Ergänzung zu Drucksache 19/1614 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Abg. Wissler, Schaus, van Ooyen, Dr. Wilken (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Geheimdienst-Skandale, Massenüberwachung sowie Grund- und Völkerrechtsverletzung in Hessen Drucksache 19/382 Das Ministerium des Innnern und für Sport hat die in der Antwort auf die Große Anfrage fehlenden Antworten zum Fragenkomplex "VI. Rechtsweg in konkreten Fällen" nachgereicht: VI. Rechtsweg in konkreten Fällen Frage 1. Am 8. Januar 2011 wurde der deutsch-afghanische Student Haddid N. aus Frankfurt in Afghanistan vom US-Militär festgenommenen und in ein für Folter bekanntes Gefängnis verbracht. Durch bundesweite Berichterstattung, Einschreiten der Familie in Frankfurt und Protesten an der Universität in Frankfurt ergab sich ein Bild, wonach Haddid N. aufgrund zweimal nicht bestätigter Vorwürfe des Polizeipräsidiums Frankfurt, welche offenkundig an das US-Militär weitergegeben wurden, beim Besuch seines Vaters in Afghanistan festgenommen wurde. Nach Einschreiten des Auswärtigen Amtes wurde Haddid N. nach einigen Wochen Haft freigelassen und konnte zurück nach Deutschland reisen. Entgegen seiner öffentlichen Aufklärungsankündigung konnte Innenminister Rhein im Innenausschuss keinerlei Beitrag leisten, die den Grund und Ablauf der Verhaftung des Haddid N. beleuchtet hätten. a) Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen und welcher Vorwürfe werden welche Informationen über Bundesbürger an US-Geheimdienste oder US-Militär weitergegeben? b) Reichen zur Weitergabe dieser Informationen auch Vorwürfe, die unterhalb von Straftaten liegen bzw. die nicht zu richterlichen Verurteilungen geführt haben, und wenn ja, welche Vorwürfe sind dies? Die Übermittlung von Daten durch das LfV an US-amerikanische Nachrichtendienste und militärische Stellen als Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich gemäß § 12 des LfV-Gesetzes nach den Verpflichtungen aus Artikel 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut. Ferner kann eine Übermittlung auf Grundlage und unter den Voraussetzungen von § 13 des LfV-Gesetzes erfolgen. Eine solche Übermittlung ist allerdings nur im Einvernehmen mit dem BfV zulässig. Rechtsgrundlage für die Weitergabe von personenbezogenen Daten der Polizei an ausländische öffentliche Stellen sowie über- und zwischenstaatliche Stellen sind in Hessen § 22 Abs. 3 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und Nr. 22.3 der Verwaltungsvorschrift zum HSOG (VVHSOG). Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 HSOG dürfen die hessischen Gefahrenabwehr - und Polizeibehörden personenbezogene Daten an diese Stellen übermitteln, soweit dies zur Erfüllung einer Aufgabe der übermittelnden Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde oder zur Abwehr einer erheblichen Gefahr durch die empfangende Stelle erforderlich ist. Dabei unterbleibt eine Übermittlung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 HSOG dann, soweit Grund zur Annahme besteht, dass dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde oder aber schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigen würden. c) Welcher Rechtsweg ergibt sich für betroffene Personen, gegen nicht strafrechtlich bewährte oder nicht bewiesene Vorwürfe rechtlich vorzugehen? Nach Art. 19 GG steht jeder Person der Rechtsweg zu allen deutschen Gerichtsbarkeiten offen, wenn sie durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt wird. Der zu beschreitende Eingegangen am 5. Mai 2015 · Ausgegeben am 11. Mai 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de zu Drucksache 19/1614 05. 05. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · zu Drucksache 19/1614 Rechtsweg richtet sich nach der jeweils konkret behaupteten Rechtsverletzung, der handelnden Institution sowie dem Ort des Geschehens. Darüber hinaus steht auch der Rechtsweg zu europäischen bzw. internationalen Gerichtsbarkeiten offen, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen . d) Welche Rechtsauffassung vertritt die Landesregierung im Fall, wenn nicht strafrechtlich bewährte oder nicht bewiesene Vorwürfe deutscher Behörden zur Verschleppung oder Tötung deutscher Bundesbürger durch US-Militär in anderen Staaten führen? Es ist unklar, in welcher Art und Weise sich Vorwürfe strafrechtlich "bewähren" könnten. Im Übrigen beinhaltet die Frage Spekulationen, zu denen sich die Landesregierung nicht äußert. Frage 2. Der in Offenbach am Main geborene Konvertit Patrick N. reiste Medienberichten zufolge im Jahr 2011 mit Frau und Kindern nach Pakistan aus, um sich dort der "Islamischen Bewegung Usbekistan " anzuschließen. Laut Videobotschaft dieser Gruppe soll Patrick N. im Februar 2012 zusammen mit neun weiteren Menschen durch einen US-Drohnenangriff getötet worden sein. a) War Patrick N. zur Zeit seiner Tötung Bürger der Bundesrepublik Deutschland? Zum Zeitpunkt seiner mutmaßlichen Tötung war Patrick N. deutscher Staatsangehöriger. Für die Tötung gibt es keine behördliche Bestätigung. b) Welche Vorwürfe gegen Patrick N. bestanden vonseiten deutscher Straf- und Verfolgungsbehörden und haben Erkenntnisse deutscher Behörden zur Tötung von Patrick N. beigetragen? Gegen Patrick N. wurde durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Jahr 2010 ein Ermittlungsverfahren wegen § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ) geführt, da Hinweise darauf vorlagen, dass er ein jihadistisches Ausbildungslager besucht haben könnte. Dieses Ermittlungsverfahren wurde am 16. September 2013 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom Ableben Patrick N.s ausgeht. Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren aus Nordrhein-Westfalen kam es im Oktober 2011 zur vorläufigen Festnahme sowie zu einer Durchsuchung der Wohnung Patrick N.s in Offenbach. Ebenfalls im Oktober 2011 reiste N. mit seiner Familie nach Pakistan aus. Die Familie N. wurde am 28. Oktober 2011 in Deutschland nach Rückkehr der Schwiegermutter durch diese als vermisst gemeldet. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Informationen deutscher Behörden zum möglichen Ableben von Patrick N. beigetragen haben. Wenngleich in Szenemedien bzw. durch einen Verwandten dessen Tod berichtet wurde, liegen hierzu bisher weder behördliche noch forensische Bestätigungen vor. c) Was wurde Patrick N. vonseiten des US-Militärs zur Last gelegt und wie seine Tötung gerechtfertigt ? d) War die Tötung des Patrick N. nach Rechtsauffassung der Landesregierung rechtlich, sicherheitspolitisch oder militärisch legitim? Die Bemühungen der Landesregierung, zu dieser Frage eine Stellungnahme der US-Streitkräfte einzuholen, haben sich als erfolglos erwiesen. Eigene Erkenntnisse hierzu liegen der Landesregierung nicht vor. e) Welche rechtlichen Ansprüche ergeben sich für die Familie des Patrick N., besitzen diese die deutsche Staatsangehörigkeit und steht ihnen die Rückreise in die Bundesrepublik Deutschland offen? Die Frage nach "rechtlichen Ansprüchen" ist zu unpräzise und kann daher nicht beantwortet werden . Nach Erkenntnissen der Landesregierung besitzen die Familienmitglieder der Familie N. die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Rückreise nach Deutschland steht ihnen daher jederzeit offen. Wiesbaden, 29. April 2015 Peter Beuth Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Abg. Wissler, Schaus, van Ooyen, Dr. Wilken (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Geheimdienst-Skandale, Massenüberwachung, sowie Grund- und Völkerrechtsverletzung in Hessen Drucksache 19/382 Vorbemerkung der Fragesteller: Seit nahezu einem Jahr gelangen immer neue Details über die Praxis und den Umfang massenhafter digitaler Überwachung durch Geheimdienste in die Öffentlichkeit. Demnach zeichnen Geheimdienste die Kommunikation ganzer Staaten per Knopfdruck auf, werden täglich Milliarden Handy-Daten gespeichert, Computer und Server massenhaft mit nicht zu löschender Geheimdienst-Software infiltriert und damit massenhaft Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Konzerne, Behörden und höchste Regierungsvertreter überwacht. Die bisherige Rechtfertigung der Sicherheitsbehörden und Politik, wonach diese Geheimdienstarbeit ausschließlich der Terrorabwehr diene und als solche unverzichtbar sei, erscheint absurd angesichts der Tatsache , dass wohl alleine über Bundeskanzlerin Angela Merkel 30 Berichte angelegt und ihr Mobiltelefon systematisch abgehört wurde. Auch die Verfolgung von kritischen Journalisten, wie die des britischen "The Guardian", und die allgemeine Unterstellung von Terrorabsichten gegenüber der gesamten europäischen Bevölkerung macht deutlich, dass die Geheimdienste und Militärs offenbar jedes Maß und ihre Bindung an Recht und Gesetz verloren haben. Eine anlasslose und allgemeine Massenüberwachung durch in- und ausländische Geheimdienste verletzt wesentliche Grund- und Verfassungsrechte der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Hessen, insbesondere das Prinzip der Gewaltenteilung, des Richtervorbehaltes, des Postgeheimnisses, des Selbstbestimmungsrechtes , des Schutzes der Privatsphäre, der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Nach Recherchen eines Teams von investigativen Journalisten der Süddeutschen Zeitung (SZ) und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) werden geheimdienstlich gewonnene Daten zudem zur strategischen und praktischen Kriegsführung, für Gefangenenverschleppungen und für Drohneneinsätze verwendet. Laut Schätzungen des "The Bureau of Investigative Journalism" in London wurden in den letzten zehn Jahren etwa 3.000 Menschen durch US-Drohnenangriffe getötet, darunter 1.000 Zivilisten und 200 Kinder . Die Tötungen geschehen ohne Gerichtsverfahren, unter strengster Geheimhaltung und oft in Nicht- Kriegsländern. Laut dem ehemaligen US-Drohnenpilot Brandon B. sei "ohne Deutschland der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich" weshalb Amnesty International den deutschen Behörden die Unterstützung rechtswidriger Tötungen in nicht militärischen Konflikten vorwirft. Auch deshalb stellen sich Fragen nach Verstößen gegen das Grundgesetz, die Verfassung des Landes Hessen sowie gegen das Völkerrecht, da die Teilnahme an Angriffskriegen, an kriegsvorbereitenden Maßnahmen und völkerrechtlich nicht legitimierten Kriegshandlungen von deutschem Boden aus verfassungsrechtlich verboten ist. Laut Rechercheergebnissen des Journalisten-Netzwerks "Geheimer Krieg" beherbergt das US-Generalkonsulat in Frankfurt eine heimliche Abhörstation. Es sei eine der größten Niederlassungen der CIA außerhalb Amerikas. Hier soll auch die Einheit sitzen, die das Handy der Kanzlerin ausspioniert hat. Von hier aus sollen Entführungen und geheime Foltergefängnisse geplant werden. Eine zweite bedeutende US-Einrichtung in Hessen ist der größtenteils unterirdische Dagger-Komplex in Darmstadt-Griesheim, angeblich der weltweit größte Abhörposten der US-Armee. Eine dritte Einrichtung in Hessen ist das europäische US-Hauptquartier in Wiesbaden-Erbenheim, einer der größten US-Militärstützpunkte weltweit. Hier entsteht momentan ein weiteres Hightech-Zentrum für geheimdienstliche Auswertung. Darüber hinaus wurde privaten US-Unternehmen per Verbalnote erlaubt, in Deutschland zu Spionagezwecken Niederlassungen aufzubauen. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Links-Fraktion gab es im Jahr 2011 in Deutschland 207 private Unternehmen zur "analytischen Dienstleistung", wovon das offenbar größte seinen Sitz in Wiesbaden hat: Der Konzern Computer Science Corporation (CSC) hat weltweit 90.000 Mitarbeiter, in Deutschland 11 Tochtergesellschaften an insgesamt 16 Standorten und arbeitet überwiegend für das US-Militär und Geheimdienste sowie für die Bundes- und Landesregierung. Die weltweite anlasslose Massenüberwachung hat entschiedene Proteste hervorgerufen, so z.B. den internationalen Aufruf von 562 namhaften Schriftstellerinnen und Schriftstellern zur Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeitalter, den internationalen Aufruf von 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegen die Massenüberwachung oder die Anzeige zahlreicher deutscher Bürgerrechtsorganisationen gegen Geheimdienste und Bundesregierung, die inzwischen von 2.000 Privatpersonen unterzeichnet wurde. Auch die Debatte in den USA und England, bei denen es um Täuschung und Bespitzelung der Kontrollgremien des US- Senats durch den CIA bzw. die Verfolgung von Journalisten durch den britischen Geheimdienst geht, lassen hoffen, dass die Bevölkerungen den Verlust zentraler Bürger-, Menschen- und Völkerrechte nicht widerstandslos hinnehmen werden. Eingegangen am 19. Februar 2015 · Ausgegeben am 20. Februar 2015 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/1614 19. 02. 2015 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 Vorbemerkung der Landesregierung: Die Landesregierung sieht sich nicht veranlasst, rechtsgutachterlich zu hypothetischen oder abstrakten Fragestellungen Stellung zu nehmen, die die Auslegung und verfassungsrechtliche Bewertung von Bundesrecht betreffen. Sie sieht sich ebenfalls nicht veranlasst, dieses zu bewerten, da die abschließende Beurteilung den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten obliegt . Die Beantwortung der Großen Anfrage beschränkt sich daher auf die abstrakte Darlegung des für die Beurteilung der aufgeworfenen Fragen maßgeblichen Rechtsrahmens. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, wird die Große Anfrage im Einvernehmen mit dem Chef der Staatskanzlei, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, dem Minister der Finanzen und der Ministerin der Justiz wie folgt beantwortet: I. Hessen als Militärstandort Frage 1. Wie hat sich die Stationierungsstärke ausländischer Streitkräfte seit dem Jahr 1998 in Hessen entwickelt (bitte nach Land, Standort und Jahr aufschlüsseln)? In dem nachgefragten Zeitraum waren in Hessen nur Truppen der US-Streitkräfte stationiert. Deren Stationierungsstärke hat sich in der Zeit ab 1998 - aufgeschlüsselt nach Standort und Jahr - wie folgt entwickelt: 1998-2003 2004/2005 2006/2007 2008/2009 2010/2011 2012-2014 Büdingen 1000 929 0 0 0 0 Darmstadt 5000 5000 4110 993 Siehe Erläuterung Siehe Erläuterung Friedberg 2721 2799 0 0 0 0 Gießen 2594 2890 5265 400 400 400 Hanau 5483 5226 4021 1084 0 0 Wiesbaden 5947 7229 8466 6798 7648 9333 Gesamt 17745 19073 21862 9275 8048 9733 Erläuterung: Am Standort Darmstadt sind seit der Schließung der Garnison im Jahr 2010 keine Streitkräfte mehr stationiert. Dort unterhalten die US-Streitkräfte in Griesheim nur noch eine Arbeitseinheit (der so genannte Dagger-Komplex), die organisatorisch Teil der in Wiesbaden stationierten 66th Military Intelligence Brigade ist. Die dort eingesetzten Truppenangehörigen der US-Streitkräfte sind deshalb in den Zahlen für den Standort Wiesbaden enthalten. Im Zusammenhang mit diesen Zahlen ist auf Artikel 6 des Zusatzabkommens zum NATO- Truppenstatut hinzuweisen, nach dem Mitglieder der Truppe, eines zivilen Gefolges und Angehörige von den deutschen Vorschriften auf dem Gebiet des Meldewesens befreit sind. Frage 2. Was sind Grund und Auftrag der in Hessen stationierten ausländischen Streitkräfte und wie nehmen sie diese Aufgaben wahr? In der unmittelbaren Nachkriegszeit war der Grund für die Truppenstationierung der US- Streitkräfte in Hessen das damals für Deutschland bestehende Besatzungsregime, das jedoch bereits im Oktober 1954 auf der Grundlage des "Pariser Protokolls" wieder aufgehoben wurde. Seit dieser Zeit waren die US-Streitkräfte als Schutzmacht stationiert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten bezüglich des Grundes der Truppenstationierung der US-Streitkräfte in Hessen wird im Übrigen auf die weiteren Darlegungen in der Antwort zu Frage I. 3 verwiesen. Der konkrete Auftrag der in Hessen stationierten US-Streitkräfte besteht darin, ihre Soldatinnen und Soldaten entsprechend den Vorgaben des in Stuttgart stationierten "European Command" Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 3 (= das den Teilstreitkräften übergeordnete Oberkommando der US-Streitkräfte in Europa) auszubilden und zu führen. Die in Hessen stationierten US-Streitkräfte nehmen ihre Aufgaben im Rahmen der Bestimmungen des internationalen Rechts wahr. Frage 3. Auf welcher Rechtsgrundlage sind diese ausländischen Streitkräfte stationiert (bitte Abkommen seit 1945) und wie werden diese Rechtsgrundlagen evaluiert und weiterentwickelt? Beim Aufenthalt von ausländischen Truppenverbänden auf deutschem Hoheitsgebiet ist generell zwischen der Rechtsgrundlage der Truppenstationierung (Recht zum Aufenthalt) und der Rechtsstellung der stationierten Truppen (Recht des Aufenthalts) zu differenzieren. Das Recht zum Aufenthalt ergibt sich aus dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 (Aufenthaltsvertrag; BGBl. 1955 II, S. 253), der nach dem im Jahre 1990 im Zuge der deutschen Wiedervereinigung geschlossenen Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland - dem sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag - weiter gilt (s. hierzu den Notenwechsel vom 25. Sept. 1990; BGBl. 1990 II, S. 1390 und vom 16. Nov. 1990; BGBl. 1990 II, S. 1696). Das Recht des Aufenthalts ergibt sich aus dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 (NATO-Truppenstatut ; BGBl. 1961 II, S. 1190) sowie dem Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (Zusatzabkommen ; BGBl. 1961 II, S. 1183, 1218). Das Zusatzabkommen wurde nach Herstellung der deutschen Einheit durch Abkommen vom 18. März 1993 umfassend geändert (BGBl. 1994 II, S. 2598). Nach dem verfassungsrechtlich vorgegebenen innerstaatlichen Kompetenzgefüge sind die Rechtsmaterie und der konkrete Regelungsinhalt dieser Internationalen Abkommen dem Bund im Rahmen seiner ausschließlichen Zuständigkeit für "Auswärtige Angelegenheiten" sowie für den Verteidigungsbereich zugewiesen. Eine Befugnis zur Evaluierung und Weiterentwicklung dieser Rechtsgrundlagen kann deshalb ebenfalls nur zugunsten des Bundes begründet sein. Frage 4. Sind in Hessen stationierte ausländische Streitkräfte grundsätzlich an die Gesetze, Normen und Verfassungen Hessens und der Bundesrepublik gebunden und wenn ja, gilt dies auch für ihr Agieren innerhalb der Stützpunkte, Konsulate etc. sowie für Handlungen, die von Hessen aus gesteuert und koordiniert werden? Wenn nein, welches Recht kommt innerhalb der Stützpunkte, Konsulate etc. zur Anwendung und wie werden Rechtskonflikte (z.B. Grundgesetz vs. Truppenstatut) gelöst? Ausländische Hoheitsträger sind nicht Adressaten der Grundrechtsgewährleistungen des Grundgesetzes (GG) bzw. der Verfassung des Landes Hessen (HV). Grundrechte binden unmittelbar nur die vom Grundgesetz bzw. der Verfassung des Landes Hessen konstituierte öffentliche Gewalt . Eine mittelbare Wirkung entfalten die Grundrechte aber insoweit, als ihr Schutzgehalt durch die Normen der deutschen Rechtsordnung konkretisiert wird und ausländische Hoheitsträger beim Handeln im Anwendungsbereich des deutschen Rechts grundsätzlich an die deutschen Rechtsnormen gebunden sind. Die Rechte und Pflichten der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen sind im NATO-Truppenstatut sowie im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen, BGBl. 1961 II, S. 1183, 1218, zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993, BGBl. 1994 II, S. 2598) geregelt . Nach Artikel II des NATO-Truppenstatuts sind die US-Streitkräfte in Deutschland verpflichtet , das deutsche Recht zu achten. Die Entsendestaaten müssen die hierfür erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese Pflichten sind strafbewehrt. Mitglieder einer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppe und ihr ziviles Gefolge genießen keine völkerrechtliche Immunität , sondern unterliegen der ausschließlich deutschen Gerichtsbarkeit, wenn sie in Deutschland eine Handlung vornehmen, die nur nach deutschem Recht und nicht nach dem Recht ihres Entsendestaats strafbar ist (Artikel VII Absatz 2 Buchst. b und c des NATO-Truppenstatuts). Sofern zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, ist die zuständige Staatsanwaltschaft nach § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Im Übrigen regelt Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut abschließend, dass die deutschen Behörden und die Behörden der Truppen "in Übereinstimmung mit den im Rahmen des Nordatlantikpakts bestehenden Verpflichtungen der Parteien zu gegenseitiger Unterstützung eng zusammenarbeiten, um die Durchführung des NATO-Truppenstatuts sicherzustellen ". Sofern im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Truppenstatuts Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der sich aus NATO-Truppenstatut und seinen korrespondie- 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 renden Rechtsakten ergebenden Rechten und Pflichten auftreten, obliegt es der Bundesregierung , sich um eine Konfliktlösung zu bemühen. Nach Art. 41 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) und Art. 55 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) sind auch die Mitglieder einer diplomatischen Mission bzw. konsularischen Vertretung in Deutschland verpflichtet, Gesetze und andere Rechtsvorschriften Deutschlands zu beachten. Aus Art. 3 Absatz 1 Buchst. d WÜK folgt, dass diplomatische Missionen und konsularische Vertretungen sich nur mit "rechtmäßigen Mitteln" über die Verhältnisse im Empfängerstaat unterrichten dürfen. Die Beschaffung von Informationen zur Berichterstattung an den Entsendestaats darf daher nur im Rahmen der nach deutschem Recht gesetzlich zulässigen Möglichkeiten erfolgen. Nach Art. 31 WÜD sind Botschaftsangehörige jedoch aufgrund ihrer diplomatischen Immunität vor Strafverfolgung im Empfangsstaat geschützt und können im Falle nachrichtendienstlicher Tätigkeit für ihren Heimatstaat nur nach Art. 9 WÜD aus dem Empfangsstaat ausgewiesen werden. Frage 5. Welche deutschen und hessischen Behörden sind mit der Kontrolle entsprechender Abkommen, für die Einhaltung der deutschen und hessischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. mit der allgemeinen Rechtspflege an entsprechenden Standorten beauftragt, z.B. bei a) der Umsetzung von Bau-, Umwelt- und Arbeitsrecht, b) dem Brand-, Daten- und Katastrophenschutz, c) der Verfolgung strafrechtsrelevanter Vorwürfe und Verstöße, d) der Verfolgung von Vorwürfen über Spionage, e) der Verfolgung von Vorwürfen über Grund-, Menschen- und Völkerrechtsverstöße? Auf den ausländischen Streitkräften überlassenen Liegenschaften gilt nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen das deutsche Recht. Die diesbezügliche Überwachung der Einhaltung des deutschen Rechts obliegt daher auch auf den ausländischen Streitkräften überlassenen Liegenschaften grundsätzlich den Behörden des Bundes, der Länder und Kommunen, denen diese Aufgabe jeweils nach unserem innerstaatlichen Kompetenzgefüge zugewiesen ist, soweit nicht aufgrund des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut in Verbindung mit z.B. § 59 und § 60 Bundes -Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der 14. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über Anlagen der Landesverteidigung) das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm bestimmten Stellen zuständig sind. Konkret hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die innerhalb des Verteidigungsministeriums für die öffentlichrechtliche Aufsicht für Arbeitssicherheit und technischen Umweltschutz in der Bundeswehr zuständige Behörde (=ÖrABw), der hinsichtlich dieser Fachbereiche gleichzeitig auch die Fachaufsicht gegenüber den Gaststreitkräften zugewiesen ist. D.h., diese Behörde nimmt innerhalb der Bundeswehr sowie gegenüber den Gaststreitkräften in den Bereichen Arbeitsschutz und Umweltschutz die Aufgaben wahr, die außerhalb des Verteidigungsbereichs den jeweils zuständigen Behörden der Länder zugewiesen sind. Im Übrigen haben alle nach deutschem Recht jeweils für die konkrete Fachaufsicht zuständigen Behörden ein völkerrechtlich vereinbartes Zutrittsrecht, wodurch gewährleistet ist, dass sie den ihnen im konkreten Einzelfall jeweils als Fachaufsicht zugewiesenen Aufgaben auch nachkommen können. Aufgrund der Bestimmungen in Art. VII des NATO-Truppenstatuts in Verbindung mit dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut unterliegen Angehörige ausländischer Streitkräfte in der Regel der Strafgerichtsbarkeit des Entsendestaats. Die hessischen Strafverfolgungsbehörden sind daher regelmäßig nicht mit der Verfolgung strafrechtsrelevanter Vorwürfe gegen Angehörige ausländischer Streitkräfte befasst. Soweit im Übrigen Vorwürfe im strafrechtlichen Sinne (insbesondere Spionagevorwürfe gemäß §§ 94 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB)) im Raume stehen, sind die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO)) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zum Einschreiten verpflichtet. Für Straftaten betreffend die Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist der Generalbundesanwalt (GBA) originär zuständig (§§ 120 Abs. 1 Nr. 3, 142 a GVG), weshalb ihm hessische Strafverfolgungsbehörden solche Verfahren zuständigkeitshalber vorlegen. Frage 6. Entstehen neben dem Bund auch dem Land Hessen und seinen Kommunen etwaige Kosten durch Stationierungen (z.B. durch Bauvorhaben, Flächenerschließungen, Rückbauten, Dekontaminierungen …) und wenn ja, welche Kosten und in welcher Höhe seit dem Jahr 2000? Kosten für Baumaßnahmen entstehen dem Land nicht, da diese ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert werden. Es liegen darüber hinaus keine Daten darüber vor, ob und in welcher Höhe dem Land bzw. den Kommunen eventuell Kosten bei der Rückgabe von Liegenschaften durch Rückbau oder Dekontaminierung entstehen bzw. entstanden sind. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 5 Frage 7. Da sich in Hessen der größte US-Militärstützpunkt außerhalb der USA, die größte CIA- Niederlassung außerhalb der USA und einer der größten weltweiten Abhörposten der USA befindet und diese laut Medienberichten und Aussagen ehemaliger US-Militärs eine zentrale Rolle für Kriegseinsätze, Drohneneinsätze und Folterverschleppungen spielen: Welche Bedeutung fällt in diesem Zusammenhang Art. 69 Abs. 1 und 2 der Hessischen Verfassung zu: "Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet (1) Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig (2)"? Die in Hessen stationierten US-Streitkräfte leisten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen wesentlichen Beitrag für die Erhaltung von Freiheit, Frieden und Sicherheit in Europa. Nach Auffassung der Landesregierung steht die Anwesenheit amerikanischer Truppen in Hessen deshalb in voller Übereinstimmung mit den sich aus Art. 69 HV ergebenden Handlungsmaßstäben. Der Landesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über die in der Frage unterstellten Aktivitäten von in Hessen stationierten US-Streitkräften vor. Die US-Streitkräfte haben gegenüber der zuständigen Bundesregierung versichert, dass von amerikanischen Einrichtungen in Deutschland bewaffnete Drohneneinsätze weder geflogen noch befehligt werden und das amerikanische Personal geltendes Recht einhält. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich über ihre Botschaft in Berlin in einer Stellungnahme vom 15. November 2013 von Folter und Entführungen distanziert. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung sieht sich die Landesregierung nicht veranlasst, an diesen Zusicherungen zu zweifeln. Zu hypothetischen Fragestellungen gibt die Landesregierung keine Einschätzungen ab. II. Hessen als Standort von Geheimdiensten fremder Staaten Vorbemerkung der Landesregierung zu Fragenkomplex II: Im Hinblick auf die der Anfrage zugrunde liegenden Annahme einer "anlasslosen und allgemeinen Massenüberwachung" durch ausländische Streitkräfte und Geheimdienste verfügt die Landesregierung über keine über die Medienberichterstattung hinausgehenden Informationen. Die Beantwortung der Unterfragen zu Frage II. 1 erfolgt im Zusammenhang und beschränkt sich auf die Darlegung des für die Beantwortung der Frage heranzuziehenden abstrakten Rechtsrahmens. Frage 1. Ist es ausländischen Streitkräften und Geheimdiensten erlaubt, geheimdienstliche Tätigkeit und kriegsführende Maßnahmen von Hessen aus zu betreiben oder unterstützen, wenn ja a) in welcher quantitativen und qualitativen Größenordnung, b) aufgrund welcher Rechtsgrundlagen mit welchen Staaten, c) sind diese möglichen Rechtsverträge, z.B. weitergeltendes oder erneuertes alliiertes Besatzungsrecht auch dann gültig, wenn sie dem Wesensgehalt und Rechtswegvorbehalt des Grundgesetzes entgegenstehen (Art. 19 Abs. 1 und 2 GG), d) steht nach Ansicht der Landesregierung z.B. eine anlassloser Massenüberwachung, weitreichende wirtschaftliche und politische Spionage durch Geheimdienste oder Handlungen im Rahmen kriegerischer und völkerrechtswidriger Auseinandersetzungen in Konflikt zu Grundrechten oder der Verfassung des Landes Hessen, e) existiert hierzu eine der G10-Kommission bzw. parlamentarischen Kontrollkommission vergleichbare , rudimentäre Kontrolle dieser ausländischen Geheimdienstarbeit, f) wie und von wem sind Konflikte zwischen Bündnisverträgen bzw. Militär- und Geheimdienstpraxis einerseits mit dem Grundgesetz, der hessischen Verfassung und geltendem Recht der Bundesrepublik andererseits rechtlich überprüf- und einklagbar, zumal wenn es sich um Geheimvereinbarungen handelt, g) welche Rolle fällt der Landesregierung zu, die Arbeit ausländischer Geheimdienste und Streitkräfte in Hessen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen, h) haben deutsche Geheimdienste Anteil an der Ausübung und Unterstützung fremder geheimdienstlicher und militärischer Aufgaben in Hessen? Wenn nein, welche Konsequenzen und Zuständigkeiten ergeben sich aus Sicht der Landesregierung aus teilweise bestätigten Vorwürfen gegen Geheimdienste zur i) Massenüberwachung der Bevölkerung, j) Spionage gegen Unternehmen, k) Abhörung von Regierungsvertretern, l) Völker- und menschenrechtswidrigen Gefangenenverschleppung und Drohneneinsätzen? Das von ausländischen Truppen zu beachtende deutsche Recht gewährt diesen grundsätzlich keine Rechte zur Überwachung des Post-, Fernmelde- und Datenverkehrs, insbesondere ist ihnen wie jedermann eine Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs nach Maßgabe der §§ 201 ff. StGB ergänzt durch die Sanktionsnormen des Datenschutzrechts (§§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)) und des Wirtschaftsrechts (§ 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)) verboten (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. vom 15. Mai 2014, BT- Drucks. 18/1400 S. 8). Als weitere in diesem Zusammenhang zu beachtende Sanktionsnormen sind die Staatsschutzdelikte, insbesondere die §§ 99, 96 Abs. 1 und 98 StGB, zu nennen. Es obliegt den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, in jedem Einzelfall auf der Grundlage entsprechender konkreter Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE 125, 260, 323 f.) und des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2014, S. 709 ff.) zur Vorratsdatenspeicherung würde eine flächendeckende anlasslose Erfassung und Speicherung aller Telekommunikationsdaten durch deutsche Behörden gegen deutsches Verfassungsrecht verstoßen. Die Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und die G 10-Kommission des Deutschen Bundestags beschränkt sich auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), des Militärischen Abschirmdiensts und des Bundesnachrichtendiensts ; diejenige der Parlamentarischen Kontrollkommission bzw. G 10-Kommission des Hessischen Landtags auf die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. § 20 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV-Gesetz) sowie § 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz). Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut regelt abschließend, dass die deutschen Behörden und die Behörden der Truppen "in Übereinstimmung mit den im Rahmen des Nordatlantikpakts bestehenden Verpflichtungen der Parteien zu gegenseitiger Unterstützung eng zusammenarbeiten , um die Durchführung des NATO-Truppenstatuts sicherzustellen". Sofern im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Truppenstatuts Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der sich aus dem NATO-Truppenstatut und seinen korrespondierenden Rechtsakten ergebenden Rechte und Pflichten auftreten, obliegt es der Bundesregierung, sich um eine Konfliktlösung zu bemühen. Im Hinblick auf die in der Fragestellung II. 1 j bis l unterstellten Aktivitäten von in Hessen stationierten US-Streitkräften liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Die US- Streitkräfte haben gegenüber der Bundesregierung mehrfach versichert, dass von amerikanischen Einrichtungen in Deutschland bewaffnete Drohneneinsätze weder geflogen noch befehligt werden und das amerikanische Personal geltendes Recht einhalte. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich über ihre Botschaft in Berlin in einer Stellungnahme vom 15. November 2013 von Folter und Entführungen distanziert. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung sieht sich die Landesregierung nicht veranlasst, an diesen Zusicherungen zu zweifeln. Zu hypothetischen Fragestellungen gibt die Landesregierung keine Einschätzungen ab. Frage 2. In welcher Form ist die Landesregierung seit Veröffentlichung von Vorwürfen über Massenüberwachung , wirtschaftliche und politische Spionage sowie Menschen- und Völkerrechtsverletzungen in Hessen aktiv geworden, z.B. durch: a) Überprüfung dieser Vorwürfe, b) Konsultationen mit Datenschutz-, IT-Experten oder Experten des CCC, c) Konsultation von Menschen- und Völkerrechtsexperten, d) Austausch mit Regierungen anderer Bundesländer und der Bundesregierung, e) Konsultation von Vertretern ausländischer Streitkräfte oder des US-Konsulats, f) Unterrichtung von und durch eigene Dienste, g) Prüfung möglicher strafrechtsrelevanter Vorwürfe, Verfahren und Sanktionen? Zu a: Sobald Anhaltspunkte für entsprechende Vorwurfe vorliegen, gehen die hessischen Sicherheitsbehörden diesen im Rahmen ihres jeweiligen gesetzlichen Auftrags nach. Im zeitlichen Zusammenhang mit der medialen Befassung mit der Thematik sind auch bei den hessischen Strafverfolgungsbehörden Strafanzeigen erstattet worden, die zentral dem GBA zugeleitet wurden . Zu b: Die Landesregierung ergänzt kontinuierlich den eigenen Sachverstand durch das Wissen und die Erfahrungen externer IT-Experten. So wurden im Rahmen des Kompetenzzentrums Cybersicherheit (KoCyS) beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) Wissenschaftler aus der Cybersicherheits-Forschung am Standort der TU Darmstadt zu Rate gezogen . Mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wird ein enger Erfahrungsaustausch gepflegt. Dessen Experten tragen regelmäßig im Rahmen des nationalen Cyber -Sicherheitsrats vor, in dem Hessen einen der beiden Ländervertreter stellt. In der IMK- Arbeitsgruppe Cybersicherheit, deren Federführung bei Hessen liegt, wurden ebenfalls externe IT-Experten zu Fachvorträgen hinzugezogen. Auf operativer Ebene arbeitet das HMdIS eng mit den entsprechenden Fachleuten der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) zusammen . Darüber hinaus wurde unter Einbeziehung des Hessischen Datenschutzbeauftragten (HDSB) im August 2013 vom HMdIS und dem CIO eine gemeinsame Arbeitsgruppe begründet, die Maßnahmen zur Weiterentwicklung der IT-Sicherheitsarchitektur der Landesverwaltung entwickelt. Zu c: Die Grund- und Menschenrechte sowie das Völkerrecht sind handlungsleitend für jegliches staatliches Handeln. Über die Pflicht hinaus, sich selbst grundrechtswidriger Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG oder die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu enthalten, sind deutsche Hoheitsträger auch verpflichtet, im Rahmen ihrer Regelungskompetenzen, Zuständigkeiten und Einwir- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 7 kungsmöglichkeiten einen angemessenen Schutz gegen Grundrechtsgefährdungen durch ausländische Hoheitsträger oder international agierende ausländische Unternehmen zu gewährleisten. Bei der Ausgestaltung eines angemessenen gesetzlichen Schutzes auf nationaler Ebene bzw. bei der Mitwirkung der Einführung erforderlicher Schutzregelungen auf internationaler und unionsrechtlicher Ebene kommt dem Gesetzgeber bzw. den Regierungen ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Nach Einschätzung der Landesregierung ist die Klärung des tatsächlichen Sachverhalts und der mit ihm zusammenhängenden komplexen Rechtsfragen noch nicht so weit gediehen, dass sie eine abschließende Beurteilung über Art und Ausmaß der gegebenenfalls auch auf Landesebene erforderlichen Maßnahmen zulassen. Der Deutsche Bundestag hat auf Antrag aller Fraktionen am 20. März 2014 einen Untersuchungsausschuss "NSA" eingesetzt, der Ausmaß und Hintergründe der Ausspähungen durch ausländische Geheimdienste in Deutschland aufklären soll. Hierbei werden auch Völker- und Menschenrechtsexperten konsultiert werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses wird zu klären sein, ob und in welchem Umfang unter den Bedingungen der Nutzung globaler Kommunikationsinfrastrukturen über den bestehenden nationalen, europäischen und internationalen Rechtsrahmen hinaus weitere rechtliche und technische Vorkehrungen zum wirksamen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beziehungsweise der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gegenüber ausländischen Hoheitsträgern erforderlich sind. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten konstruktiv an sachgerechten Lösungen mitwirken. Zu d: Ein Austausch zwischen den Verwaltungen und Regierungen der Länder und der Bundesregierung findet auf vielfältige Art und Weise statt. Zu e: Bereits am 31. Oktober 2013 fand ein erstes Gespräch zwischen dem damaligen Innenminister Rhein und dem US-Konsul Milas statt. Zu f: Der hessische Verfassungsschutz prüft kontinuierlich im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags , ob staatlich gesteuerte (auch elektronische) Angriffe erfolgen. Es ergaben sich zu keinem Zeitpunkt tatsächliche Anhaltspunkte auf die in den Medien behaupteten Aktivitäten der National Security Agency (NSA) in der Bundesrepublik Deutschland. Zu g: Es sind vereinzelt Strafanzeigen auch bei der hessischen Polizei erstattet worden, die jeweils über die Staatsanwaltschaft dem GBA zugeleitet wurden. Dort (beim GBA) wurde im vergangenen Jahr zudem ein Beobachtungsvorgang angelegt. Frage 3. Da selbst die Bundeskanzlerin und höchste EU-Repräsentanten abgehört wurden/werden: a) Liegen der Landesregierung Hinweise zur Überwachung und Spionage gegen die Landesregierung , den Landtag oder andere Verfassungsorgane und Behörden vor und wenn nein, wie kann sie dies ausschließen? b) Wurden Maßnahmen gegen mögliche Spionage gegen die Landesregierung, den Landtag oder andere Verfassungsorgane und Behörden getroffen und wenn ja, welche? d) Wurden Maßnahmen zum Schutz hessischer Unternehmen, in Hessen befindlicher Infrastrukturen (z.B. Internetknoten) und der hessischen Bevölkerung getroffen und wenn ja, welche? c) Liegen der Landesregierung Hinweise zur Überwachung und Spionage gegen hessische Unternehmen, in Hessen befindlicher Infrastrukturen (z.B. Internetknoten) und der hessischen Bevölkerung vor und wenn nein, wie kann sie die ausschließen? Zu a: Der Hessischen Landesregierung liegen keine Hinweise zur Überwachung und Spionage gegen sie selbst, den Landtag oder andere Verfassungsorgane und Behörden vor. Die hessischen Sicherheitsbehörden achten intensiv und verstärkt auf entsprechende Aktivitäten, die allerdings nie mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können. Zu b: Die Hessische Landesregierung hat bereits im Jahr 2004 mit der im Kabinett verabschiedeten Informationssicherheitsleitlinie des Landes ein Informationssicherheits-Managementsystem etabliert. Die hessische Informationssicherheitsleitlinie wurde erstmalig im Jahr 2010 fortgeschrieben und befindet sich in Überarbeitung. Sie legt für die Landesverwaltung ein Sicherheitsniveau fest, das sich an den Grundschutzkatalogen des BSI und der DIN ISO 27.001 orientiert . Mit der aktuellen Fortschreibung wird die hessische Informationssicherheitsleitlinie an die im Jahr 2013 verabschiedete Informationssicherheitsleitlinie des Bundes und der Länder angepasst . Mit ihr wurden IT-Sicherheitsbeauftragte in den Dienststellen eingeführt, die in einem ständigen Arbeitskreis zusammenarbeiten. Das HMdIS hat darüber hinaus bereits im Jahr 2004 eine Geschäftsstelle zur Koordination und Steuerung der IT-Sicherheitsprozesse gebildet. Im Jahr 2013 hat das HMdIS damit begonnen, ein "CERT-Hessen" (CERT Computer Emergency Response Team) aufzubauen, das gemeinsam mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) ein tägliches Lagebild zur "Bedrohungslage Cybersicherheit" erstellt und die Dienststellen der Landesverwaltung sowie die ekom21 vor aktuellen Angriffen und Softwareschwachstellen warnt. Der Warn- und Informationsdienst des "CERT-Hessen" wird noch in diesem Jahr, insbesondere für Kommunen, ausgebaut. 8 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 Das ebenfalls im HMdIS angesiedelte "Kompetenzzentrum Cybersicherheit" organisiert den Informationsaustausch zwischen allen in Hessen im Bereich Cybersicherheit operativ relevanten Dienststellen. Die vielfältigen technischen Maßnahmen der Informationssicherheit insbesondere in der HZD werden in einem kontinuierlichen Prozess den aktuellen Herausforderungen angepasst und dienen im Ergebnis auch der Abwehr von Cyberspionage. Schließlich ist mit Wirkung vom 29. November 2013 die Verordnung zur Bestimmung lebenswichtiger Einrichtungen nach dem Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (GVBl. S. 650 vom 6. Dezember 2013) in Kraft getreten. Sie regelt, dass unter anderem in den obersten Landesbehörden die Arbeitseinheiten, die den Betrieb der Informations- und Kommunikationstechnik sicherstellen und deren Ausfall die Tätigkeit unmittelbar erheblich beeinträchtigen würde, lebenswichtige Einrichtungen mit sicherheitsempfindlichen Stellen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (HSÜG) sind. Dies hat zur Folge, dass in der Hessischen Staatskanzlei und in den einzelnen Ressorts in Arbeitsbereichen der Informationsund Kommunikationstechnik künftig nur noch sicherheitsüberprüfte Personen eingesetzt werden dürfen. Dies betrifft neben den eigenen Beschäftigten auch das Personal von Fremdfirmen. Dadurch wird sichergestellt, dass potenzielle Saboteure von diesen Bereichen ferngehalten werden. Zu c: Es gibt vereinzelte Hinweise, wonach auch hessische Unternehmen von elektronischen Angriffen betroffen waren bzw. betroffen sein könnten. Mit den betreffenden Unternehmen hat das zuständige LfV Kontakt aufgenommen und Überprüfungsmaßnahmen veranlasst. Ob es sich um nachrichtendienstlich gesteuerte Angriffe handelt bzw. handelte, wird geprüft. Zu d: Durch § 11 Abs. 1a des Energiewirtschaftsgesetzes ist die Bundesnetzagentur verpflichtet , im Benehmen mit dem BSI einen Katalog von Sicherheitsanforderungen zum Schutz gegen Bedrohungen für Telekommunikations- und elektronische Datenverarbeitungssysteme zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Arbeiten an der Aufstellung eines solchen - nicht primär der Spionageabwehr, sondern der Sicherung der Energieversorgung dienenden - Katalogs laufen derzeit. Der Bundesnetzagentur ist auch die Aufgabe zugewiesen, die Einhaltung der Anforderungen durch die Netzbetreiber zu überwachen. Eine Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörde besteht insoweit nicht. Die hessischen Sicherheitsbehörden haben in Anbetracht der stetig wachsenden Bedeutung der sogenannten "Cyberspionage" sowohl personell als auch organisatorisch auf die verstärkte Sensibilität und den erhöhten Beratungsbedarf von Unternehmen in Hessen reagiert, indem sie ihre Beratungskapazitäten erhöht haben. So bietet etwa das LfV verstärkt Informationsveranstaltungen und Beratungsgespräche vor Ort in Unternehmen an. Im Oktober 2013 führte der Verfassungsschutz bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt eine Veranstaltung zu dem Thema "Digitaler Wirtschaftsschutz - abwehren und schützen" durch. Zusätzlich informierte das Landesamt bei der IHK Frankfurt am Main im Dezember 2013 über das Thema "Wirtschaftsspionage und Wirtschaftsschutz", im September 2014 bei der IHK Wiesbaden. Auch auf dem Hessentag 2014 war diesem Thema ein Informationstag des LfV gewidmet. III. Hessischer Inlandsgeheimdienst Frage 1. Wie hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz seit 1998 entwickelt (bitte getrennt nach Jahren aufschlüsseln) a) In seinem Gesamtetat bzw. Gesamtausgaben? b) Festangestellten und Mitarbeitern? c) und Aufgabenzuweisungen (z.B. nach HSOG, Zusammenarbeit mit BfV, als Bildungsträger in Schulen, KOREX etc.)? Zu a: Die Angaben sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. Jahr Gesamtausgaben in € 1998 ......................... 9.296.981 1999 ......................... 8.513.428 2000 ......................... 8.347.701 2001 ......................... 9.847.591 2002 ......................... 9.812.318 2003 ........................ 10.270.650 2004 ........................ 10.240.545 2005 ........................ 10.485.452 2006 ........................ 11.219.900 2007 ........................ 12.437.112 2008 ........................ 14.917.532 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 9 2009 ....................... 15.139.712 2010 ....................... 15.783.411 2011 ....................... 17.308.240 2012 ....................... 18.488.888 2013 ....................... 18.482.818 Zu b: Die Zahl der "festangestellten" (inklusive der Teilzeitkräfte) Beschäftigten des Landesamts für Verfassungsschutz sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Anzahl der Bediensteten* Planstellen/Stellen 1998 195 194,5 1999 190 182 2000 188 182 2001 193 196 2002 189 200 2003 187 200 2004 198 200 2005 196 201 2006 200 195,5 2007 214 208,5 2008 214 220,5 2009 224 245,5 2010 244 245,5 2011 246 245,5 2012 253 255,5 2013 257 255,5 2014 260 255,5 Zu c: Seit dem Jahr 2002 gehört zu den Aufgaben des LfV auch der Schutz vor Organisierter Kriminalität. Zu diesem Zweck beobachtet das LfV "Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes" (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz). Darüber hinaus gab es im LfV folgende wesentliche Entwicklungen: 2005 Beteiligung des Landesamts an dem im Dezember 2004 eingerichteten Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. 2006 Beteiligung des Landesamts am Gemeinsamen Informations- und Analysezentrum (GIAZ) im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. 2008 Einrichtung des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus (KOREX) im LfV Hessen. 2011 Beteiligung am Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Terrorismus (GAR) in Berlin. 2012 Beteiligung am Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ). 2013 Das Landesamt ist einer der Kooperationspartner des im Mai 2013 der Öffentlichkeit vorgestellten Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus (HKE) Frage 2. Wie wurden parallel die parlamentarischen Kontrollrechte über das Landesamt für Verfassungsschutz seit 1998 weiterentwickelt? Die Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission wurden vor dem Hintergrund der gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz stets auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und angepasst. Die letzte umfassende Ausweitung der Kontrollrechte erfolgte durch Gesetz vom 12. Dezember 2012. Eingefügt wurden die Möglichkeit der Protokollierung der Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission (§ 21 Abs. 2), ein erweitertes Akteneinsichtsrecht (§ 22 Abs. 4), die Möglichkeit der Bestellung von Sachverständigen (§ 22 Abs. 5) und die Beteiligung des Hessischen Datenschutzbeauftragten (§ 22 Abs. 6) sowie die Beteiligung der Parlamentarischen Kontrollkommission am Haushaltsplan des LfV (§ 22 Abs. 7). 10 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 Frage 3. Erfolgt eine Zusammenarbeit des HLfV mit ausländischen Geheimdiensten und wenn ja: a) auf welchen Rechtsgrundlagen, b) zu welchem Zweck, c) mit welchen Staaten, d) existiert hierzu eine der G10-Kommission bzw. parlamentarischen Kontrollkommission vergleichbare , rudimentäre Kontrolle dieser Geheimdienstkooperation, e) wie und von wem sind Konflikte zwischen Kooperationsverträgen bzw. dieser internationalen Geheimdienstpraxis einerseits mit dem Grundgesetz, der hessischen Verfassung und geltendem Recht der Bundesrepublik andererseits rechtlich überprüf- und einklagbar, zumal wenn es sich um Geheimvereinbarungen handelt? Die Fragen 3 a und b werden gemeinsam beantwortet: Die Zusammenarbeit des LfV mit ausländischen Nachrichtendiensten findet auf Grundlage der §§ 12 (Übermittlung an Stationierungsstreitkräfte ) und 13 (Übermittlung an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes) des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz statt. Ausgangspunkt sind die Verpflichtungen aus Art. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut. Die Kontakte betreffen in erster Linie Fragen der Sicherheit der US-Streitkräfte in Europa. In Einzelfällen existiert mit ausländischen Diensten auch ein Informationsaustausch zu den Bereichen der Organisierten Kriminalität und der Spionageabwehr. Gemeinsame Operationen wurden nicht durchgeführt. Zu c: Bei der Beobachtung der Organisierten Kriminalität betraf dies Stellen aus Frankreich, Italien, Israel, Belgien und Österreich, im Bereich der Spionageabwehr die USA. Zu d und e: Die Kontrolle der Tätigkeit des LfV ist umfassend. Sie wird durch die Parlamentarische Kontrollkommission, die G10-Kommission und das HMdIS als Fach- und Rechtsaufsicht ausgeübt. IV. Ausländische Unternehmen mit Militär- und Geheimdienstbezügen in Hessen Frage 1. Wie hat sich die Zahl in Hessen tätiger ausländischer Unternehmen und deren Mitarbeiter seit 2005 entwickelt, die Vergünstigungen nach Art. 72 Abs. 4 des NATO-Truppenstatuts (siehe Bundestagsdrucksache 17/5586 S. 6 f.) genießen (bitte nach Unternehmen, Land, Jahr und Zahl der Mitarbeiter aufschlüsseln)? In Art. 72 des Abkommens zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) ist unter anderem geregelt, dass bestimmte ausländische Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die einer Truppe durch das NATO-Truppenstatut und durch dieses Abkommen gewährte Befreiung unter anderem von Zöllen, Steuern sowie Einfuhr- und Wiederausfuhrbeschränkungen in dem Umfang genießen, der zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist. In den Genuss der in Art 72 ZA-NTS geregelten Befreiungen und Vergünstigungen kommen ausschließlich ausländische Unternehmen. Die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzbesteuerung der Unternehmer mit Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland richtet sich nach § 21 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung (UStZustV) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3794), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I, S. 1768) geändert worden ist. Danach werden in Hessen (zentral im Finanzamt Kassel II-Hofgeismar) lediglich die in der Republik Kroatien, in der Portugiesischen Republik und im Königreich Spanien ansässigen Unternehmer umsatzsteuerlich geführt. Derzeit werden beim Finanzamt Kassel II-Hofgeismar keine kroatischen, portugiesischen oder spanischen Unternehmen geführt, die eine Vergünstigung nach Art. 72 Abs. 4 ZA-NTS in Anspruch nehmen. Daneben kann eine Privilegierung von Mitarbeitern nach Art. 72 Abs. 4 und 5 ZA-NTS erfolgen . Grundlage hierfür sind die vom Auswärtigen Amt des Bundes mit der Botschaft der USA ausgetauschten Verbalnoten hinsichtlich der Privilegierung von Mitarbeitern US-amerikanischer Unternehmen. Zwar wird die Privilegierung an ein bestimmtes US-amerikanisches Unternehmen adressiert, wirkt aber ertragsteuerlich nur für die einzusetzenden Arbeitnehmer. Die auf den Verbalnoten basierenden Einzelanmeldungen der Unternehmen für die Mitarbeiter sind bei der Informationsstelle für US-Verbindungen (IStUS) beim Finanzamt Wiesbaden I für diejenigen Mitarbeiter erfasst, die an hessischen Truppenstandorten eingesetzt werden. Diese erhalten den gleichen Status wie das zivile Gefolge, unterliegen also grundsätzlich keiner Ertragssteuerpflicht. Die Privilegierungen betreffen auch den Bereich der sogenannten Truppenbetreuung , also etwa den medizinischen Dienst. Für die vorliegende Anfrage wurde daher nach den Berufsbezeichnungen der Bereich herausgefiltert, der für den Betreff der Anfrage relevant ist. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 11 In Hessen wurden seit 2005 bis heute insgesamt 240 Anmeldungen für Mitarbeiter in diesem Bereich vorgelegt. Derzeit sind in Hessen insgesamt 46 sog. "analysts" für 5 Vertragsfirmen tätig . Die Entwicklung der Beschäftigungszahlen in Hessen im Sinne der Anfrage ist in der anliegenden Statistik der Anträge dargestellt. Frage 2. Worin besteht das Geschäftsmodell dieser Unternehmen in Hessen, deren Tätigkeiten von der Bundesregierung z.B. mit "Military Planer, Combat Service Support" und "Intelligence Analyst, Human Intelligence, Operational Targeteer", also klassischer Spionage und Kampfeinsatzplanung angegeben wird (siehe Bundestagsdrucksache 17/5586 S. 6)? In Bezug auf die Gestellung der privilegierten Arbeitnehmer stellt sich die Tätigkeit der Unternehmen wie eine Arbeitnehmerüberlassung dar. Die Vertragsunternehmen verpflichten sich, der Truppe geeignetes Personal für die Vertragslaufzeit und zu den vereinbarten Preisen zur Verfügung zu stellen. Frage 3. Wer ist für die Registrierung, Sicherheitsüberprüfung und behördlichen Kontrolle dieser Unternehmen und ihrer Mitarbeiter zuständig? Frage 4. Wie (oft) erfolgen Sicherheitsüberprüfungen und Kontrollen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter ? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam wie folgt beantwortet: Die Zuständigkeit für den Geheimschutz in der Wirtschaft obliegt zwar grundsätzlich dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL). Allerdings erstreckt sich dieser Bereich nur auf Unternehmen (sog. nicht-öffentliche Stellen), die zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit von einer öffentlichen Stelle ermächtigt werden. Öffentliche Stellen sind hierbei Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Landes, einer Gemeinde , eines Landkreises sowie einer sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die Fragen 3 und 4 korrespondieren jedoch mit der Frage 1 der Ziffer IV. und betreffen somit nur in Hessen tätige ausländische Unternehmen und deren Mitarbeiter, die Vergünstigungen nach Art. 72 Abs. 4 ZA-NTS genießen. Ausländische Unternehmen in diesem Sinne sind nichtdeutsche Wirtschaftsunternehmen, die ausschließlich für die betroffene (fremde) NATO- Streitkraft, das zivile Gefolge, ihre Mitglieder und deren Angehörige tätig sind. Demzufolge ist für diese ausländischen Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Zuständigkeit der Landesregierung nicht gegeben, da es hier an einer Ermächtigung von einer öffentlichen Stelle im Sinne des § 1 Abs. 1 HSÜG mangelt. Somit ist eine Beantwortung dieser Fragen nicht möglich. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung, dass diese offenkundig im Bereich ausländischer Kriegs- und Geheimdiensttätigkeit arbeitenden Unternehmen zeitgleich Geschäfts- und Entwicklungspartner der Bundes- und Landesregierung sind, und wie hat sie dafür Sorge getragen, dass diese Unternehmen keine Spionage gegen das Land Hessen betreiben? Von der Landesregierung abgeschlossene Rahmenverträge in diesem Bereich regeln in eigenen Kapiteln die Bestimmungen zur Verschwiegenheitspflicht und zum Datenschutz sowie zum Thema Sicherheit. Demnach stellt der Auftragnehmer sicher, dass alle an der Vertragserfüllung beteiligten Personen sich gemäß Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974 verpflichten lassen und die gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz einhalten. Darüber hinaus verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Geheimhaltung sämtlicher im Rahmen des Vertragsverhältnisses erlangten Informationen sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und dazu, diese weder gegenüber Dritten offenzulegen noch sie an Dritte weiterzugeben. Diese Standardregelungen können je nach den Bedürfnissen des konkreten Einzelfalls durch die Bedarfsstelle angepasst/verschärft werden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich Rahmenvertragspartner oder einzelne eingesetzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertrags- oder rechtswidrig verhalten haben. V. Rechtsauffassung und Zuständigkeiten des Landes Hessen Frage 1. Hält die Landesregierung eine Massenüberwachung der Bürgerinnen und Bürger des Landes Hessen für vereinbar mit dem Grundgesetz, der Verfassung des Landes Hessen sowie den geltenden Gesetzen und Rechtsnormen? a) Wenn nein, welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die Landesregierung und die Bürgerinnen und Bürger des Landes Hessen, um gegen derartige Rechtsverletzungen vorzugehen? 12 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/1614 Frage 2. Hält die Landesregierung politische und wirtschaftliche Spionage gegen Behörden und Unternehmen in Hessen für vereinbar mit dem Grundgesetz, der Verfassung des Landes Hessen sowie den geltenden Gesetzen und Rechtsnormen? a) Wenn nein, welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die Landesregierung und die Unternehmen und Behörden des Landes Hessen, um gegen derartige Rechtsverletzungen vorzugehen ? Zur Beantwortung der Fragen V. 1 a und 2 a wird auf die Antwort zum Fragenkomplex II (insbesondere zu II. 2 c)) verwiesen. Frage 3. Hält die Landesregierung die Planung von Folter und Tötungen durch Drohnen in nicht bewaffneten Konflikten in Hessen für vereinbar mit dem Völkerrecht, dem Grundgesetz und der Verfassung des Landes Hessen? a) Wenn nein, welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die Landesregierung und Bürgerinnen und Bürger des Landes Hessen, um gegen derartige Rechtsverletzungen vorzugehen? Der Landesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über die in der Frage behaupteten Planungen von in Hessen stationierten US-Streitkräften vor. Die US-Streitkräfte haben gegenüber der zuständigen Bundesregierung versichert, dass von amerikanischen Einrichtungen in Deutschland bewaffnete Drohneneinsätze weder geflogen noch befehligt werden und das amerikanische Personal geltendes Recht einhalte. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich über ihre Botschaft in Berlin in einer Stellungnahme vom 15. November 2013 von Folter und Entführungen distanziert. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung sieht sich die Landesregierung nicht veranlasst, an diesen Zusicherungen zu zweifeln. Zu hypothetischen Fragestellungen gibt die Landesregierung keine Einschätzungen ab. Wiesbaden, 3. Februar 2015 Peter Beuth Anlage Stand: Juli 2014 Anzahl Anträge Jahr Vertragsfirma und Job 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Gesamt Aktiv Juli 2014 Booz Allen & Hamilton, Inc. 3 6 7 20 4 13 10 21 84 18 Intelligence Analyst 3 6 7 20 4 13 8 21 82 17 Program / Project Manager 2 2 1 CACI Information Support Systems (ISS), Inc. 1 1 Senior Combat Service Support Analyst 1 1 CACI Premier Technology, Inc 11 7 11 2 31 Collection Manager 1 1 Intelligence Analyst 10 7 10 2 29 Senior Military Intelligence Planner 1 1 Cubic Applications, Inc. 1 1 Analyst / Programmer 1 1 Galaxy Scientific Corporation 3 5 4 3 15 EAC MASINT Analyst 3 2 1 6 EAC MASINT Analyst (Imagery) 3 4 2 9 MacAuley-Brown 1 14 6 2 1 24 1 EAC MASINT Analyst (Imagery) 1 12 13 Intelligence Analyst 2 6 2 1 11 1 Metis Solutions, LLC 4 4 3 Intelligence Analyst 4 4 3 R.M. Vredenburg & Co (CACI) 1 1 Senior Military Intelligence Planner 1 1 Six3 Intelligence Solutions, Inc. 28 1 29 21 Intelligence Analyst 27 1 28 20 Program/Project Manager 1 1 1 SOS International Ltd. 21 10 11 7 1 50 3 Intelligence Analyst 21 10 11 7 1 50 3 Gesamt 14 16 22 14 55 10 25 22 60 2 240 46 Statistik der Anträge auf privilegierte Beschäftigung von Arbeitnehmer der (US-)Firmen, die an hessischen Standorten analytische Dienstleistungen für die US-Truppe erbringen (Meinungsaustausch mit dem DoD Contractor Personnel Office)