Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 26.09.2016 betreffend Umweltschäden durch die Kaliproduktion und Kosten für deren Beseitigung und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Von 1977 bis heute hat die hessische Gemeinde Heringen alleine 74 Mio. € für die Reparatur der Kanalisation aus Steuergeldern aufwenden müssen. Betonfraß durch aggressives Salzwasser aus der Kaliproduktion hatte Rohre so stark angegriffen, dass sie ausgetauscht werden mussten. (s. Berichtsantrag Drs. 19/2116). Der Bericht des Umweltministeriums nennt auch die Gemeinden Philipsthal und Hohenrode, deren Abwasserrohre ebenfalls vom Betonfraß betroffen sind. Darüber hinaus sind Trinkwasserbrunnen so versalzen, dass die Gemeinde Heringen an ein Verbundnetz angeschlossen werden musste, um den Trinkwasserbedarf zu decken. Auch ist in der Region Ackerland so versalzen, dass ein Anbau von Feldfrüchten nicht mehr möglich ist. Bis dato gibt es aber noch keine Zusammenschau der Schäden durch die Kaliproduktion im hessischthüringischen Kalirevier. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : In den Fragen 1 bis 6 werden Begriffe des Umweltschadens und der umweltökonomischen Gesamtrechnung genannt. Der Begriff Umweltschaden wird in dem Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden definiert (Umweltschadensgesetz - USchadG vom 10. Mai 2007; BGBl. I S. 666, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. August 2016 (BGBl. I S. 1972)). Gegenstand der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) ist der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Umwelt. Ein wesentlicher Indikator der UGR ist die Effizienz der Ressourcennutzung . Das Statistische Bundesamt ist zuständig für die Erhebung der Daten der UGR. Die UGR ist keine selbstständige Kostenrechnung, sondern eine Erweiterungsrechnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Die UGR verfolgt das Ziel, die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Umwelt auf der Grundlage der Umweltbelastungen (Auswirkungen ), der Veränderung des Umweltzustandes sowie der Maßnahmen zu deren Vermeidung oder zur Behebung von Schäden darzustellen. Die Umweltgrößen werden in physischen Einheiten (z.B. Energieverbrauch in Terajoule, Wasserverbrauch in m3) dargestellt. Die Umweltgrößen werden zu volkswirtschaftlichen Kenngrößen wie der Bruttowertschöpfung (BWS) oder zum Bruttoinlandprodukt (BIP) in Beziehung gesetzt. Die volkswirtschaftliche Methode der VGR und der UGR schließt eine individuelle Betrachtung eines einzelnen Unternehmens aus. Bei den in der Vorbemerkung genannten Auswirkungen der Salzeinträge aus geogenen und diffusen Quellen auf die Kanalisation handelt es sich nicht um einen Umweltschaden im Sinne des USchadG, sondern um materielle Schäden. Auf die Beantwortung der Fragen zu dem Berichtsantrag 19/2116 und die im Nachgang erfolgte Beantwortung der Zusatzfragen aus der 27. ULA- Sitzung wird verwiesen. Bei der Beantwortung der Fragen 1 bis 6 wird der Begriff "Umweltschaden" im Sinne von Auswirkungen der Kaliproduktion interpretiert. Damit ist keine Wertung als Umweltschaden im Sinne des USchadG verbunden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Eingegangen am 2. Januar 2017 · Bearbeitet am 3. Januar 2017 · Ausgegeben am 6. Januar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3820 02. 01. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3820 Frage 1. Welche Arten von Umweltschäden verursacht die Kaliproduktion (Bergbau, Verarbeitung und Umgang mit den Reststoffen) im hessisch-thüringischen Kalirevier? Die Einleitung flüssiger Rückstände aus der Produktion (Produktionsabwasser) sowie von Haldenabwässern aus dem Kalibergbau führte zu einer Belastung der Werra, die in den letzten 60 Jahren zu einer Degradierung des Lebensraumes und Verarmung und Verfremdung der Biozönose geführt hat. Mit wachsender Zahl der Kaliwerke (1918 waren es bereits 278) bzw. zunehmenden Produktionsmengen stieg die Belastung stetig an und hatte ihren Höhepunkt vor der deutschen Wiedervereinigung in den Jahren 1970 bis 1990. In dieser Zeit stiegen die Salzkonzentrationen in der Werra und Weser aufgrund der direkten Einleitungen und der gleichzeitigen Einstellung der Versenkung von Salzabwässern in den Plattendolomit aus den drei Kali-Werken der DDR. So stieg im November 1971 der Wert an der Ulster, einem Zufluss der Werra, auf 52.500 mg/l. Mit dem zu Beginn der 90er Jahre nach der Wiedervereinigung beschlossenen Salzreduzierungskonzept konnten die Chloridkonzentrationen in der Werra gegenüber vorher um ca. 90 % verringert werden. Durch die Errichtung einer abflussabhängigen Salzlaststeuerung in der Werra für alle drei Kali-Standorte in Thüringen und Hessen werden seit Mai 1999 am Pegel Gerstungen die wasserrechtlich vorgegebenen Grenzwerte für Chlorid 2.500 mg/l und für die Gesamthärte 90° deutscher Härte als Immissionsgrenzwerte eingehalten. Bei der Aufbereitung der Rohsalze im Werra-Kaligebiet fallen flüssige und feste Aufbereitungsrückstände an, die als bergbaulicher Abfall ordnungsgemäß entsorgt werden müssen. Die festen Abfälle aus der Aufbereitung werden aufgehaldet. Durch die Halden verändert sich das Landschaftsbild , Boden wird versiegelt und es entsteht Haldenabwasser. Die Entsorgung der Halden- und Produktionsabwässer erfolgt durch die Einleitung in die Werra und die Versenkung in den Untergrund. Die Weser-Ministerkonferenz als Beschlussebene der Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) hat am 18. März 2016 einvernehmlich den detaillierten Bewirtschaftungsplan Salz 2015 - 2021 und das detaillierte Maßnahmenprogramm Salz 2015 bis 2021 beschlossen. Im detaillierten Bewirtschaftungsplan Salz 2015 bis 2021 sind für die Pegel in Gerstungen und Boffzen für die Jahre 2021 und 2027 Zielwerte festgelegt. Ziel der Umsetzung der Maßnahmen zur Verminderung und Vermeidung von Produktions- und Haldenabwasser des detaillierten Maßnahmenprogramms Salz 2015-2021 ist die Erreichung dieser Zielwerte, d.h. eines guten ökologischen Zustandes am Pegel Boffzen im Jahr 2027 sowie eine Halbierung der Chlorid-Belastungen am Pegel Gerstungen im Jahr 2027. Der Chlorid-Wert der FGG Weser für den guten ökologischen Zustand wird in den Oberflächenwasserkörpern (OWK) der Weser und das gute ökologische Potenzial in den OWK der Werra in 2027 erreicht. Frage 2. Welche durch die Kaliproduktion verursachten Umweltschäden im hessisch-thüringischen Kalirevier sind der Landesregierung konkret bekannt? Bedingt durch den Platzbedarf der Halden wurden Flächenverluste an Wäldern und Agrarflächen hervorgerufen. Die gesamte Aufstandsfläche der aktuellen Großhalden von K+S beträgt in Hattorf ca. 85 ha, in Wintershall ca. 97 ha und in Neuhof-Ellers ca. 84 ha (Stand 2015). Die durch Salz beeinflusste Ackerfläche beläuft sich nach Angaben des Regierungspräsidiums Kassel auf unter 1 ha. Weitere Flächen sind dem Regierungspräsidium Kassel nicht bekannt. Durch die Einleitung befinden sich die Fischfauna und weitere Organismengruppen in der Werra in keinem guten Zustand. Gleichwohl sind seit der Einführung der Salzlaststeuerung deutliche Verbesserungen eingetreten. Zusammengefasst erreichen derzeit insgesamt zehn Oberflächenwasserkörper in Werra und Weser auf einer Länge von ca. 630 km die Richtwerte der FGG Weser bezüglich der Belastung mit den Salzionen Chlorid, Magnesium und Kalium nicht. Im Bewirtschaftungsplan Salz 2015 bis 2021 der FGG Weser werden sieben Grundwasserkörper mit einer Fläche von insgesamt ca. 1.280 km² als salzbelastet eingestuft. Nachweise von aufgestiegenem Salzabwasser (mit Ausnahme der bekannten geogenen Aufstiegsbereiche im Werratal und an der Breizbachsmühle) oder infolge des Versenkgeschehens verdrängtem Formationswasser in zu Trinkwasser genutzten Grundwasserleitern sind in Hessen nicht bekannt. Frage 3. Sind alle Umweltschäden aus der Kaliproduktion reversibel? Als Bezugsgröße schlagen wir den Erlebenszeitraum einer bis zwei Generation vor. Die Rückstandshalden müssen länger als zwei Generationen unterhalten werden. Ob die Auswirkungen der seit 1925 andauernden Versenkung innerhalb von zwei Generationen vollständig reversibel sind, kann nicht vorhergesagt werden. Nach Einstellung der Einleitung ist mit einer relativ zeitnahen Verbesserung der Gewässerqualität von Werra und Weser zu rechnen, da dann nur noch mit diffusen Einträgen zu rechnen ist. Die diffusen Einträge werden ohne Versenkung ebenfalls recht zeitnah messbar zurückgehen. Nach Vorgabe des Maßnahmenprogramms Salz Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3820 3 2015 - 2021 und des Bewirtschaftungsplans Salz 2015 - 2021 wird der gute ökologische Zustand der Oberflächenwasserkörper der Weser und das gute ökologische Potential der Oberflächenwasserkörper der Werra in 2027 erreicht. Damit werden die Kriterien der EU- Wasserrahmenrichtlinie erfüllt. Frage 4. Wie hoch schätzt die Hessische Landesregierung die Kosten zur Beseitigung der Umweltschäden durch den Kalibergbau auf der hessischen Landesfläche? Hinsichtlich der Kosten zur Beseitigung der materiellen Schäden an der Kanalisation wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Für die weiteren Kosten zur Reduzierung der Auswirkungen des Kali-Bergbaus auf die Gewässer wird auf die Öko-Effizienz-Analyse der FGG Weser hingewiesen . Ziel der Öko-Effizienz-Analyse (ÖEA) vom 19. September 2014 ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit unterschiedlicher Maßnahmenoptionen der FGG Weser zur Umsetzung des Gewässerschutzes Werra/Weser und zum Erhalt der Kaliproduktion im hessisch-thüringischen Kali -Gebiet. Die ÖEA liefert Ergebnisse der Prüfung und Bewertung der ökologischen Wirksamkeit , der Kosten-Effizienz, der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit der unterschiedlichen Maßnahmenoptionen als Grundlage für die Festlegung von Maßnahmen des Maßnahmenprogramms Salz 2015 - 2021. Mit Hilfe der ÖEA konnten die wirtschaftlichen und umweltseitigen Aspekte der Maßnahmen des Maßnahmenprogramms Salz 2015 - 2021 der FGG Weser analysiert und integriert bewertet. In der ÖEA werden die Jahreskosten des Maßnahmenprogramms Salz zur Umsetzung des Gewässerschutzes Werra / Weser im Sinne von Kosten der Vermeidung von Umweltschäden auf 68 Mio. € geschätzt. Frage 5. Wie hoch schätzt die Hessische Landesregierung die Kosten zur Beseitigung der Umweltschäden in anderen Bundesländern durch den Kalibergbau im hessisch-thüringischen Kalirevier? Hierüber liegen keine Informationen vor. Frage 6. Liegt der Hessischen Landesregierung eine umweltökonomische Gesamtrechnung für die Kaliproduktion im hessisch-thüringischen Kalirevier vor? a) Wenn ja: Welches sind die zugrunde gelegten ökonomischen, ökologischen und sozialen Parameter und wie fällt die Gesamtbewertung aus? b) Wenn nein: Beabsichtigt die Hessische Landesregierung eine umweltökonomische Gesamtrechnung in Auftrag zu geben? Antwort bitte mit Begründung. Die UGR zeigt die Wechselwirkung zwischen Wirtschaft und Umwelt auf. Die UGR ist keine betriebswirtschaftliche, sondern eine volkswirtschaftliche Methode und auf individuelle Unternehmen der Kaliproduktion nicht anwendbar. Auf die Vorbemerkung wird hingewiesen Zu Frage 6 a, b: Nein. Auf die Antwort zu der Frage 6 sowie die Vorbemerkung wird hingewiesen . Wiesbaden, 19. Dezember 2016 Priska Hinz