Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 15.09.2016 betreffend Alphabetisierungsklassen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Im hier angefragten Themengebiet Alphabetisierungsklassen gilt es zu beachten, dass der Alphabetisierungsgrad der betroffenen Schülerinnen und Schüler ein weiches Kriterium ist und daher sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Schülerinnen und Schüler, die einen Alphabetisierungskurs bzw. eine Alphabetisierungsklasse im Rahmen des schulischen Gesamtsprachförderkonzepts besuchen, können zum einen solche sein, die noch nie eine Schule besucht haben (Analphabetismus/Illiteralität), zum anderen aber auch Neuankömmlinge, die zwar schon schulische Vorerfahrung haben, jedoch das lateinische Alphabet als weitere Schrift erlernen müssen. Die Übergänge, ab wann eine Seiteneinsteigerin oder ein Seiteneinsteiger an einem InteA- Standort einer Alphabetisierungs- statt einer Intensivklasse zuzuweisen ist, sind fließend. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es sinnvoll ist, Alphabetisierungsklassen entsprechend Erlass des Hessischen Kultusministeriums vom 13. Juni 2016 stur in Relation zur Zahl von InteA-Klassen einzurichten? Nach dem Erlass vom 13. Juni 2016 gelten für die Schüler-/Seiteneinsteigeraufnahme die Bestimmungen des Erlasses vom 10. Februar 2016. Darüber hinaus wird ab dem Schuljahr 2016/17 zuweisungsrelevant bei einem InteA-Standort pro vier Klassen eine dieser Klassen als Alphabetisierungsklasse mit einer maximalen Klassengröße von 12 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ermöglicht. Das Vorgehen nach Erlass ist bei der Zuweisung von Alphabetisierungsklassen an den InteA- Standorten insofern sinnvoll, als auf diese Weise alle Standorte eine verlässliche Planungsgröße und -sicherheit erhalten. Frage 2. Ist es nach Auffassung der Landesregierung sinnvoll, Alphabetisierungsklassen bei Vorliegen der von ihr festgelegten Kriterien auch dann einzurichten, wenn das Konzept der betroffenen Schule die entsprechende Notwendigkeit nicht hergibt, etwa weil die Schule ein stärkeres Potential bei der Unterrichtung sprachlich fortgeschrittener Schüler hat? Grundlage für die oben genannte Zuweisungsentscheidung ist die statistische Auswertung der Daten der Aprilabfrage zur Verwendung der zugewiesenen Lehrerstellen im Bereich Deutsch- Fördermaßnahmen und Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern im Schuljahr 2015/2016, welche für die Gruppe der InteA-Schülerinnen und -Schüler mit Alphabetisierungsbedarf (sowohl ohne schulische Vorkenntnisse als auch ohne Kenntnisse der lateinischen Schrift) einen Anteil von unter 22 % ergeben hat. Natürlich gibt es Schulen, die in ihrem jeweils aktuellen Bedarf von diesem ermittelten Wert abweichen. Dadurch, dass die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger unterjährig aufgenommen werden, um ihnen möglichst frühe Beschulung und Förderung zu ermöglichen, sind Schwankungen einkalkuliert. Aus diesem Grund steuert das Hessische Kultusministerium monatlich Lehrerstellen nach, sodass sowohl auf Überals auch auf Unterversorgung zeitnah reagiert werden kann und vor allem neue Klassen gebildet werden können. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass in Absprache mit den Verantwortlichen an den Staatlichen Schulämtern bezüglich des Antragsverfahrens für neue InteA-Standorte über die Erlassregelung von mindestens zwei zu bildenden Gruppen hinaus darauf zu achten ist, Eingegangen am 1. November 2016 · Bearbeitet am 2. November 2016 · Ausgegeben am 4. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3798 01. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3798 dass grundsätzlich mindestens vier Lerngruppen gebildet werden sollten, damit an jedem InteA- Standort die Option besteht, die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit geringstem Lernstand in einer kleineren Gruppe stärker fördern zu können. Bei der Zuweisung für die Einrichtung von Alphabetisierungsklassen eine Erlassgrundlage zu schaffen, hat - wie in den Ausführungen zu Frage 1 bereits dargestellt - den Vorteil, allen InteA-Standorten auf Grundlage der Erfahrungswerte das Einrichten von Alphabetisierungsklassen zu ermöglichen. Die Differenzierung der zu alphabetisierenden Schülerinnen und Schüler kann natürlich auch je nach Konzept der Schule in jeder InteA Klasse erfolgen unter Gesamtberücksichtigung der besseren Zuweisung für die Alphabetisierungsklasse pro 4 Gruppen. Frage 3. Ist es nach Auffassung der Landesregierung sinnvoll, dafür Schulen, die einen nachgewiesenen höheren Bedarf an Alphabetisierungsklassen haben, die Einrichtung zusätzlicher Alphabetisierungsklassen mit Hinweis auf den Erlass zu verweigern? Es wird auf die Vorbemerkung sowie die Erläuterungen zu Frage 2 verwiesen, die sich sowohl auf temporäre Bedarfsabweichungen nach unten als auch nach oben beziehen. Frage 4. Wenn ja: Hält die Landesregierung dies tatsächlich auch dann für richtig, wenn der von ihr selbst vorgegebene Klassenteiler von 12 um ca. 50 % überschritten wird? Entscheidend für die Zuweisung ist die Gesamtzahl der Klassen, die zu bilden sind. Die Schule vor Ort entscheidet - nach Rücksprache mit dem jeweils zuständigen Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ) am Staatlichen Schulamt - über die Einteilung anhand des weichen Kriteriums Alphabetisierungsbedarf der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in Intensiv- bzw. Alphabetisierungsklassen . Frage 5. Hält die Landesregierung an der Auffassung fest, dass die Alphabetisierung von Schülern zu den Grundfähigkeiten jedes Lehrers zählt? Das Hessische Kultusministerium geht nicht davon aus, dass die Alphabetisierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern zu den Grundfähigkeiten einer jeden Lehrkraft zählt. Dass hier ein Unterstützungsbedarf gesehen wird, zeigt sich beispielsweise darin, dass über die in § 48 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses (VOGSV) vom 19. August 2011 (ABl. S.546), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. April 2014 (ABl. S. 234), hinaus gehende Regelung sogenannte Alphabetisierungsklassen an den InteA-Standorten ermöglicht werden, um den Schulen in der Förderung differenziert nach den Fähigkeiten der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zu helfen. Zusätzlich unterstützt das Hessische Kultusministerium durch zahlreiche Fortbildungsangebote den Kompetenzzuwachs der Lehrkräfte. Alphabetisierung ist nicht nur Bestandteil der Weiterbildungskurse zum Erwerb der Fakultas in Deutsch als Zweitsprache, sondern auch der Basisqualifizierung Deutsch als Zweitsprache für Lehrkräfte sowie zahlreicher, speziell in diesem Themenbereich liegender Fortbildungsangebote der Hessischen Lehrkräfteakademie sowie der Staatlichen Schulämter. Weiterhin wurden auf dem landesweiten Fachtag Deutsch als Zweitsprache (DaZ) des Hessischen Kultusministeriums am 17. September 2016 Workshopangebote zur Alphabetisierung unterbreitet. Das aktuell in Zusammenarbeit mit der Hessischen Lehrkräfteakademie entstehende Fortbildungs- und Beratungsprogramm zur Integration von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, das bereits bestehende Angebote zusammenführt und ausbaut, sieht ebenfalls innerhalb der Sprachförderung als Grundpfeiler des Programms den Baustein Alphabetisierung vor. Die Vielzahl der Angebote in diesem Bereich unterstreicht, dass das Hessische Kultusministerium in der Kompetenzerweiterung der Lehrkräfte einen Bedarf und eine Pflicht sieht, die es auch weiterhin zu unterstützen gilt. Wiesbaden, 19. Oktober 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz