Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 12.09.2016 betreffend religiös motivierte Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Fragestellers: Einem Bericht von "hr-Info" am 2. September 2016 war zu entnehmen, dass der Leiter des Staatsschutzes der Frankfurter Polizei vor dem Phänomen salafistischer "Hass-Kinder" gewarnt hat, bei denen es schon frühzeitig zu einer radikalen islamistischen Indoktrinierung durch Eltern, Verwandte oder andere Erwachsene im direkten Umfeld käme. In seiner Erklärung wies er zudem darauf hin, dass es sich bisher zwar noch um Einzelfälle handele, mit einer Zunahme jedoch künftig zu rechnen sei. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport wie folgt: Frage 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung darüber, wie viele Kinder und Jugendliche über Eltern oder andere Verwandte direkt oder indirekt islamistischem Gedankengut bzw. entsprechender Indoktrinierung ausgesetzt sind? Statistische Zahlen zu einer direkten oder indirekten islamistischen Indoktrinierung durch Eltern oder Verwandte liegen den hessischen Sicherheitsbehörden nicht vor. In Fällen, in denen ein Elternteil oder andere Verwandte der islamistischen Ideologie anhängen und mit Kindern und Jugendlichen in einem Haushalt leben, kann eine Indoktrinierung generell nicht ausgeschlossen werden. Bei den Staatsschutzkommissariaten der hessischen Polizeipräsidien sind bisher in diesem Kontext nur wenige Einzelfälle im einstelligen Bereich bekannt geworden. Frage 2. Wie viele Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben zurzeit in Familien, in denen wenigstes ein Elternteil der gewaltbereiten salafistischen Szene zugerechnet wird? In den vergangenen Jahren wurden bei der hessischen Polizei sowohl Straf- als auch Gefahrenabwehrverfahren geführt, in denen Kinder und Jugendliche in der Ehe oder Lebensgemeinschaft der jeweiligen Beschuldigten / Betroffenen festgestellt wurden. Über die Anzahl solcher Familien oder der dort lebenden Kinder oder Jugendlichen wird durch die Sicherheitsbehörden keine Statistik geführt. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Situation von Kindern, deren Eltern der Gruppe radikaler Islamisten bzw. Salafisten zuzurechnen sind? Minderjährige sind selten gefestigt in ihren Wertvorstellungen und nicht zuletzt deshalb leicht beeinflussbar. Die Gefahr einer Radikalisierung ist in diesem Alter sehr hoch. Es besteht die Gefahr, dass Minderjährige die extremistische Ideologie ihrer "Vorbilder" ungefiltert übernehmen . Dies ist aber kein exklusives Phänomen im Islamismus. Auch ist hierin kein Automatismus zu sehen. Durch ganzheitliche Präventionsansätze und sorgfältige Beobachtung müssen hier entsprechende und auf den Einzelfall abgestimmte Lösungskonzepte zwischen den zuständigen Behörden gefunden werden. Eingegangen am 9. Januar 2017 · Bearbeitet am 11. Januar 2017 · Ausgegeben am 13. Januar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3786 09. 01. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3786 Frage 4. Wie viele Hinweise sind bisher bei hessischen Jugendämtern eingegangen, die sich auf eine Gefährdung des Kinderwohls durch eine gewaltverherrlichende Erziehung in diesem Umfeld beziehen ? Nach Auskunft der Kommunalen Spitzenverbände gibt es derzeit zwei Fälle, in denen Hinweise bei einem Jugendamt vorliegen und eine Abklärung erfolgt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich vermutlich eine Dunkelziffer gebe. Frage 5. Werden die vorhandenen Maßstäbe zur Feststellung der Gefährdung des Kinderwohls auch im Hinblick auf extreme religiöse Milieus angewendet? Ja. Werden gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt, hat das Jugendamt nach § 8a SGB VIII das Gefährdungsrisiko einzuschätzen und festzustellen, ob ein Schutz des Kindeswohls erforderlich ist und welche direkten Maßnahmen dafür in Frage kommen. Jugendämter sind verpflichtet, Rechtsnormen gleichermaßen - ohne Ansehen der Person - anzuwenden . Mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie und dem elterlichen Recht und der Pflicht zur Erziehung geht die umfassende Verantwortung für die Belange des Kindes einher (Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG). Das staatliche Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) lässt Eingriffe in das Elternrecht nur dann zu, wenn fundamentale Belange des Kindes Schaden zu nehmen drohen und dessen Grundrechte beeinträchtigt werden. Entscheidend ist dabei, ob es tatsächliche, das Kindeswohl gefährdende Handlungen gibt, wie etwa Vernachlässigung, psychische und körperliche Misshandlung (Recht auf gewaltfreie Erziehung). Auch die Verleitung zu erheblicher Kriminalität oder Duldung derselben kann ein Hinweis auf eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen sein. Allein aus radikalen politischen oder religiösen Einstellungen der Eltern (z.B. Salafismus, Links- oder Rechtsextremismus, Überzeugungen von Sekten- und Psychogruppen ) ist allerdings nicht per se eine tatsächliche Kindeswohlgefährdung abzuleiten. Es bedarf daher in entsprechenden Fällen einer vertieften - nach § 8a Abs. 2 SGB VIII auch gerichtlichen - Klärung, ob eine fehlende Erziehungseignung der Erziehungsberechtigten und eine tatsächliche Gefährdung vorliegen, die es erlauben, die elterlichen Rechte gegenüber dem Kind einzuschränken. Frage 6. Gibt es konkrete Fälle, bei denen eine Kindeswohlgefährdung im Sinne der Frage 4 festgestellt und daraufhin das Kind/Kinder bzw. Jugendliche aus der Familie zeitweise oder dauerhaft in Obhut genommen werden mussten? Bislang ist dies in keinem Fall erfolgt. Frage 7. In dem Bericht von HR-Info wird ausgeführt, dass "ein Frankfurter Hass-Prediger sogar von der Tatsache, dass er Kinder hat, profitiert" habe, denn die Ausweisung des Marokkaners sei bislang ihretwegen gescheitert. Bei dieser Entscheidung habe die Erziehung der Kinder im Sinne der Überzeugung des Vaters bei der Beurteilung des Kinderwohls keine Rolle gespielt. a) Ist die Landesregierung diesem Vorwurf nachgegangen und falls ja, mit welchem Ergebnis? b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesem Vorgang für künftige, ähnlich gelagerte Fälle? Die Landesregierung ist diesem Vorwurf selbstverständlich nachgegangen und kommt derzeit zu folgendem Ergebnis: Die Ausweisung eines Ausländers richtet sich nach §§ 53 ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Vorliegend ist zudem die Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (Daueraufenthaltsrichtlinie ) zu beachten, weil dem Ausländer im Januar 2008 eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt -EU nach § 9a AufenthG erteilt wurde. Artikel 12 Abs. 1 der Daueraufenthaltsrichtlinie vermittelt einen erhöhten Abschiebungsschutz: "Die Mitgliedstaaten können nur dann gegen einen langfristig Aufenthaltsberechtigten eine Ausweisung verfügen, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt". Bevor die Mitgliedstaaten gegen einen langfristig Aufenthaltsberechtigten eine Ausweisung verfügen, müssen sie zudem nach Artikel 12 Abs. 2 die Dauer des Aufenthalts in ihrem Hoheitsgebiet, das Alter der betreffenden Person, die Folgen für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen und die Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder die fehlende Bindung zum Herkunftsstaat berücksichtigen. Das nationale Ausweisungsrecht setzt diese europarechtlichen Vorgaben um. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, auszuweisen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3786 3 weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, der persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Schließlich zählen §§ 54 und 55 AufenthG Regelbeispiele dafür auf, wann jeweils das Ausweisungsinteresse oder das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer oder "nur" schwer wiegt. Abgesehen von der Voraussetzung einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit des Mitgliedstaates, wiegt der grundgesetzlich und europarechtlich garantierte Schutz des Familienlebens vor staatlichen Eingriffen (vgl. Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) bei der Prüfung einer Ausweisung besonders schwer, wenn der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt (§ 55 Absatz 1 Nr. 4 AufenthG). Solange dem Ausländer das Personensorgerecht nicht entzogen und das Umgangsrecht mit seinen minderjährigen Kindern nicht untersagt wird, kann er sich auf dieses besonders zu gewichtende Bleibeinteresse berufen. Die Gefahr muss auch gegenwärtig sein, d.h., sie darf nicht zurückliegen , sondern muss bei der Abfassung der Ausweisungsentscheidung noch vorhanden sein. Die Ausweisungsentscheidung mit einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls trifft die zuständige Ausländerbehörde,. Sie konnte aufgrund ihrer bisherigen Prüfung und Abwägung noch keine Ausweisung verfügen. Nähere Angaben können aus Datenschutzgründen nicht gemacht werden. Allerdings wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Ausländerbehörden und die Polizeibehörden seit Jahren in einer engen fallbezogenen Zusammenarbeit Möglichkeiten einer entschlossenen Nutzung der Instrumente des Ausweisungsrechts und von Abschiebungen regelmäßig prüfen und in der "Arbeitsgruppe zur beschleunigten Rückführung erkannter islamistischer Täter (in Hessen)" AG BReiT erörtern. Vor allem sobald entsprechende gegenwärtige Gefahrenerkenntnisse vorliegen, werden sie unverzüglich in den Abwägungsprozess eingebracht. Frage 8. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um einer Zunahme religiös motivierter Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen durch Indoktrinierung von Eltern und anderen Verwandten entgegenzuwirken? Die Hessische Landesregierung nimmt die Gefahr durch den Salafismus bzw. islamistische Radikalisierung äußerst ernst und hat bereits umfangreiche Maßnahmen der Prävention und Intervention durchgeführt. So bietet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Jahren unter anderem Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen an, die sich z.B. an Multiplikatoren in der Jugendbildung richten. 1. Präventionstätigkeit allgemein Das LfV hat seine Präventionstätigkeiten kontinuierlich ausgebaut und verstetigt. Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Salafismus bilden einen deutlichen Schwerpunkt der Präventionsarbeit des LfV. Das Spektrum an Öffentlichkeits- und Präventionsmaßnahmen umfasst das Bereitstellen von Informationsmaterialien, die aktive Teilnahme am öffentlichen Diskurs durch Vorträge und Redebeiträge bei Podiumsdiskussionen sowie Presseauskünfte, zielgruppenorientierte Sensibilisierungsveranstaltungen (aufklärende Prävention) und Beratungsleistungen in konkreten Fällen (beratende Prävention). Das im Oktober 2015 im Stab neu eingerichtete Hauptsachgebiet 4 "Beratende Prävention" bietet konkrete Beratungsleistungen in Form von fallbezogenen Gesprächen, Vorträgen und Schulungsmaßnahmen für ausgewählte Bedarfsträger an. Dazu gehören insbesondere Landkreise, Kommunen, Schulen, soziale Einrichtungen und andere Behörden und öffentliche Stellen, jedoch auch sonstige Stellen wie Vereine und Verbände, z.B. Sport- und Jugendvereine oder Moscheegemeinden , darunter auch extremistische, d.h. unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende Moscheegemeinden. 2. Präventionstätigkeit im Bereich Salafismus Das LfV bietet seit mehreren Jahren umfangreiche Präventionsmaßnahmen gegen Salafismus an, um einer Radikalisierung insbesondere von Jugendlichen frühzeitig entgegenzuwirken. Dabei wurde bereits eine Vielzahl an Multiplikatoren - insbesondere in der Jugendbildung - für die Gefahren durch Salafismus sensibilisiert. Ganz besonders seit dem Aufkommen jihadistisch motivierter Ausreisen hat das LfV seine Maßnahmen zur Prävention gegen Salafismus erheblich intensiviert . 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3786 Mit zahlreichen Lehrerfortbildungen aber auch Informationsveranstaltungen für Vereine, Kommunen und Staatsbedienstete leistet das LfV einen wichtigen Beitrag, damit Radikalisierung frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen vor Ort ergriffen werden können. Im Bedarfsfall führt das LfV auch Einzelfallberatungen durch. Das LfV war am 11. Juli 2015 erstmals auf dem Präventionstag der Landeshauptstadt Wiesbaden mit einem Informationsstand präsent. In Kooperation mit dem Ordnungsamt der Stadt Wiesbaden und der Klasse 10c der Gerhart-Hauptmann-Schule Wiesbaden stellte das LfV seine Erkenntnisse über die mittlerweile verbotene salafistische Koranverteilaktion "LIES!" in den Mittelpunkt. Auf dieser Veranstaltung hat das LfV seine neu konzipierte Ausstellung eines salafistischen Radikalisierungsverlaufs eines jungen Erwachsenen präsentiert. 3. Übersicht der Präventionstermine im Jahresvergleich: Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl der Präventionstermine 25 46 92 79 127 189 202 240 Stand: 06.12.16 Die stark angewachsene Nachfrage nach den Präventionsdienstleistungen des LfV kann als Bestätigung für die vollzogene Öffnung der Behörde und präventive Ausrichtung gelten. In den letzten sieben Jahren hat sich die Anzahl der Präventionstermine des LfV überproportional vervielfacht . Das LfV hat im diesem Jahr bereits 240 Präventionstermine wahrgenommen bzw. konkret in Planung. Damit wurde bereits im laufenden Jahr der Spitzenwert aus dem Jahr 2015 mit 202 Terminen nochmals übertroffen. Das LfV hat seine Präventionsarbeit insgesamt auf einem hohen Niveau etabliert. Die meisten Veranstaltungen wurden im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr zu den Aufgabenfeldern Salafismus, Rechtsextremismus und Wirtschaftsschutz durchgeführt. Bereits im Jahr 2014 hat das LfV die Anzahl seiner Sensibilisierungsveranstaltungen zum Thema Salafismus deutlich auf 58 erhöht. Im vergangenen Jahr wurden die Präventionsbemühungen zur Bekämpfung des Salafismus nochmals auf 81 Termine gesteigert. In diesem Jahr hat das LfV über 100 Präventionstermine zum Thema Salafismus absolviert. 4. Bedarfsträger Der Kreis der Bedarfsträger für Beratungs- und Sensibilisierungsveranstaltungen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert. Hauptzielgruppe der Beratungs- und Sensibilisierungsveranstaltungen des LfV sind Justizmitarbeiterinnen und Justizmitarbeiter, Polizistinnen und Polizisten, Multiplikatoren der Jugend- und Erwachsenenbildung (Kultus) sowie Landkreise, Kommunen, Schulen, soziale Einrichtungen und andere Behörden und öffentliche Stellen, jedoch auch sonstige Stellen wie Vereine und Verbände, z.B. Sport- und Jugendvereine oder Moscheegemeinden , darunter auch extremistische, d.h. unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende Moscheegemeinden. 4.1 Sensibilisierungen von Multiplikatoren der Jugendbildung Im Bereich der Jugendbildung wurden in den vergangenen Jahren überwiegend Lehrerfortbildungen durchgeführt. Das LfV ist seit Beginn des Jahres 2009 durch das Institut für Qualitätsentwicklung des Hessischen Kultusministeriums (IQ) als Anbieter von Fortbildungen für hessische Lehrerinnen und Lehrer akkreditiert. Die Veranstaltungen bewirbt das LfV auf seiner Internetseite sowie über die Online-Fortbildungsangebote der Staatlichen Schulämter für hessische Lehrkräfte. Die Veranstaltungen werden entweder unmittelbar von den Staatlichen Schulämtern oder aber von einzelnen Schulen angefragt. In der Vergangenheit hat das LfV auf mehreren Schulleiterdienstversammlungen über Salafismus informiert und für sein Präventionsangebot geworben. Aus einigen Schulleiter- und Lehrerfortbildungen haben sich Anschlusstermine ergeben. So forderten vereinzelt Schulleiter/-innen bzw. Lehrer/-innen im Nachgang an die Veranstaltungen weitere Lehrerfortbildungen oder Einzelfallberatungen für ihre Schulen an. Daneben kam es auch zu Sensibilisierungsveranstaltungen aufgrund von konkreten Vorfällen an einzelnen Schulen . Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3786 5 In diesem Jahr wurden in Wiesbaden in Zusammenarbeit mit der Schuldezernentin und der Gerhart -Hauptmann-Schule Wiesbaden sämtliche Schulleiter/-innen aller Schulformen (außer Grundschulen) über das Präventionsangebot des LfV informiert. 4.2 Justiz Neben den Multiplikatoren der Jugendbildung führt das LfV auch im Justizressort Sensibilisierungsmaßnahmen zum Phänomenbereich Salafismus durch. Das LfV bildet dabei vor allem Justizvollzugsbeamte und Justizvollzugsbeamtinnen fort. Ergänzend zu den Informationsveranstaltungen finden regelmäßig Fallkonferenzen bzw. einzelfallbezogene Beratungen in den Justizvollzugsanstalten statt. Zudem veranstaltet das LfV seit einigen Jahren jeweils ein mehrtätiges Justizseminar zum Thema Salafismus für Richter, Staatsanwälte und Bewährungshelfer in Zusammenarbeit mit dem Wagnitz-Seminar des Justizministeriums. 4.3 Kommunen und Moscheevereine Ein weiterer wichtiger Präventionspartner gegen Salafismus und Rechtsextremismus sind die Kommunen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die institutionalisierte Zusammenarbeit des LfV im Kreispräventionsrat des Landkreises Offenbach, im Ämternetzwerk des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) in Frankfurt am Main, im Präventionsrat und an der Plattform Extremismus der Landeshauptstadt Wiesbaden. Hierbei werden Sachverhalte, insbesondere im Kontext salafistischer Radikalisierungen, behördenübergreifend besprochen sowie Hilfestellungen angeboten. Aufgrund der zu beobachtenden vereinzelten salafistischen Missionierungsversuche im Nahbereich von Flüchtlingsunterkünften hat das LfV sein Präventionsangebot entsprechend modifiziert und stetig erweitert. Die Mitarbeiter des LfV sind als Berater und Präventionspartner für Kommunen , soziale Einrichtungen und insbesondere für die hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE) tätig. In diesem Kontext fanden gezielte Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HEAE unter Koordinierung des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus (HKE) in Zusammenarbeit mit dem LfV statt. Das LfV bietet in diesem Zusammenhang auch spezifische Angebote zur Information und Beratung, um vor Ort die Sensibilität für mögliche Gefahren durch extremistische Agitation zu schärfen. Das unterbreitete Beratungsangebot wird sehr gut angenommen und genutzt. Das LfV hat bislang 18 Sensibilisierungsveranstaltungen an hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen durchgeführt. Sämtliche hessischen kommunalen Einrichtungen wurden durch zwei Präventionsveranstaltungen des LfV am 23. März 2016 in Hofheim am Taunus und am 13. Juni 2016 in Bad Hersfeld in die Lage versetzt, sich über das Thema "Extremismus-Prävention im Kontext der aktuellen Flüchtlingssituation" zu informieren. In diesem Rahmen klärte das LfV über aktuelle extremistische Entwicklungen auf und gab einen Überblick über Präventionsangebote des Landes Hessen. Anlassbezogen werden relevante Sachverhalte mit betroffenen Kommunen und Moscheevereinen besprochen, um gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln. Darüber hinaus melden Kommunen oder Moscheen auch eigeninitiativ Sachverhalte an das LfV, um diese einer gemeinsamen Erörterung zuzuführen. Diese Termine nimmt das LfV ebenfalls gerne wahr; in der Regel übt es dabei eine beratende Funktion aus. 5. Kooperationspartner Das LfV ist bei der Bekämpfung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen eng mit gesellschaftlichen Trägern vernetzt. Beispielsweise gehören KOREX-Mitarbeiter dem Expertenpool des "beratungsNetzwerk hessen" an. Zudem ist das LfV Mitglied im Fachbeirat des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus und in der Lenkungsgruppe des HKE. Des Weiteren arbeitet es über die Leiterin des Hauptsachgebiets 4 ("Beratende Prävention") im HKE mit und ist in die dortigen Abläufe eng eingebunden. 6. Veranstaltungen Ein weiterer Baustein der Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit des LfV ist die Präsenz auf dem Hessentag. Das LfV betreibt dort einen eigenen Messestand, an dem Besucher die Gelegenheit haben, sich über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes zu informieren. Außerdem veranstaltet das LfV jedes Jahr sein traditionelles Herbstgespräch. Im Mittelpunkt des Herbstgesprächs steht die Podiumsdiskussion unter Beteiligung von Fachexperten zu einem aktuellen Thema des Verfassungsschutzes. Die Veranstaltung wird von zahlreichen Vertretern der hessischen und außerhessischen Sicherheitsbehörden, der Politik, der Wirtschaft, der Medien und interessierten Bürgerinnen und Bürgern besucht. So lautete das Thema des 18. Herbstgesprächs am 1. Dezember 2016 "Der Suizid-Terrorismus zum Mitmachen - Gefahren und Auswirkungen für Gesellschaft und Sicherheitslage". 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3786 7. Weitere Projekte 7 a) Leuchtturmprojekt: "Wir gegen Salafisten" für Wiesbadener Schulen Das LfV hat gemeinsam mit der Wiesbadener Gerhart-Hauptmann-Schule ein peer-to-peer- Präventionsprojekt gegen Salafismus initiiert. Die Zielsetzung des Projekts war, Schülerinnen und Schüler zu Präventionspaten auszubilden, damit sie Gleichaltrige über Anwerbemethoden von Salafisten und die Gefahren salafistischer Radikalisierung aufklären. Angeleitet von Experten des LfV und des Forschungszentrums Globaler Islam der Frankfurter Goethe-Universität und pädagogisch begleitet von ihrem Lehrer haben sich Schüler der 9. und 10. Klasse mit den Themen Salafismus, Jihadismus und der Radikalisierung von jungen Menschen auseinandergesetzt. Ihr erworbenes Wissen haben die Schüler in Form von Plakaten zu einer kleinen Ausstellung über salafistische Radikalisierung werden lassen. Diese Ausstellung wurde mittlerweile von mehreren Schulklassen besucht. So wurden bislang über 500 Schülerinnen und Schüler in Peer-Group-Education über Salafismus informiert. Künftig wird das Projekt mit seiner Ausstellung an weiteren Wiesbadener Schulen gastieren. Die jungen Präventionspaten erläutern dabei ihre Plakate und informieren die gleichaltrigen Besucher. Das Projekt "Wir gegen Salafisten" wurde im Rahmen des diesjährigen 10. Hessischen Präventionspreises des Hessischen Ministeriums der Justiz mit dem Anerkennungspreis für seine Arbeit ausgezeichnet. 7 b) Hessentag in Herborn: Kooperation mit der Marienschule Limburg gegen Rechtsextremismus und Salafismus Das LfV hat anlässlich des diesjährigen Hessentags in Herborn seine Bühnenveranstaltungen in der Landesausstellung in Kooperation mit der Marienschule Limburg durchgeführt. Oberstufen- Schülerinnen der Marienschule haben dabei die Ergebnisse eines vom LfV angeleiteten Projekttags zum Thema Salafismus und Rechtsextremismus auf der Bühne in Form von acht Kurzrollenspielen präsentiert. In ihren Aufführungen ging es darum, typische Anwerbungs- und Argumentationsmuster von Extremisten zu entlarven. Die Kooperation entstand aus einer Lehrerfortbildung, die das LfV an der Marienschule Limburg für den Fachbereich Politik im März dieses Jahres durchgeführt hatte. Entwickelt worden waren die Bühnenprogramme während eines Projekttags, an dem die Politik- und Wirtschafts- Leistungskurse teilgenommen hatten. Im Vorfeld dieses Projekttags hatten sich die Schülerinnen über die Unterrichtsinhalte hinaus insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, wie es extremistischen Gruppen gelingt, Nachwuchs zu gewinnen. Darüber hinaus wurde im Jahr 2013 im Hessischen Innenministerium das "Hessische Informations - und Kompetenzzentrum gegen Extremismus" (HKE) eingerichtet und mit dem Aufbau eines landesweiten "Präventionsnetzwerks gegen Salafismus" beauftragt. Die "Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus" ist ein zentrales Element dieses Netzwerks und wurde an den Träger Violence Prevention Network (VPN) angebunden. Sie wird aus Mitteln des Landesprogramms "Hessen - aktiv für Demokratie und gegen Extremismus" mit 1,2 Mio. € p.a. gefördert. Begleitet wird die Arbeit des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus durch einen Fachbeirat, bestehend unter anderem aus Vertreterinnen und Vertretern von Universitäten , kommunalen Spitzenverbänden, unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, Ministerien und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Institutionen, der sich zeitnah mit veränderten Problemstellungen auseinandersetzt und Lösungsvorschläge erarbeitet. Im Übrigen haben das Hessische Ministerium des Innern und für Sport, das Hessische Kultusministerium und die Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien unter Einbeziehung zahlreicher Experten aus den Bereichen Polizei, Verfassungsschutz, Islamwissenschaft, Medien und politischer Bildung den Film "Radikal" inklusive begleitender Unterrichtsmaterialien entwickelt . Dieser Film spricht Schülerinnen und Schüler auf Augenhöhe an. Er ist für die Präventionsarbeit mit jungen Menschen (etwa ab 14 Jahren) geeignet und zeichnet Radikalisierungsprozesse in den Phänomenbereichen "Rechtsextremismus", "Linksextremismus" und "Islamismus /Salafismus" nach. Das auf der DVD vorhandene Begleitmaterial richtet sich sowohl an die Zielgruppe als auch an Multiplikatoren und hält umfangreiche Unterlagen bereit, wie z.B. Arbeits - und Aufgabenblätter, Informationen zu den Themen Extremismus, (virtuelle) Radikalisierung sowie Hinweise auf einschlägige (hessische) Beratungsstellen. Mittlerweile wurden 6.000 Filme hessen- und bundesweit verteilt. Der große Bedarf ist ein Indikator dafür, dass der Film innerhalb kürzester Zeit zu einem wertvollen Baustein der Präventionsarbeit geworden ist und Hessen in seiner Vorreiterrolle in diesem Themenfeld weiter stärkt. Wiesbaden, 3. Januar 2017 Stefan Grüttner