Kleine Anfrage der Abg. Eckert und Gnadl (SPD) vom 31.08.2016 betreffend Drohung wegen Engagement gegen Rechtsextremismus und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Das Thema "Hate-Spech" und die Bedrohung von Prominenten durch sogenannte Wutbürger scheinen deutlich an Bedeutung zu gewinnen. Nicht nur Prominente sind von solchen Angriffen betroffen, sondern auch Menschen, die sich aktiv rechtsextremen Meinungen und Handlungen entgegenstellen. So wurden jüngst die "Bender Zwillinge" aus Limburg-Weilburg mehrfach durch einen rechtsextremen Schreiber bedroht. Das Schreiben kann man als Morddrohung interpretieren. Der Verfasser der Briefe im Fall Bender scheint schon seit Jahren aktiv zu sein: Uns liegen ähnliche Briefe seit dem Jahr 2007 vor. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen rechtsmotivierter Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung und Nachstellung wurden in den letzten 5 Jahren geführt? Wir bitten um Aufschlüsselung nach Jahren, verschiedenen Delikten und Medium (Brief, Social-Media,…). Wir bitten um Angabe, ob Hintergrund der Tat ein Engagement gegen Rechtsextremismus der betroffenen Person war Im Rahmen des vom Hessischen Landeskriminalamt geführten Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen "Politisch motivierte Kriminalität" (KPMD-PMK) wurden wegen rechtsmotivierter Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und Nachstellung in den letzten 5 Jahren (2011 - 2015) 819 Ermittlungsverfahren in Hessen gemeldet. Diese werden in der folgenden Tabelle nach Delikt, Tatmittel (soweit im Sinne der Fragestellung als Medium erfasst) und Jahren angeführt . Für das Jahr 2016 kann aktuell noch keine vergleichbare Aussage getroffen werden, da abschließende Zahlen erst nach dem Stichtag 31.01.2017 zur Verfügung stehen. Hintergrund sind die Erfassungsmodalitäten im KPMD-PMK, in welchem aufgrund laufender Ermittlungen durch Nachmeldungen noch deutliche Schwankungen in den Zahlen feststellbar sind. Straftatbestand 2011 2012 2013 2014 2015 Gesamt Beleidigung 99 141 123 121 159 643 - Versandgut 7 21 7 5 7 47 - Elektr. Dokument 6 14 7 9 4 40 - Internet 10 10 3 4 9 36 Bedrohung 10 34 21 26 45 136 - Versandgut 3 5 1 1 4 14 - Elektr. Dokument 0 5 3 4 0 12 - Internet 3 6 1 1 1 12 Eingegangen am 14. November 2016 · Bearbeitet am 15. November 2016 · Ausgegeben am 18. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3723 14. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3723 Nötigung 4 16 5 2 13 40 - Versandgut 1 4 1 0 1 7 - Elektr. Dokument 0 2 1 0 0 3 - Internet 1 6 0 0 0 7 Nachstellung 0 0 0 0 0 0 "Engagement gegen Rechtsextremismus" ist keine Erfassungskriterium des KPMD-PMK, so dass hierzu keine Aussage getroffen werden kann. In 45 der 819 Ermittlungsverfahren konnte allerdings die Tat dem Themenfeld "Konfrontation mit dem politischen Gegner" zugeordnet werden. Frage 2. Wie häufig konnte ein Tatverdächtiger ermittelt werden? Es konnten in den o.a. 819 Ermittlungsverfahren 670 Tatverdächtige (TV) ermittelt werden. Die Tatverdächtigen der Deliktsbereiche setzen sich wie folgt zusammen. TV Beleidigung 520 TV Bedrohung 109 TV Nötigung 41 TV Nachstellung 0 Gesamt 670 Frage 3. Wie viele Verfahren führten zu einer Verurteilung? Wir bitten um Auflistung nach Jahren. Bezüglich der Anzahl von Ermittlungsverfahren wegen rechtsmotivierter Beleidigungen, Bedrohungen , Nötigungen und Nachstellungen wird in der Justiz keine der polizeilichen Erhebung KPMD-PMK vergleichbare Statistik geführt. Mangels gesonderter statistischer Erfassung der abgefragten Verfahren mussten entsprechende Daten anhand anderer Statistiken lokalisiert und einzeln ausgewertet bzw. händisch auf der Grundlage der Erinnerung der mit solchen Verfahren befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte recherchiert werden. Im Rahmen dieser Recherchen konnten folgende Verurteilungszahlen festgestellt werden, bei denen der Hintergrund der Tat ein Engagement gegen Rechtsextremismus war: 2012: Keine Verurteilung, 2013: Zwei Verurteilungen, 2014: Drei Verurteilungen, 2015: Zwei Verurteilungen, 2016: Bisher zwei Verurteilungen. Frage 4. Wie viele Verfahren mussten eingestellt werden? Wir bitten um Auflistung nach Jahren und Einstellungsgründen . Mangels gesonderter statistischer Erfassung der abgefragten Verfahren mussten auch diese Daten anhand anderer Statistiken lokalisiert und einzeln ausgewertet bzw. händisch auf der Grundlage der Erinnerung der mit solchen Verfahren befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte recherchiert werden. Auf die Antwort zu Frage 3 wird insoweit Bezug genommen. Dabei ergab sich hinsichtlich von rechtsmotivierten Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen und Nachstellungen, deren Hintergrund ein Engagement gegen Rechtsextremismus war, folgendes Bild: 2012: Fünf Einstellungen, davon drei mangels Täterermittlung, eine mangels hinreichenden Tatverdachts und eine aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO, § 45 JGG). 2013: 18 Einstellungen, davon sechs mangels Täterermittlung, neun mangels hinreichenden Tatverdachts und drei aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO, § 45 JGG). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3723 3 2014: 17 Einstellungen, davon sieben mangels Täterermittlung, neun mangels hinreichenden Tatverdachts und eine aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO, § 45 JGG). 2015: 19 Einstellungen, davon vier mangels Täterermittlung, zehn mangels hinreichenden Tatverdachts und fünf aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO, § 45 JGG). 2016: bisher 23 Einstellungen, davon 16 mangels Täterermittlung, fünf mangels hinreichenden Tatverdachts und zwei aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO, § 45 JGG). Frage 5. Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn Täter mehrere Jahre Personen durch entsprechende Briefe etc. bedrohen? Die hessische Polizei geht Hinweisen auf Gefährdungen zum Nachteil von Betroffenen in jedem Fall nach und verfolgt diesbezügliche Straftaten mit Nachdruck. Auf der Grundlage von Gefährdungsbewertungen wird in jedem Einzelfall über die zu treffenden Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Personen entschieden. Dazu gehören Sicherheits- und Verhaltensberatungen ebenso wie Hinweise zur Sicherung der privaten und beruflichen Lebensbereiche (Objektberatungen ) bis hin zu erforderlichenfalls Objekt- bzw. Personenschutzmaßnahmen. Wiesbaden, 4. November 2016 Peter Beuth