftigen Bundesprogramm korrespondiert, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Wiesbaden, 10. Oktober 2016 Boris Rhein