Kleine Anfrage des Abg. Quanz (SPD) vom 28.09.2016 betreffend Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock an die Stadt Witzenhausen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Die Stadt Witzenhausen hatte Mittel aus dem Landesausgleichsstock beantragt. Durch verzögertes Handeln der Landesregierung bzw. des Regierungspräsidiums sind der Stadt Witzenhausen deutliche finanzielle Nachteile entstanden. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Auf der Grundlage von § 58 Finanzausgleichsgesetz (FAG) richtet das Land jährlich aus Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs einen Landesausgleichsstock ein. Die Mittel des Landesausgleichsstocks verwendet das Ministerium des Innern und für Sport in Abstimmung mit dem Ministerium der Finanzen. Die Zuweisungen dienen insbesondere zur Unterstützung finanzschwacher und mit hohen Haushaltsfehlbeträgen belasteter Kommunen, die trotz eigener erheblicher Konsolidierungsmaßnahmen den gesetzlich geforderten Haushaltsausgleich nicht einhalten. Der Landesausgleichsstock ist ein nachrangiges subsidiäres Finanzierungsinstrument. Die Kommunen sind aufgrund ihrer Selbstverwaltungshoheit selbst dafür verantwortlich, die Hessische Gemeindeordnung einzuhalten und Fehlbeträge durch eigene Konsolidierungsmaßnahmen zu vermeiden. Eine Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock kommt daher nur in Betracht, wenn eine Kommune trotz Ausnutzung aller zumutbaren Sparmöglichkeiten und Ausschöpfung aller zumutbaren Einnahmemöglichkeiten nicht in der Lage ist, die Entstehung von Haushaltsdefiziten aus eigener Kraft zu verhindern. Daneben ist eine Zuweisung ebenso zu versagen, soweit eine Kommune mit eigenen Maßnahmen in der Lage ist, entstandene Fehlbeträge zurückzuführen . Der Landesausgleichsstock kann daher nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Zielsetzung der Zuweisungen ist es, die Leistungsempfänger wieder in die Lage zu versetzen, künftig ohne Zuweisungen auszukommen. Die Mittel für den Landesausgleichsstock werden aus dem kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt. Sie reduzieren den kommunalen Finanzausgleich somit an anderer Stelle. Dem Charakter nach ist der Landesausgleichsstock ein "Solidarfonds" der hessischen Kommunen . Dies bedeutet für das Land eine besondere Verantwortung bei der Mittelverwendung. Das Land würde dieser besonderen Verantwortung nicht gerecht werden, falls es eine Zuweisung gewähren würde, obwohl eine Kommune in der Lage ist, entstandene Fehlbeträge ganz oder teilweise aus eigener Kraft abzudecken. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie waren die Haushaltsergebnisse der Stadt Witzenhausen in den Jahren 2010 bis 2015? Jahr ordentliches Ergebnis Zahlungsmittelüberschuss/-fehlbedarf aus laufender Verwaltungstätigkeit 2010 - 3.151.851,00 Fehlbetrag - 3.710.070,17 Auszahlungsüberschuss 2011 - 4.371.051,31 Fehlbetrag - 2.503.575,66 Auszahlungsüberschuss 2012 324.672,60 Überschuss - 4.144.213,00 Auszahlungsüberschuss Eingegangen am 14. November 2016 · Bearbeitet am 15. November 2016 · Ausgegeben am 18. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3822 14. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3822 2013 - 2.118.990,37 Fehlbetrag 1.981.111,81 Einzahlungsüberschuss 2014 15.301,00 Überschuss 816.317,13 Einzahlungsüberschuss 2015 762.000,00 Überschuss 1.691.910,00 Einzahlungsüberschuss Frage 2. Auf welcher Grundlage stellte die Stadt wann Anträge auf Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock ? Die Stadt Witzenhausen hat zwischen 2003 und 2013 Anträge auf Fehlbetragszuweisungen für die Rechnungsfehlbeträge der Jahre 2002 bis 2011 gestellt. Der zuletzt vorgelegte Antrag bezieht sich auf die Defizite der Haushaltsjahre 2010 und 2011 und wurde von der Stadt mit Schreiben vom 08. 07.2013 an das Regierungspräsidium Kassel gerichtet. Frage 3. Wann traf die Landesregierung bzw. das Regierungspräsidium Entscheidungen darüber, in welcher Höhe Zuweisungen erfolgen sollen? Über eine Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock entscheidet das Ministerium des Innern und für Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen. Über den zuletzt gestellten Antrag der Stadt Witzenhausen für die Defizite der Haushaltsjahre 2010 und 2011 wurde mit Erlass des Innenministeriums vom 02.05.2016 entschieden. Frage 4. Welche Gründe waren für die große Zeitspanne zwischen Antragstellung und Gewährung der Zuweisung verantwortlich? Die Bearbeitung von Anträgen auf Fehlbetragszuweisungen aus dem Landesausgleichsstock erfordert eine besonders sorgfältige Prüfung der entscheidungserheblichen Kriterien. Diese müssen individuell für jede Kommune ermittelt werden. Schwerpunkt der Antragsprüfung ist die Ermittlung der nicht zuweisungsfähigen Bestandteile des Defizits, die sich überwiegend aus den Ausgaben für freiwillige Aufgaben und den Einnahmeverzichten bei den kostenrechnenden Einrichtungen einer Kommune ergeben. In das Antragsverfahren sind neben der Kommune selbst bei kreisangehörigen Kommunen der Landrat als untere Aufsichtsbehörde, das zuständige Regierungspräsidium , das Ministerium des Innern und für Sport sowie das Ministerium der Finanzen eingebunden. Die Zeitspanne zwischen der Antragstellung und der Gewährung der Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock hat keine Auswirkung auf die Höhe einer Zuweisung. Frage 5. Welche Rolle spielten bei der späten Gewährung die Jahresergebnisse in den Jahren 2014 und 2015? Frage 6. Auf welcher Grundlage fanden die deutlichen Kürzungen bei den Zuweisungen im Vergleich zu den Anträgen statt? Die Fragen 5 und 6 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Stadt Witzenhausen hat seit 2003 Fehlbetragszuweisungen aus dem Landesausgleichsstock in Höhe von 10.245.000 € erhalten. Daneben hat die Stadt die Entschuldungshilfen aus dem kommunalen Schutzschirm in einem Umfang von 16.276.573 € erhalten. Bei der Bemessung der Entschuldungshilfen wurden die Defizite der Haushaltsjahre 2010 und 2011 bereits teilweise berücksichtigt . Beide Landeshilfen zusammen ergeben einen Betrag in Höhe von 26.521.573 €. Neben eigenen Konsolidierungsmaßnahmen der Stadt, insbesondere im Zuge der Teilnahme am kommunalen Schutzschirm, haben diese Landeshilfen zu einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Stadt Witzenhausen beigetragen. Diese Verbesserung wird in den Einzahlungsüberschüssen der Jahre 2013 bis 2015 deutlich, welche sich nach aktuellen Erhebungen auf insgesamt rd. 4,5 Mio. € belaufen. In Ziffer I Nr. 2 S. 1 der Richtlinien zum Landesausgleichsstock ist bestimmt, dass sich Kommunen selbst bemühen müssen, Fehlbeträge zu vermeiden oder abzubauen. Aufgrund der Nachrangigkeit des Landesausgleichsstockes ist für Fehlbeträge eine Zuweisung nur dann möglich, wenn unter Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten und Ausnutzung aller Einsparungsmöglichkeiten ein Fehlbetrag nicht verhindert werden konnte. Folgerichtig sind die Einzahlungsüberschüsse der Jahre 2014 und 2015 auf die Zuweisung anzurechnen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3822 3 Frage 7. Welche Position nimmt die Landesregierung zu dem Vorwurf ein, dass sie durch Nichthandeln bzw. durch äußerst spätes Handeln für die Kürzungen verantwortlich ist? Die Landesregierung hält den Vorwurf für unbegründet. Die Reduzierung der Zuweisung an die Stadt Witzenhausen von 5.087.000 € auf 2.066.000 € sind ausschließlich auf die oben ausgeführten Grundsätze des Landesausgleichsstocks "Selbsthilfe vor Fremdhilfe" zurückzuführen und nicht auf die Bearbeitungsdauer bzw. den Zeitpunkt der Entscheidung. Ohne Vorlage der Jahresergebnisse 2014 und 2015 hätte die Entscheidung über eine Zuweisung bis zu deren Ermittlung ohnehin zurückgestellt werden müssen. Im Übrigen ist der Stadt Witzenhausen während des laufenden Prüfungsverfahrens weder eine Zuweisung dem Grunde nach noch in bestimmter Höhe in Aussicht gestellt worden. Frage 8. Welche Position nimmt die Landesregierung zu der Forderung der Stadt Witzenhausen ein, dass die Stadt eine ergänzende Zuweisung in Höhe von 2,2 Mio. € erwartet? Diese Forderung wird in der Resolution der Stadtverordnetenversammlung Witzenhausen vom 12.07.2016 erhoben. Eine ergänzende Zuweisung in Höhe von 2,2 Mio. € resultiert aus der in der Resolution zum Ausdruck gebrachten Forderung, auf die Zuweisung statt erzielter Einzahlungsüberschüsse lediglich die im Vergleich geringeren ordentlichen Überschüsse aus der Ergebnisrechnung für die Jahre 2014 und 2015 anzurechnen. Die Resolution weist diese mit 811.902 € aus. Die Stadt Witzenhausen erklärt sich an dieser Stelle mit einer Kürzung dem Grunde nach einverstanden . Eine Anrechnung der Überschüsse aus dem ordentlichen Ergebnis ist aber nicht sachgerecht. Das für den Landesausgleichsstock relevante Defizit wird aus den zahlungsorientierten Größen der Finanzrechnung ermittelt. Aus systematischen Gründen und aus Gründen der Vergleichbarkeit muss eine Anrechnung von Überschüssen ebenfalls aus zahlungswirksamen Größen der Finanzrechnung erfolgen. Abschließend weise ich darauf hin, dass der Magistrat der Stadt Witzenhausen bereits mit Schreiben vom 20.6.2016 gegenüber dem Regierungspräsidium Kassel zum gegenständlichen Erlass des Innenministeriums vom 02.05.2016 sein Einverständnis erteilt hat. Die Zuweisungssumme von 2.066.000 € wurde bereits an die Stadt Witzenhausen überwiesen. Wiesbaden, 2. November 2016 Peter Beuth